Protokoll der Sitzung vom 21.01.2016

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Das konzeptionelle Vorgehen der Landespolizei in Verbindung mit einem verbesserten technischen und verhaltensorientierten Einbruchschutz ist nach unserer Auffassung nach wie vor die beste Strategie in diesem Deliktsbereich. Seit Herbst

2012 bekämpft die Polizei mit diesen Konzepten den Wohnungseinbruchdiebstahl. Etwa 18.000 Hinweise wurden bis November 2015 durch die zentrale Auswertung und Analyse gewonnen und überprüft. Hieraus resultieren 358 Auswerte- und Ermittlungskomplexe. Es kam insgesamt zu 352 vorläufigen Festnahmen. Diese Zahlen bestätigen eindrucksvoll die Wirksamkeit des Konzeptes.

Herr Kubicki, Sie haben gestern gesagt: Wir brauchen eine starke Polizei. Ich sage Ihnen heute: Wir haben eine starke Polizei.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mein Haus und die Landespolizei nehmen das Problem WED, Wohnungseinbruchsdiebstahl, sehr ernst. Wir sind dran und wir bleiben dran. Wir beschönigen nichts. Wir verschweigen hier nichts. Wir manipulieren nichts. Wir benennen die Dinge so, wie sie sind, auch wenn die Entwicklung wahrlich nicht so ist, wie wir uns das alle gemeinsam wünschen.

Gerne lade ich Sie alle ein, auch die Experten im Innen- und Rechtsausschuss, gemeinsam mit uns über qualifizierte und zukunftsweisende Ideen zu sprechen und an der wirksamen und nachhaltigen Bekämpfung des Phänomens WED weiter zu arbeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort für die Landesregierung hat nun die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rufe in Erinnerung, dass beschlossen wurde, dass erst der Innenminister seinen Bericht gibt und ich mich dann anschließend zu dem Tagesordnungspunkt 16 äußere. Ich sage das, damit man sich nicht über das Verfahren wundert.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Justiz im Land stärken - Effektive Strafverfolgung sichern“ wer könnte schon dagegen sein?

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Über das Ziel lässt sich nicht streiten, wohl aber über den Weg. Natürlich muss angesichts aktueller

(Minister Stefan Studt)

Herausforderungen das gesetzliche Handlungsprogramm ausgeschöpft werden, müssen die vorhandenen Mittel des Asylrechts und des Strafrechts konsequent und effektiv genutzt werden. „Effektiv“ bedeutet aber nicht, dass wir unsere Prinzipien über den Haufen werfen. Wer hier einfache Lösungen verspricht und falsche Erwartungen weckt, gefährdet nicht nur den inneren Frieden; er legt auch die Axt an den Rechtsstaat und damit an einen zentralen Wert, an ein zentrales Fundament unserer Gesellschaft.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um es ganz deutlich zu sagen: Unsere Justiz arbeitet in Zeiten steigender Belastungen hoch professionell und verantwortungsbewusst. Was sie dabei am allerwenigsten braucht, sind Ermahnungen der Politik zu mehr Selbstkritik und mehr Härte gegenüber Straftätern. Solche Ermahnungen irritieren auch deshalb, weil in diesem Haus bisher ein Konsens bestand, dass die Politik keinen Einfluss auf die Arbeit von Staatsanwaltschaften und Gerichten nehmen darf.

Natürlich ist es erlaubt, Entscheidungen der Justiz zu kritisieren. Natürlich müssen sich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richterinnen und Richter der gesellschaftlichen und politischen Debatte stellen. Das tun sie täglich. Klar ist aber auch: Die Justiz orientiert sich ausschließlich an Recht und Gesetz. Wer meint, unsere Justiz mit markigen Sprüchen zur Räson bringen zu müssen, für den ist die Unabhängigkeit der Justiz wohl nur ein Lippenbekenntnis.

Darum sage ich: Im jüngsten Zehn-Punkte-Papier der Bundes-CDU zur inneren Sicherheit heißt es wörtlich - ich zitiere -:

„Wir erwarten, dass bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts sofort Untersuchungshaft gegen die potenziellen Täter angeordnet wird.“

Mit Verlaub: Das ist nicht nur dumm Tüch, wie man bei uns sagt; das ist Populismus pur.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche Forderungen lassen jeden, der im ersten Semester Jura studiert und schon mal etwas von der Funktion der Untersuchungshaft, von der Notwendigkeit von Haftgründen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehört hat, vor Fremdscham rot werden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Solche Forderungen sind verantwortungslos. Sie treiben Menschen in die Arme von Extremisten der Sorte PEGIDA. Nicht kriminelle Zuwanderer sind es, die unseren Rechtsstaat gefährden, sondern auf Wählerstimmen schielende Stammtischparolen, die das leidige Vorurteil bedienen, rechtsstaatliche Garantien seien dazu da, um Kriminelle vor Strafe zu schützen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir dürfen unsere rechtsstaatlichen Standards auch in Zeiten großer Herausforderungen nicht aufgeben.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Zum Rechtsstaat gehört, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte gründlich und unabhängig arbeiten und so ausgestattet werden, dass sie in Ruhe zu gerechten Ergebnissen kommen. Natürlich prüfen wir stets, wo Luft nach oben bleibt, sei es bei der Personalausstattung, sei es bei den Verfahrensabläufen. Aber wir verraten nicht unsere Prinzipien. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind nicht schärfere Gesetze, sondern personell und sachlich gut aufgestellte Strafverfolgungsbehörden, damit Straftaten zügig verfolgt und geahndet werden.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das aber ist eine Selbstverständlichkeit und bedarf keiner extra Aufforderung; denn natürlich haben wir die Belastungen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften laufend im Blick. Das gilt natürlich für alle Bereiche gleichermaßen. Der Geschäftsanfall bei Staatsanwaltschaften und Gerichten wird bundesweit erhoben und analysiert. In der Fachsprache reden wir von den sogenannten PEBB§YErhebungen. Für den Personalbedarf ist nicht allein die Zahl der eingehenden Verfahren maßgeblich, sondern auch deren Umfang und Schwierigkeitsgrad. Einige Ausreißerverfahren, wie zum Beispiel der derzeit vom Landgericht Kiel in Schleswig verhandelte Pfandleihhaus-Prozess, binden Kräfte in einer Art und Weise, die durch keine Statistik abgebildet wird. Hinzu kommen vermehrt organisierte Formen der Kriminalität und Bandenstrukturen, wie wir sie nicht zuletzt bei den Wohnungseinbrüchen erleben.

