Protokoll der Sitzung vom 18.12.2015

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Die heutige Entscheidung sollte keine Frage von Parteifarben sein, sondern eine Frage von Blau, Weiß und Rot, den Farben Schleswig-Holsteins. Wir ziehen einen Schlussstrich, und wir versuchen, das so vermögensschonend wie möglich zu machen. Es macht uns wütend, dass wir die Realisierung der großen Verluste mit dieser Entscheidung umsetzen. Aber zwischen zwei Alternativen, die uns würgen, ist dies die bessere. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Erkenntnisgewinn seit Mittwoch und seit den Ausschussberatungen und die Erfahrungen im Leben tendiert gegen Null. Deshalb möchte ich mich in meinen Ausführungen nur noch auf ganz wenige Fragen konzentrieren.

Zunächst aber macht es Sinn, wenn man nach vorne schauen will, auch einmal kurz nach hinten zu schauen, um aus Fehlern zu lernen, wobei ich nicht sagen will, dass das HSH-Gesetz ein Fehler gewesen ist.

Als wir 2008 der HSH Nordbank vonseiten Hamburgs und Schleswig-Holsteins jeweils 1 Milliarde € zugeführt haben, war die Begründung, warum die HSH Nordbank das zunächst bekommen sollte, sie wolle ihr Eigenkapital ausweiten, um ihr Geschäftsfeld weiter ausweiten zu können, also weiter tätig werden zu können. Ich habe das nachgelesen und weiß, dass das im Finanzausschuss eine falsche Erklärung gewesen ist. Das war nämlich ein Verlustausgleich, den die Bank bis zum Ende des Jahres benötigte. Dies habe ich im Finanzausschuss gesagt. Wer jetzt in die Eigenkapitalzuführung einsteigt, der muss wissen, dass diesem Schritt weitere folgen müssen, wenn die Behauptung richtig sein soll, dass diese Bank am Markt bestehen bleibt.

2009 - auch das habe ich noch einmal nachgelesen war ja der Vorschlag gemacht worden, nicht nur Schleswig-Holstein und Hamburg, sondern vielleicht auch den Bund daran zu beteiligen. Die Diskussion damals war: Wenn wir jetzt einsteigen anstelle des Bundes, dann bleibt die Wertaufholung bei uns, das heißt, dann haben wir die volle Rendite daraus und nicht der Bund. Schon damals haben Monika Heinold und ich gesagt: Die Erwartung und die Hoffnung, dass sich die Krise sehr schnell bewältigen lassen wird bei der geringen Eigenkapitalausstattung der Bank im Hinblick auf das, was kommen wird, wird sehr trügerisch sein.

Damals habe auch ich gesagt - ich möchte das nur wiederholen, Herr Kollege Koch -, es wäre sinnvoller, statt 3 Milliarden € Kapital zuzuführen und 10 Milliarden Bürgschaft zu geben, also eine Garantie zu geben, um die Eigenkapitalquote künstlich zu stärken, 10 Milliarden € Eigenkapital zuzuführen. Also ein vernünftiger Eigentümer, der damals vielleicht 13 Milliarden hineingepackt hätte, hätte sonst Probleme mit Gebühren und anderen Dingen mehr. Aber dazu war damals niemand bereit, weil den Menschen in Schleswig-Holstein damals nicht hätte klargemacht werden können, dass wir als Länder 13 Milliarden € in die Bank hineinpacken und möglicherweise darauf verzichten müssen, daraus eine Rendite zu erzielen.

