Protokoll der Sitzung vom 21.01.2016

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mehrheit dort hat die CDU.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist eine billige Ausrede!)

- Ich sagte ja, wir arbeiten daran. Bei der SPD steht es - im Gegensatz zur CDU - auf jeden Fall im Programm.

Dass die Pflege ein wahrer Jobmotor ist und angesichts der demografischen Entwicklung noch an Fahrt aufnehmen wird, zeigen die Entwicklungen: 39.800 Menschen arbeiteten bis Ende 2013 in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Die Zahl der in der Pflege Tätigen ist damit um über 31 % gestiegen. Allein im ambulanten Bereich hat sich die Anzahl der Pflegefachkräfte um 71 % erhöht; sie betrug bis Ende 2013 48 %.

Aber - das will ich hier auch sagen -: Die Pflegenden müssen von ihrer Arbeit auch leben können.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Pflegetätigkeit darf nicht in die Armut führen. Deshalb ist neben dem sowieso schon geringen Lohn die Entwicklung hin zu mehr Teilzeit auf Dauer kritisch zu sehen. Wir konnten im Pflegebericht sehen, dass immer mehr Leute in Teilzeit angestellt werden. Davon kann man nicht leben. Das führt zum Schluss zu weniger Rente. Das ist keine gute Entwicklung, auch wenn man das aus der Praxis zum Teil nachvollziehen kann. Hier haben die Arbeitgeber eine besondere Verantwortung, um für die notwendigen Rahmenbedingungen und für eine gute Zukunft der in der Pflege Tätigen zu sorgen.

Ein Fünftel aller Beschäftigten ist über 55 Jahre alt. Bei wachsendem Pflegekräftebedarf müssen wir uns also rechtzeitig um geeigneten Nachwuchs

kümmern. Auch das haben wir getan. Wir haben dafür gesorgt, dass diese wichtige Ausbildung für die Auszubildenden in Schleswig-Holstein endlich kostenfrei ist. Seit 2013 haben wir jedes Jahr zusätzlich 200 kostenfreie, landesgeförderte Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Dementsprechend ist die Zahl der Bewerbungen auch gestiegen, und das ist gut so.

Um die Durchlässigkeit und damit die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern, wird zurzeit das Pflegeberufegesetz auf den Weg gebracht, das unter anderem die generalistische Ausbildung zum Ziel hat. Zusätzlich bieten wir erstmalig in Schleswig-Holstein ein pflegewissenschaftliches Studium an. Wir geben der Pflege mit der Einrichtung der Pflegekammer endlich eine eigene Stimme. Der Errichtungsausschuss hat seine Arbeit jetzt aufgenommen. Herzlichen Glückwunsch an den Vorstand! Ich zweifle nicht an Ihrem Erfolg.

Der Demenzplan für Schleswig Holstein ist, dank bester Koordinierung durch das Kompetenzzentrum Demenz, auf dem Weg. Der Prozess zur wichtigen Reduzierung der Dokumentation in der Pflege wird im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern in Schleswig-Holstein dank einer guten Moderation durch das Sozialministerium wunderbar umgesetzt und angenommen, und selbstverständlich halten wir weiterhin an unserer Forderung nach einem gesetzlichen Personalbemessungsschlüssel fest.

Unser Dank und unser Respekt gelten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den über 1.000 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in diesem Land, die den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen Tag und Nacht mit Rat und Tat zur Seite stehen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Wolfgang Baasch [SPD] und Peter Eichstädt [SPD])

Das gilt auch für die pflegenden Angehörigen und ihr Engagement, das ja meist im Verborgenen stattfindet und von vielen eigentlich gar nicht richtig wahrgenommen wird. Es ist und bleibt keine Selbstverständlichkeit. Also, von unserer Seite, von der Seite der SPD und der Koalition: Ein echtes Bekenntnis zur echt guten Pflege im echten Norden. Oder, wie eine Pflegedienstleitung mir bei einem meiner Besuche zum Abschluss sagte:

,,Noch nie hat eine Landesregierung so viel für die Pflege getan wie diese.“

Vielen Dank.