Die Auswertung der jüngsten Erhebung aus 2014 ist auf Bundesebene Ende 2015 abgeschlossen worden und wird nun auf die Länder übertragen. Sie

(Ministerin Anke Spoorendonk)

hat gezeigt, dass insbesondere bei den Staatsanwaltschaften zum Teil enorme Belastungen durch eine zunehmende Komplexität der Verfahren entstanden sind. Hinzu kommt, meine Damen und Herren, dass unser Land auch mit Blick auf die zahlreichen Menschen, die neu zu uns kommen, vor viele Herausforderungen gestellt ist. Das betrifft auch die Justiz. Auch dafür sind die PEBB§Y-Zahlen ein Indiz.

Wir werden - wie übrigens andere Bundesländer auch - die Ergebnisse der aktuellen Erhebung unserer Planung zugrunde legen, und zwar ab dem Kalenderjahr 2016. Auf diese Weise werden wir ein objektives, belastbares Bild davon erhalten, wo und in welchem Umfang Änderungen angezeigt sind.

Ich habe in diesem Zusammenhang bereits öffentlich versichert, dass dies, wo notwendig, dann auch personelle Verstärkung bedeuten wird. Dazu stehe ich. Ich möchte in Klammern hinzufügen, auch wenn es mir nicht richtig zusteht: Die Haushaltsberatungen zum Haushalt 2016 haben gezeigt, dass die regierungstragende Koalition unseres Hauses auch dazu steht, dass darauf also auch Verlass ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanzministerin hat schon angekündigt, dass es einen Nachtragshaushalt für 2016 geben wird. Vor diesem Hintergrund und nicht, weil die Kollegin Frau Ostmeier zum wiederholten Mal im Plenum außerhalb der Haushaltsberatungen jetzt einen isolierten Haushaltsantrag stellt,

(Zuruf Barbara Ostmeier [CDU])

- liebe Frau Ostmeier - möchte ich jetzt das ausführen, was ich angekündigt habe: Wir werden eine Stärkung unserer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit dem dazugehörenden Personal bei den Geschäftsstellen im Blick haben. Wir werden unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stärken. Wie viele Stellen es genau sein werden, hängt natürlich von den weiteren Berechnungen ab. Aber seien Sie versichert: Ich werde mich als Justizministerin mit aller Kraft dafür einsetzen, und es wird auch eine bedarfsgerechte Änderung geben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei den Gerichten werden wir personell nachsteuern, sobald dort ein entsprechender Mehrbedarf abgebildet werden kann; denn verantwortungsvolle Personalwirtschaft ist eine langfristige, kontinuierliche Aufgabe, die sich nicht nach tagespolitischen Schaufensteranträgen richtet.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, ein Letztes noch: Es braucht auch keine weiteren Konzepte zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben. Dies gilt auch für den Bereich der Strafverfolgung. Ich habe erst im November 2015 und zuvor regelmäßig im Innenund Rechtsausschuss erläutert, welche Maßnahmen wir seit Anfang 2013 ergriffen haben, um die Strafkammern zu entlasten und die Bestände zu reduzieren. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich hier wiederhole: Wir werden die Situation der Strafkammern weiterhin intensiv begleiten und im Innenund Rechtsausschuss in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung der Bestandszahlen berichten. Die Weichen sind gestellt, meine Damen und Herren. Die jüngste Entwicklung gibt uns recht. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, bevor ich den Abgeordneten das Wort erteile, teile ich Ihnen erst einmal mit, dass die Landesregierung 17 Minuten geredet hat. Das heißt, nach unseren Verabredungen stehen den Fraktionen jetzt auch 17 Minuten zu. - Zunächst erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es mit meiner langen parlamentarischen Erfahrung das erste Mal erlebt, dass die Landesregierung zu einem Antrag redet, der nicht Berichtsantrag ist,

(Beifall FDP und CDU)

bevor die Antragsteller überhaupt Gelegenheit hatten, etwas dazu zu sagen. Es ist mir auch relativ egal. Das einzig Gute an der Rede der Ministerin war, dass wir jetzt 17 Minuten haben, um zu sprechen.

(Heiterkeit)

Herr Minister Studt, bevor ich zu Ihnen und Ihrem Bericht komme, möchte ich einen Appell an die Sozialdemokraten, aber auch an die Union dieses Hauses, richten. Wenn wir heute feststellen müssen, dass bei Meinungsumfragen in Hamburg die AfD so stark geworden ist wie die CDU und in BadenWürttemberg die AfD den Sozialdemokraten ziem