Protokoll der Sitzung vom 17.02.2016

All dies sind die originären Aufgaben der Freien Wohlfahrtspflege zur Sicherstellung und Unterstützung der Teilhabe. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die Wohlfahrtsverbände im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips hat sich seit Jahrzehnten in unserem Land bewährt. Wollte der Staat nunmehr all diese Aufgaben übernehmen, brauchten wir deutlich mehr Mittel. Und seien wir ehrlich: Ohne die ganzen ehrenamtlichen Mitarbeiter würde es gar nicht funktionieren.

Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände hat zum sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beigetragen. In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen ist diese Aufgabe für uns als Gesellschaft wichtiger denn je, und das ist für uns einer der Gründe dafür, einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung vorzulegen.

Bislang wurden diese Aufgaben durch den sogenannten Sozialvertrag I für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt, ich erwähnte es. Mit unserem Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, die Verbände der LAG dauerhaft und verlässlich leistungsfähig zu erhalten, um auch in der Zukunft eine flächendeckende und wohnortnahe Daseinsvorsorge sicherstellen zu können, zur Stärkung der gemeinwohlorientierten Einrichtungen und zur guten und nachhaltigen Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Das ist für uns elementar in Schleswig-Holstein, und deswegen wollen wir dieses Gesetz. Dieses Gesetz bietet Planungssicherheit - auch über fünf Jahre hinaus - und ist damit mehr wert als ein Sozialvertrag wie der genannte Sozialvertrag I.

Geplant ist, die Finanzhilfen von bisher 2 Millionen € um 10 % auf 2,2 Millionen € zu erhöhen. Hinzu kommt eine festgelegte Dynamisierung. Das heißt, jährlich soll analog zur jahresdurchschnittlichen Steigerung des Verbraucherpreisindexes geprüft werden, inwieweit für die Durchführung der von den Spitzenverbänden wahrzunehmenden Aufgaben eine Erhöhung der Finanzhilfe erforderlich ist. Ebenfalls vorgesehen haben wir eine Vereinbarung zwischen dem zuständigen Ministerium und der LAG, in der die Eckpunkte der Förderung festgeschrieben werden. Eine Veröffentlichung dieser soll für mehr Transparenz sorgen.

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass die Zeit für diese gesetzliche Regelung reif und gekommen ist, um die wertvolle und unverzichtbare Arbeit der Freien Wohlfahrtsverbände zu sichern. - Danke schön.

(Katja Rathje-Hoffmann)

(Beifall CDU und vereinzelt PIRATEN)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rasante Ökonomisierung aller Lebensbereiche hat in den vergangenen Jahrzehnten natürlich auch die soziale Arbeit erfasst und stellt damit auch die Wohlfahrtspflege vor immer neue Herausforderungen.

Die Wohlfahrtsverbände als Anbieter zahlreicher sozialer Dienstleistungen müssen sich diesen Herausforderungen zukunftsorientiert stellen. Die Wohlfahrtsverbände sind dabei sozialpolitische Aktivisten. Sie sind aber auch eine große soziale Bewegung in Deutschland mit vielen Millionen Mitgliedern und ehrenamtlich Aktiven. Außerdem sind sie moderne Dienstleistungsunternehmen mit Tausenden von Einrichtungen und Diensten. Die Wohlfahrtsverbände leisten hier eine großartige Arbeit, gerade auch die vielen ehrenamtlich Tätigen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Peter Lehnert [CDU] und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wohlfahrtsverbände warnen seit vielen Jahren vor der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Dieses Auseinanderdriften in unserer Gesellschaft ist gefährlich. Nach wie vor gibt es eine hohe Kinderarmut. Etwa 2,5 Millionen Kinder sind in Deutschland davon betroffen. Dies ist ein Skandal und gesellschaftlicher Sprengstoff. Der Kampf gegen Armut und Ausgrenzung muss endlich eine höhere politische Priorität erhalten.

