Protokoll der Sitzung vom 22.01.2016

(Beifall FDP und CDU)

Man kann es wirklich nicht anders sagen: Aus dem Minister der vollmundigen Ankündigungen ist der Minister der schlechten Ausreden geworden. Herr Minister Meyer, eigentlich schätzen wir Sie ja sehr. Ich glaube, mit dem, was Sie bisher abgeliefert ha

ben, werden Sie aber auch Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

Kollege Arp, mit einer gewissen Irritation haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die CDU mittlerweile lieber den bekennenden A-20-Gegner Robert Habeck als Verkehrsminister hätte als den A-20-Fan Reinhard Meyer, der sich noch immer zu diesem Projekt bekennt. Ich erwarte ja wirklich nicht mehr viel von der ehemaligen Partei der sozialen Marktwirtschaft; aber das hat mich schon ein bisschen überrascht, Herr Kollege Arp. Das fand ich einigermaßen schräg.

(Beifall FDP - Zuruf CDU)

Bitte? - Ja. - Robert Habeck muss man immerhin eines zugutehalten: Erst durch seinen Einwand ist richtig deutlich geworden, dass die Erklärung von Minister Meyer, der Seeadlerhorst sei schuld für die erneute Verzögerung bei der Planung der A 20, nicht richtig stimmen kann. Dass das nicht richtig stichhaltig ist, haben wir auch in der sehr kuriosen Sitzung des Wirtschaftsausschusses gesehen, in der uns die beiden Minister Rede und Antwort gestanden haben.

Herr Habeck, ich kann ja verstehen, dass Sie da nicht so richtig mitspielten wollten. Ich finde zwar auch, dass beim Artenschutz an einigen Stellen übertrieben wird, insbesondere wenn auf Tiere mehr Rücksicht genommen wird als auf Menschen - das finde ich einigermaßen verstörend; das gilt insbesondere für diesen Fall, da bisher niemand diesen Vogel gesehen hat, dessen Nest jetzt geschützt werden soll -, der gemeinsame Auftritt war aber entlarvend: Der Minister, der für Wirtschaft und Verkehr zuständig ist, Herr Meyer, wollte uns erklären, dass bei ihm eigentlich alles wunderbar gelaufen ist. Ich frage mich nur, warum der Ministerpräsident den beiden Ministern kurz vor Heiligabend eine gemeinsame Ad-hoc-Lenkungsgruppe aufgedrückt hat, wenn das doch alles so gut gelaufen ist.

Die beiden Ministerien kommunizieren das unterschiedlich. Im Mai hat das Land von diesem Seeadlerhorst gewusst. Hätte man im Mai oder spätestens im August reagiert, hätte man in Sachen Umweltplanung und Verkehrsprognose keine Probleme mit den Fristen am Ende des Jahres bekommen. Herr Meyer, das ist deutlich geworden. Insofern sage ich: Hätten Sie gehandelt, hätten wir dieses Problem nicht. Man hätte sehr viel Zeit und vor allem sehr viel Geld gespart.

(Beifall FDP und CDU)

(Christopher Vogt)

Insofern sollte man sich dahinter nicht verstecken. Schleswig-Holstein braucht aus unserer Sicht keine weiteren Dolchstoßlegenden, die sich um den Verkehrsminister ranken, sondern endlich einen Neustart in der Verkehrspolitik. Den wird es früher oder später auch geben. Die Frage ist nur, ob mit Reinhard Meyer oder ohne ihn. Insofern, Herr Minister, werten Sie unseren Antrag heute als letzten Hoffnungsschimmer. Noch können Sie die Kurve kriegen. Der Antrag ist wirklich konstruktiv gemeint. Gehen Sie darauf ein!

Da ich keinen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gesehen habe und ich davon ausgehe, dass sie ihren Minister unterstützen, freue ich mich auf die Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir jetzt den Landesvorsitzenden der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Wolfgang Gestmann. Seien auch Sie herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Kai Vogel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Arp, wenn ich mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Hamburger Rand spreche, sagen sie mir fast ausnahmslos, dass sie über keine Gewerbeflächen mehr verfügen. Also so schlecht, wie Sie den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein reden - Sie sagen immer, dass sich alle Firmen mit dem Gedanken tragen abzuwandern -, kann es um den Wirtschaftsstandort definitiv nicht stehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wer in unserem schönen Bundesland viel unterwegs ist, weiß, wie es um unsere Verkehrsinfrastruktur bestellt ist: Es besteht ein erheblicher Sanierungs- und Erhaltungsbedarf; vielerorts besteht aber auch ein Bedarf an Neubauten. Die Koalition kennt die massiven Bedarfe und handelt bereits entsprechend: Im letzten Jahr hat die Landesregierung von den bereitgestellten Bundesmitteln in Höhe von 176 Millionen € 98 % verbaut. 2014 und 2015 wur

den 160 km Landesstraßen saniert. Für die westliche Elbquerung gibt es einen Planfeststellungsbeschluss. Die A 7 wird sechsspurig ausgebaut. Mit der B 5 geht es voran. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen.