(Birte Pauls)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal sage ich vielen Dank für den Bericht, Frau Alheit, den Sie hier mündlich gehalten haben. Auf meine Nachfrage hin habe ich diesen Bericht bekommen. Ich muss Sie ein wenig kritisieren, denn dieser Bericht ist nicht allen zugänglich gemacht worden. Er hat keine Drucksachennummer, und wir haben ihn auch nicht erhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass dies das nächste Mal besser läuft und dass so ein Bericht, der wichtige Inhalte hat, besser an die Abgeordneten verteilt wird. Das war schon im Dezember so. Wir haben die Zeitungsberichte dazu gesehen, aber wir haben den Bericht selbst nicht bekommen.

Es gibt kaum einen Bereich, in dem sich die demografischen Veränderungen so deutlich zeigen wie in der Situation der Pflege. Dieser Bereich, und ganz besonders die Altenpflege, entwickelt sich zum wahren Jobmotor, was eigentlich erfreulich ist. Dieses Berufsfeld bietet mit ansteigender Tendenz an die 40.000 Arbeitsplätze, allerdings mit dem Haken, dass nur etwa 20 % Vollzeitstellen sind und die große Mehrheit in verschiedenen Teilzeitmodellen arbeitet.

Warum ist das so? - Das hat viele Gründe wie weitere familiäre Verpflichtungen, zum Beispiel die Betreuung von Kindern, aber auch die eigene Pflege von Angehörigen. Es gibt auch nicht genügend Vollzeitstellen, und die Belastung in Vollzeitstellen ist sehr hoch.

Die demografischen Veränderungen lassen sich auch aus der Anzahl der Personen ableiten, die Leistungen aus der Pflegekasse beziehen. In Schleswig-Holstein erhalten 87.800 zumeist ältere Menschen Leistungen aus dieser Kasse. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 waren es 14 % weniger. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass diese Zahlen bei den aktuellen Bevölkerungsentwicklungen eigentlich höher sein müssten als jetzt angegeben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Zunahme der Pflegebedürftigkeit im Alter seit 2001 abgenommen hat, denn im gleichen Zeitraum ist die Altersgruppe der Generation 75 plus um stolze 35 % angestiegen.

Ein Fazit aus dieser Statistik lautet: In SchleswigHolstein hat sich das Risiko verringert, im Alter pflegebedürftig zu sein. Das ist prinzipiell eine gute Nachricht für unsere insgesamt alternde Bevölkerung, allerdings mit einer eher ernüchternden Ausnahme, und zwar ist das eine Erkrankung an einer Demenz, die etwa bei etwa 40 % der Pflegebedürftigen festgestellt wird. Es wird auf Basis der Pflegestatistik ganz deutlich aufgezeichnet, dass wir uns als Gesellschaft und damit verknüpft als Parlament intensiv mit den Auswirkungen und den damit verbundenen Bedarfen auseinandersetzen müssen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Dieser Wandel hat Auswirkungen, und diese müssen wir vor allem im Blick haben, wenn die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1965 sich dem Rentenalter nähern. Wenn ich mich hier umgucke, dann sind hier doch recht viele aus dieser Altersgruppe.

(Zurufe)

- Einige! - Die Pflege älterer Menschen wird auch künftig hauptsächlich von zu Hause aus durch Ehepartner, Kinder und andere Verwandte, Freunde und Bekannte durchgeführt werden. Das entspricht dem großen Wunsch der älteren Menschen. Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und finanzierbaren Pflege ist für uns als Gesellschaft und als politisch Handelnde elementar und höchst wichtig.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Die in diesem und im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Pflegestärkungsgesetze I und II sowie das Pflegezeitgesetz und das kommende Pflegeberufegesetz bringen weitgehende Verbesserungen und Veränderungen auf den Weg, die dringend notwendig sind. Dabei spielen die Anforderungen in der informellen und in der ambulanten Pflege eine wichtige Rolle. Pflegende Angehörige müssen in die Lage versetzt werden, zu helfen und zu assistieren, ohne selbst Gefahr zu laufen, dass sie überfordert werden.