Es ist aber auch nicht länger hinzunehmen, dass in Deutschland Millionen Menschen in Mini-, Teilzeit- und Leiharbeitsverhältnissen arbeiten. Der gesetzliche Mindestlohn, auch das schleswig-holsteinische Landesmindestlohngesetz, sind hier erste Maßnahmen, mit denen gegengesteuert wird. Denn wir wissen seit Langem: Lohnarmut führt zu Kinderarmut und mündet in Altersarmut. Allein mit dieser Begründung lässt sich eine Stärkung der Wohlfahrtspflege in Schleswig-Holstein inhaltlich begründen. Zur Förderung der Freien Wohlfahrtspflege will die CDU-Fraktion genau diese Diskussion aufgreifen, das ist gut, aber - und genau dieses Aber ist notwendig auszuführen - durch einen un

tauglichen und, wie ich finde, schlecht abgeschriebenen Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf gleicht im Wesentlichen dem niedersächsischen Gesetz zur Förderung der Freien Wohlfahrtspflege. Dabei scheint die Autorin übersehen zu haben, dass gerade gegen dieses niedersächsische Gesetz durch einen privaten Pflegedienstleister ein Beschwerdeverfahren vor der Europäischen Kommission eingeleitet worden ist. Gegenstand der Beschwerde ist der Vorwurf des Verstoßes gegen europarechtliche Beihilfevorschriften. Dieses Verfahren hat die EU-Kommission veranlasst, ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Das heißt, mit diesem Gesetzentwurf, der im Wesentlichen dem niedersächsischen Gesetz gleicht, leisten wir der Wohlfahrtspflege in Schleswig-Holstein eher einen Bärendienst. In den folgenden Ausschussberatungen sollten wir daher sehr genau darauf achten, in Schleswig-Holstein kein europarechtlich bedenkliches Gesetz auf den Weg zu bringen.

Die Daseinsvorsorge ist der zentrale Begriff für alle sozialen Dienste, die den Menschen vor Ort ein Zusammenleben ermöglichen. Dazu gehören natürlich die sozialen Dienstleistungen, aber auch die Bereiche Gesundheit, Bildung, Verkehrsinfrastruktur, Kultur, Energie und so weiter. Gerade der Bedarf an sozialen Dienstleistungen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Gleichzeitig hat aber die Sparpolitik in diesem Bereich dazu geführt, dass massiv gekürzt wurde. Dazu hat auch die Sparpolitik von CDU und FDP in SchleswigHolstein in ihrer kurzen Regierungszeit beigetragen. Das Beschneiden der sozialen Dienste betrifft junge Menschen, es betrifft Langzeitarbeitslose, Ältere, Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderung besonders hart. Wer dieser Entwicklung entschieden begegnen will, muss die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Da wäre ein Gesetz zur Förderung der Wohlfahrtspflege durchaus überlegenswert - ein Gesetz zur Förderung der Wohlfahrtspflege, das aber die sozialen Dienste der Wohlfahrtsverbände stärkt und damit die Angebote für die Menschen in unserem Land verstetigt.

Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die CDU-Fraktion die Leistungen der Wohlfahrtsverbände um 200.000 € stärken, und gerade dies vor dem Hintergrund, dass nämlich die schwarz-gelbe Regierung jährlich die Mittel der Wohlfahrtsverbände um 15 % gekürzt hat. Da kann man nur grundsätzlich feststellen: erst brutal kürzen, und dann mit weißer Salbe helfen wollen.

(Katja Rathje-Hoffmann)

Zusammengefasst: Die Abschrift des niedersächsischen Gesetzes zur Förderung der Wohlfahrtspflege ist europarechtlich bedenklich, es ist finanziell vollkommen unzureichend und damit untauglich.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Mit der Festschreibung des Sozialvertrages I ist die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in SchleswigHolstein auch auf Dauer gesichert. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Freie Wohlfahrtspflege ist eine zentrale Säule unseres Sozialstaates. Wir können alle froh sein, dass wir sie haben.

(Beifall Peter Eichstädt [SPD] und Jürgen Weber [SPD])

Sie fasst alle Dienste und Einrichtungen zusammen, die sich in freier, gemeinnütziger Trägerschaft befinden und im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen tätig sind. Durch diese sinnvolle und wirksame Zusammenarbeit ergänzen sie sich mit allen sozialen Angeboten, und das ist gut für all diejenigen, die Hilfe und Unterstützung brauchen.