Leider geht es nicht überall mit Quantensprüngen voran, auch wenn wir uns das wünschen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen führen bis zur Realisierung des Planfeststellungsverfahrens zu sehr langen Genehmigungsverfahren. In einem Interview Ende Dezember hat Reinhard Meyer deshalb eine, wie ich finde, wichtige und richtige Debatte angestoßen. Seine Frage: Ist das historisch gewachsene deutsche Planungsrecht noch zeitgemäß und praktikabel?

Ich glaube, dass die FDP das fundamental falsch verstanden hat. Der vorliegende Antrag der FDP ist sprachlich geschickt formuliert. So entsteht der Eindruck, die Landesregierung müsse dem Landtag nur endlich einfach einen Gesetzentwurf vorlegen und die für uns wichtigen Infrastrukturprojekte könnten dann endlich wie von Zauberhand aus dem Boden schießen. Dem ist mitnichten so, und das wissen die Kollegen der FDP genau. So habe ich die Anregung des Ministers auch nicht verstanden.

Wenn Sie eine Möglichkeit zur deutlichen Beschleunigung von Straßenplanungen kennen, frage ich: Warum konkretisieren Sie dies dann nicht? Vermutlich wissen Sie es selbst nicht. Ich kenne nur die Möglichkeit, Fristen zu verkürzen, zum Beispiel die Ferienzeiten mit in die Auslegung der Pläne zu nehmen. Das bringt uns immerhin zwei Wochen.

Herr Abgeordneter Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Ja, sehr gern.

Vielen Dank, Herr Kollege. - Gerade von ausgebildeten Lehrkräften nehme ich Lob in Sachen Formulierungen immer gern zur Kenntnis. Ich möchte sie aber darauf hinweisen, dass das, was wir hier vorschlagen, genau das ist, was der Minister angekündigt hat. Vielleicht anders als die SPD-Fraktion nehmen wir die Vorschläge des Verkehrsministers noch ernst.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

(Christopher Vogt)

- Ich bin verwundert über die Frage, die Sie gestellt haben. Natürlich nehmen wir die Vorschläge des Ministers ernst. Wir wissen auch, dass seit 2012 intensiv geschaut wurde, welche Möglichkeiten es gibt, um Planungsverfahren und andere Verfahren zu verkürzen. Je intensiver Sie in das Thema einsteigen, Herr Vogt, desto deutlicher stellen Sie fest: Auf der einen Seite besteht der Wunsch, dies wirklich zu tun, auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten zur Realisierung aber begrenzt. Das ist etwas anderes. Bitte hören Sie mir weiter zu! Ich werde in meiner Rede noch auf die Punkte eingehen, an denen die Schwierigkeiten bestehen, warum das, was Sie sich wünschen, nicht so leicht zu realisieren ist.

(Christopher Vogt [FDP]: Das ist doch schön!)

Wir könnten bei Bürgerbeteiligungen und im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes hinter die bisherigen Standards zurückgehen. Dies kann aber nicht ernsthaft in unserem Sinne sein. Das hilft uns nicht dabei, die Akzeptanz von großen Infrastrukturprojekten zu steigern. „Mehr Personal“ - das ist immer das erste Zauberwort der CDU. Sie wissen doch genau, dass wirklich gutes Planungspersonal nicht in Scharen auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist. Die Planungskapazitäten für die A 20 zusammenzufassen, haben Sie doch auch schon einmal im Rahmen der Initiative „A 20 - sofort“ gefordert. Alle Planer für die B 5, alle Planer für die A 21 und alle Planer für die S 21 abziehen - da sprechen Sie einmal mit den Bürgern vor Ort. Die erwarten sicherlich etwas ganz anderes, als dass nur noch die A 20 in den Fokus genommen wird. Da hilft auch die Auslagerung an externe Planer nicht weiter, die keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen können.