Wir können so viel herumreden, wie wir wollen. Wir reden ja nicht mehr darüber, dass wir Vermögen des Landes Schleswig-Holstein generieren, sondern wir reden darüber, Verluste, die eintreten werden, zu minimieren. Wir stehen also jetzt vor der Frage: Was wird im Zweifel teurer oder günstiger? Ich wiederhole mich. Wenn man die Erwartung hat, dass man im Jahre 2018 welchen Korpus der HSH Nordbank auch immer an einen Investor veräußern möchte, um damit einen signifikanten

(Eka von Kalben)

Kaufpreis zu erzielen, dann muss man diesen Schritt beschreiten, den Sie jetzt vorschlagen. Wenn man diese Erwartung nicht hat, dann darf man diesen Schritt nicht beschreiten, und zwar deshalb, weil wir wissen - ich verrate keine Geheimnisse -, dass eine Abwicklung im Jahre 2018 bei nicht erfolgtem Verkauf definitiv teurer werden würde als eine Veräußerung zum jetzigen Zeitpunkt. Das hat mit vielen Gründen zu tun. Wir haben darüber schon häufiger diskutiert. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Ich kann die Menschen verstehen, die sagen, wir sind von dieser Hoffnung getragen. Wenn wir diese Maßnahmen jetzt ergreifen, hoffen wir, dass die HSH Nordbank tatsächlich in einem Kernbereich signifikant werthaltig veräußert werden kann. Dann können wir die Verluste minimieren. Machen wir das nicht, werden die Verluste größer als heute. Das Ergebnis werden wir erst bei der Endabrechnung im Jahre 2018 feststellen können.

Einige Argumente sind belustigend, Herr Kollege Koch. Die Union schlägt vor, dass man die Kreditermächtigung für den Abwicklungsfonds in Höhe von 6,2 Milliarden € genehmigt, maximal - so habe ich gehört - bis zur Höhe des Marktwerts der zu übernehmenen Papiere. Das ist deshalb richtig intelligent, weil Sie mehr als den Marktwert der Papiere nicht brauchen und deshalb eine Kreditermächtigung, die über den Wert dieser Papiere hinausgehen würde, nicht in Anspruch genommen würde.

Unabhängig von dieser Frage macht es wenig Sinn, wenn Sie sagen: 6,2 Milliarden € Kreditermächtigung beziehungsweise maximal das, was ausgegeben werden muss. Denn es ist ja so, dass mehr als das, was ausgegeben werden muss, auch nicht in Anspruch genommen werden kann.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

- Ja, Herr Kollege Koch, man muss auch mit diesem Märchen aufhören, dass die Einigung mit der EU zwingend vorschreibt, dass die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt für 6,2 Milliarden € Papiere aufkaufen; sie ermächtigt lediglich. Die Idee ist zunächst, dass die Papiere am Markt veräußert werden sollen. Die Behauptung, wir signalisieren dem Markt jetzt, indem wir eine entsprechende Ermächtigung schaffen, dass wir Vertrauen in die Bank haben, ist relativ kindisch, denn wenn der Markt die Papiere nicht aufnimmt, hat er auch kein Vertrauen in die Bank. So einfach ist das.

(Beifall FDP)

Es gibt gute Gründe, sich so zu verhalten, man muss sie aber nicht mit falschen Argumenten unterfüttern wollen, um die Bevölkerung in die Irre zu führen.

Noch einmal: Wir alle stehen vor der Entscheidung, entweder dem Prinzip Hoffnung zu folgen und weiter zu finanzieren oder Abwicklung der Bank mit entsprechender Kostenminimierung. Wir können uns in dieser Frage deshalb nicht entscheiden, weil die Bewertungsgrundlagen schlicht und ergreifend nicht ausreichend sind, das alles durchrechnen zu können. Wir werden deshalb der Beschlussvorlage des Finanzausschusses nicht zustimmen können, aber jeder andere, der sich anders verhält, kann es damit begründen, dass er wirklich fest daran glaubt, dass mit dem Weg, der jetzt beschritten wird, die Verluste minimiert werden können. Wir denken das eher nicht. Wir werden im Jahre 2018 sehen, wohin es läuft. Vielleicht werden wir es auch schon viel früher feststellen. Wir werden uns die Bilanzen zum 31.12.2015 ansehen. Denn alles, was wir jetzt machen, wird keine Auswirkungen auf die Bilanz haben. Wir schauen uns an, was im Laufe des Jahres 2016 passieren wird; denn wenn die Marktteilnehmer, die der HSH Nordbank ihr Geld leihen müssen, ihr Vertrauen verlieren, dann wird der Stecker herausgezogen.