Wir sagen: Die Pflege der Angehörigen darf die Pflegenden nicht selbst krank machen und überfordern. Gerade hier sind wir künftig noch viel mehr gefordert, wenn es darum geht, eine ausreichende Anzahl von Angeboten für die Pflegebedürftigen vorzuhalten. Angebote der Tages- und Nachtpflege sowie der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sind wichtige Komponenten. Gerade sie ermöglichen es, dass pflegende Angehörige dringend notwendige Erholungsphasen zur Gesunderhaltung und Ent

(Birte Pauls)

spannung nutzen können. Zudem müssen wir uns Gedanken über andere und neue Wohnkonzepte im Alter machen; über Wohnformen, die passen und die an die körperlichen Bedürfnisse adaptiert sind.

Menschen, die in stationäre Pflegeeinrichtungen wechseln, sind zunehmend älter und damit verbunden auch morbider. Hier hilft die bessere Differenzierung durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Auch die Demenzerkrankung wird besser berücksichtigt.

Dreh- und Angelpunkt in der Pflege wird in Zukunft jedoch die Personalsituation sein. Wir brauchen Pflegekräfte, die auch Zeit für die zumeist alten Menschen haben und die fachgerecht und gut ihren Aufgaben entsprechend ausgebildet werden.

(Beifall CDU)

Wir warten seit Beginn dieser Koalition in Schleswig-Holstein auf die angekündigte Ausbildungskampagne. Ich kann mich erinnern, gleich am Anfang hieß es: Für mehr Ausbildungsplätze in der Pflege. Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass diese Kampagne kommt, denn irgendwann gibt es nicht mehr so viele Jugendliche, die bereit sind, und das müssen wir ändern. Das ist unsere Aufgabe, und da müssen Sie liefern, Frau Alheit.

(Beifall CDU und Wolfgang Dudda [PIRA- TEN])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Alheit liefert, liebe Kollegin, aber ohne Kampagne, sondern in Taten. Das sage ich vorweg.

Pflege ist die Herausforderung unserer Zeit, da sind wir uns alle einig. Die Küstenkoalition stellt sich dieser Herausforderung. Vielen Dank, liebe Ministerin, für Ihren Bericht. Die Situation in SchleswigHolstein stellt sich so dar, dass wir vor wenigen Jahren 90.000 Pflegebedürftige hatten. In wenigen Jahren werden es 130.000 sein. Das ist eine Zunahme um 50 %, und ich denke, wir alle sind uns einig, dass wir einen Kraftakt brauchen, um alle Pflegebedürftigen zukünftig gut pflegen zu können.

In der Pflege arbeiteten im Jahr 2013 40.000 Menschen, Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner. Ich appelliere an alle jungen Menschen,

die für die Zukunft einen krisenfesten und sicheren Arbeitsplatz suchen: Denken Sie auch an die Pflege. Vielleicht ist das in der Zukunft genau der richtige Ausbildungs- und Arbeitsplatz für Sie.

(Beifall Birte Pauls [SPD])

Der Bereich Gesundheit und Pflege ist schon seit Jahren der Jobmotor Nummer eins, und er wird auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Woran es aus meiner Sicht noch ein bisschen hapert, ist die Bezahlung, und es sind auch die Arbeitsbedingungen. Wir haben es eben gerade schon gehört: Das Personalbemessungssystem muss dringend kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Koalitionsvertrag haben wir uns auf eine ganze Reihe von Maßnahmen festgelegt. Ich freue mich über jede einzelne, die die Pflege Schritt für Schritt ein bisschen weiter nach vorn bringt. Bei der Pflegekammer ist es so, dass wir nach Rheinland-Pfalz das nächste Bundesland werden, das eine Pflegekammer bekommen wird. Das ist eine demokratische Beteiligung für alle Pflegekräfte, und ich freue mich darauf, dass die Pflege eine eigene Stimme bekommt.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Lieber Kollege Arp, Sie werden sehen, die anderen Bundesländer werden uns folgen. Ich freue mich darauf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Jetzt kommen wir zur Pflegedokumentation. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Nichts ist schlimmer als das: Sie wollen Zeit für Ihre Patienten, stattdessen brauchen Sie die kostbare Arbeitszeit für Papier, Elektronik und Dokumentation.