Das letzte Zauberwort ist die Bundesfernstraßengesellschaft. Ich fasse einfach die Landesämter mit ihren Aufgaben auf Bundesebene zusammen. Dieses geballte Wissen und die immer weisen Entscheidungen aus Berlin ermöglichen angeblich ebenfalls ein Beschleunigen der Straßenbauprojekte.

Ich habe an dieser Stelle schon einmal von einem Termin mit dem LBV im Barkauer Land berichtet. Hier ging es um den Weiterbau der A 21 und die Konsequenzen für die Schüler- und Fahrradverkehre zwischen Boksee und Warnau. Hätten wir bereits jetzt diese propagierte Bundesfernstraßengesellschaft, so könnte ich mir nicht vorstellen, dass im fernen Berlin nicht nur mit Fachverstand, sondern auch noch mit Gespür für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort eine kluge Entscheidung getroffen werden könnte. Ich mag mir nicht ausmalen, was ein

Bundesverkehrsminister, wenn er entscheiden sollte, ob eine Straße zwischen den Gemeinden Warnau und Boksee breiter ausgebaut werden sollte, persönlich dazu sagt. Kennt er überhaupt die A 21, wenn Sie ihn heute darauf ansprechen würden? Wüsste er, wo diese liegt? Sprechen Sie den Landesverkehrsminister auf das Barkauer Land an, weiß er genau, wo das ist und welche Interessen dort bestehen. Das ist gut so, und so soll es auch bleiben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich schlage Ausschussüberweisung vor, damit wir im Ausschuss die vom Minister angestoßene Debatte auf sachlicher Grundlage und nicht mit aus der Luft gegriffenen Vorschlägen weiterführen können. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Andreas Tietze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir heute? Über zwei Anträge von FDP und CDU. Der eine Antrag will beschleunigen; alles soll schneller werden. Der andere Antrag will auslagern. Dahinter stehen zwei Fragen: Können wir es schneller? Können es andere besser?

Zunächst zur Frage der Beschleunigung. Das, was vorgeschlagen worden ist, ist theoretisch denkbar. Aber ist es auch praktisch? Praktisch muss es mit 16 Bundesländern und mit dem Bund abgestimmt werden. Es betrifft internationales Recht und zahlreiche europäische Gesetzesbestimmungen. Es geht um Natura 2000, Artenschutzrecht und Umweltverträglichkeitsrecht. Also, wer hier beschleunigen will, ist schnell in der Gefahr, gleichzeitig auf Gas und Bremse zu stehen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ihr Minister will auch beschleunigen!)

- Ja, wir können ja darüber reden. - Im Kern geht es um Folgendes: Wenn Beschleunigung gewünscht ist und man das machen will, dann müssen die zugrunde liegenden Daten stets aktualisiert werden, und dann müssen die Entscheidungen auf der Grundlage dieser Daten getroffen werden. Nichts

(Kai Vogel)

anderes haben die beiden Minister gemacht, und nichts anderes ist jetzt Auftrag dieser Arbeitsgruppe.

Wer aber Beschleunigung wünscht - ich gehe einmal davon aus, die FDP würde keinen Antrag stellen, wenn sie dies nicht wünschen würde -, der muss auch die Fragen beantworten: Will man Bürgerrechte einschränken? Will man Eigentumsrechte einschränken? Will man Zugangsrechte zu Informationen abbauen? Möchte man weniger Trinkwasserschutz? Möchte man mehr Lärm und weniger Gesundheit für die Menschen? Möchte man UVP-Gesetze abschaffen? Möchte man Wasserrahmenrichtlinien ändern? Möchte man das BImSchG ändern? Und so weiter und so fort.

Alle Änderungen, die vorgeschlagen werden, dürfen unserer Auffassung nach nicht zu einer Verkürzung der Mitwirkungsrechte und zu einer Einschränkung von Klagerechten führen. Alle, die das wollen, müssen sagen: Ja, wir wollen Klagerechte einschränken. Ja, wir wollen Mitwirkungsrechte einschränken.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, so ist es!)

Diese Debatte bedeutet dann aber auch: Dem Bau der A 20 wird alles andere untergeordnet, Menschen, Tiere, Gesundheit, Nahrung, Trinkwasser, Artenschutz, Klima, Landschaft, Kulturgüter.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: So ein Unsinn!)

Versuchen Sie einmal, mit dieser Politik bei jungen Menschen in unseren Schulen Eindruck zu schinden. Sie werden mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist schwarz-weiß!)