Wir werden uns auch anschauen, was die RatingAgenturen machen werden. Da ist die Hoffnung, dass das, was in diesem Lande passiert, die RatingAgenturen gnädig stimmt. Wenn man sich aber die Berichte der Vergangenheit durchliest, die HSH Nordbank habe kein Geschäftsmodell, das tragfähig ist, sie werde nur nicht downgegradet, weil die Länder ihre Hand darüber hielten, muss man jetzt feststellen, dass dieses Hand-darüber-Halten nun wegfällt. Ob das Signal, wir machen von der Ermächtigung der EU-Kommission möglicherweise Gebrauch, der Bank noch Papiere abzunehmen, ausreichen wird, steht auch in den Sternen. Warum steht es in den Sternen? - Weil die Bank nicht komplett von ihren Lasten befreit wird, sondern nur zu einem Teil.

Man kann das jetzt beschreien, man muss aber keine Angst haben, weil die Marktteilnehmer, die in diese Geschäfte gehen, ohnehin intelligent genug sind und nicht auf das hören und warten, was im Schleswig-Holsteinischen Landtag gesagt oder nicht gesagt wird. Die Leute, die am Markt operieren, sind durchaus intelligenter als viele von denen, die hier sitzen, mich eingeschlossen.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Fraktionsvorsitzender, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Torge Schmidt?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kubicki. Sie haben gerade von den Rating-Agenturen gesprochen und dass die Entscheidungen, die wir treffen werden, die Rating-Agenturen befriedigen sollen. Ich meine, es war die Rating-Agentur Fitch, die in ihrem Rating-Bericht ausdrücklich geschrieben hat, dass sie die Entscheidung, die wir hier treffen, gerade sehr negativ bewertet. Sie ist der Meinung, dass sowohl im Falle des Verkaufs der Bank in zwei Jahren beziehungsweise sofern das nicht erfolgt und die Abwicklung der Bank geschehen sollte, dieser Ausblick für die Anleger extrem kritisch und extrem negativ zu bewerten ist. Deswegen hat sie ihren Ausblick für die HSH Nordbank auf negativ belassen.

Ja, Sie haben aber die HSH Nordbank nicht downgegradet. Hätten sie das getan, müssten wir die Bank jetzt sofort abwickeln, weil sie schlicht und ergreifend nicht mehr marktfähig wäre, also keine Kredite mehr von den großen Fonds oder von anderen Marktteilnehmern bekommen könnte, dass also kein Geld mehr in die Kasse gespült würde. Davor scheuen sie noch ein wenig zurück. Man muss sich sehr genau ansehen, ob die Behauptungen des Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, die Bank habe in ihrem operativen Geschäft eine Zukunft, zutreffend sind, ja oder nein.

Ich bin ganz vorsichtig, wenn man sich ansieht, welche Geschäfte die HSH Nordbank im Jahre 2015 getätigt hat, dann ist das nicht das, was Grundlage für die Sunrise-Garantie gewesen wäre. Momentan sind sie dabei, Immobilienfinanzierungen in Bereichen vorzunehmen, von denen wir wissen, dass es problematisch wird, wenn sich die Zinssituation ändert. Denn die Bank ist wieder dabei, sich Klumpenrisiken einzuhandeln. Die Marktteilnehmer werden genau dies bewerten und sich fragen: Wer tritt anschließend dafür ein, wenn sich

aus diesen Klumpenrisiken wieder neue Verluste ergeben? Da es keine weitere Möglichkeit für das Land Schleswig-Holstein gibt, die Hand darüber zu halten, schauen wir uns die Entwicklung des Jahres 2016 an. Vielleicht kommen wir gar nicht bis zum Jahr 2018, aber das ist nicht mein Problem.

Mein Problem ist die Frage: Reicht die Entscheidungsgrundlage für uns aus? - Meine Einschätzung, meine Erwartungshaltung ist eine andere als die von Ihnen. Aber ich kann die von Ihnen nachvollziehen, und die Entscheidung ist genau an diesem Punkt zu treffen: Ja oder nein. - Egal, wie man sich entscheidet, kann man hinterher keinem der Abgeordneten einen Vorwurf machen, dass er sich in seinen Erwartungen an bestimmte Kriterien gehalten hat und die Zukunft in einer bestimmten Art und Weise bewertet hat.

Noch einmal: Meine Fraktion - wir haben darüber beraten - kann der Beschlussvorlage nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Mitarbeiter der HSH Nordbank und Mitglieder der Schifferbrüderschaft Lauenburg/ Elbe von 1635. Sie sind Gäste des Abgeordneten Olaf Schulze.

(Beifall)

Seien Sie uns alle herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag! - Für die Piratenfraktion hat das Wort der Herr Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Torge Schmidt.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind zwischen Hammer und Amboss geraten. Wir sind in Bedrängnis. Wir stehen vor der Situation, dass wir eine weitreichende Entscheidung treffen sollen, die eigentlich nicht die Unsere ist, weil wir nur das entscheiden können, was heute noch möglich erscheint. Die angebotenen Varianten, die wir schon am Mittwoch diskutiert haben, sind in der Substanz keine Alternativen mehr. Sie sind Varianten zur Beendigung eines missglückten politischen Wegs, der seit Jahren durch eine missglückte Politik geebnet wurde.

(Beifall PIRATEN)

Aber wie kann ich das den Menschen verständlich machen, hinter deren Rücken die Entscheidungen

getroffen, mit deren Geld spekuliert wurde, mit deren Vertrauen wir und die Vorgängergeneration an Politikern ausgestattet wurden und das in diesem Land bitter verspielt wurde? Wie kann ich ihnen erklären, dass wir alle hier heute über etwas entscheiden sollen, dass zum einem höchst theoretisch und spekulativ ist und zum anderen von den wenigsten wirklich durchschaut wird? Wie kann ich Politik erklären, wenn ich nicht über das sprechen darf, was ich als einziger Abgeordneter meiner Fraktion im Beteiligungsausschuss erfahren habe und was ich allen anderen vorenthalten muss?

(Zuruf: Eine sehr gute Frage!)

Ich sage es hier ganz deutlich: All das kann und will ich nicht leisten.

(Beifall PIRATEN)

Darum möchte ich an dieser Stelle den NDR korrigieren, der am Mittwoch im Schleswig-HolsteinMagazin berichtet hat, dass auch die PIRATEN den Regierungsplänen zustimmen würden.

(Beifall PIRATEN)

Das tun wir ganz ausdrücklich nicht!

Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, wir haben intensiv in der Fraktion darüber diskutiert und erkennen an, dass sich die Landesregierung intensiv um einen tragfähigen Weg bemüht hat. Wir erkennen auch das Bestreben der CDUund FDP-Fraktion an, ihren Beitrag zur Lösung der Misere zu leisten.

An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei Staatssekretär Nimmermann bedanken, der sich die Zeit genommen hat, um mit uns ausführlich in der Fraktion zu diskutieren. Sie selbst haben uns dargelegt, wie intensiv Sie sich mit der HSH Nordbank beschäftigt haben, nachdem Sie nach SchleswigHolstein gekommen sind, wie viel Zeit Sie gebraucht haben, um diese Bank zu durchdringen, und wie komplex die Materie ist.

Ich selbst beschäftige mich erst wirklich intensiv mit der Bank, seitdem ich im Jahr 2012 in den Landtag gekommen und Mitglied des Beteiligungsausschusses geworden bin. Ich muss die Landesregierung wirklich loben: Sie tut ihr Bestes, um uns im Beteiligungsausschuss so viel Informationen wie möglich zur Verfügung zu stellen und zugänglich zu machen, doch fühle ich mich als Abgeordneter abhängig. Ich bin abhängig davon, was uns die Bank an Zahlen und Informationen präsentiert. Seien wir doch einmal ehrlich: Die Vorstände der HSH

Nordbank ziehen seit Jahren die Politik am Nasenring durch die Manege.

(Beifall PIRATEN)