Als letztes Jahr innerhalb kurzer Zeit viele Menschen als Flüchtlinge zu uns kamen, haben die Wohlfahrtsverbände in eindrucksvoller Weise gezeigt, was in ihnen steckt, und dafür bin ich und sind wir alle ihnen sicherlich sehr dankbar.

(Beifall SPD, SSW und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ihre Organisation und ihr Engagement haben aus meiner Sicht einen ganz enormen Beitrag geleistet, und wir sollten uns schon überlegen, wie wir nicht nur warme Worte des Dankes dafür finden, sondern auch langfristig versuchen, eine solide und gute Basis für die weitere Zusammenarbeit herzustellen.

Die Wohlfahrtsverbände erhalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben Leistungen nach dem Sozialvertrag I. Ein Landeswohlfahrtsgesetz wäre sicherlich - da sind wir uns einig - eine Verstetigung und eine Verbesserung. Es würde mehr Planungssicherheit geben. Es wäre sicherlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohlfahrtsverbände ein gutes Signal. Ich gehe davon aus, dass dadurch

auch Bürokratie abgebaut werden kann. Es würde die Verlässlichkeit der Zusammenarbeit stärken.

Wir Grüne können die guten Argumente alle nachvollziehen, und ich sage ganz deutlich: Wir stehen einem solchen Gesetz positiv gegenüber. Die gute Zusammenarbeit kann mehr Verbindlichkeit bekommen. Wir müssen allerdings darauf achten, dass bei dem Gesetzentwurf - das hat der Kollege Baasch gerade eben ausgeführt - in Niedersachsen, der ja sehr ähnlich dem Ihren ist, im Moment die Probleme bestehen, dass eine Klage ihn vorübergehend auf Eis gelegt hat. Insofern ist den Wohlfahrtsverbänden in Niedersachsen im Moment gar nicht geholfen. Wir Grüne möchten nicht, dass wir den Wohlfahrtsverbänden mit einem Gesetz einen Bärendienst erweisen, was auch hier beklagt werden könnte und dann nicht hilfreich wäre.

Im Verfahren stellen sich auch ausdrücklich beihilferechtliche Fragen. Auch die müssen geklärt werden. Das alles sind Argumente, die wir uns in aller Ruhe und Sorgfalt im Sozialausschuss anhören sollten. Wir sind davon überzeugt, dass bei neuen Gesetzen immer Kinderkrankheiten auftreten können. Die können geheilt werden, und am Ende des Verfahrens können wir sehen, wie so etwas für uns in Schleswig-Holstein aussehen könnte.

Eine Bemerkung sei mir noch erlaubt: Ich freue mich sehr, dass die CDU die Sozialpolitik entdeckt hat. Es können sich nie genug Leute um Sozialpolitik kümmern. Sie hatten dazu ja auch eine Veranstaltung, wenn ich das richtig bei Facebook beobachtet habe. Was wir allerdings im Moment nicht brauchen, ist ein Schnellschuss. Deswegen werbe ich für die weitere Beratung im Sozialausschuss. Das Gleiche gilt für die Änderungen, die die FDPFraktion vorschlägt. Auch das sollten wir uns einmal genau angucken. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen mit Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich der Abgeordneten Anita Klahn.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Idee, den bestehenden Sozialvertrag I durch ein Wohlfahrtsgesetz abzulösen, besteht schon seit einiger Zeit. Meine Fraktion begrüßt da

(Wolfgang Baasch)

bei diesen Weg, da ein Gesetz für die Wohlfahrtsverbände mehr Verbindlichkeit und Planungssicherheit gewährleistet.

(Beifall Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Allerdings an die Kollegen von SPD und Grüne gewandt sage ich noch einmal: Gutes Abschreiben erkennt man daran, dass der Abschreiber die Fehler ausmerzt. Das hat die CDU-Fraktion tatsächlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getan; denn im Gegensatz zum niedersächsischen Gesetz ist die Verwendung der Mittel für Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern V, XI und XII ausgeschlossen. Das ist genau der Kern, weswegen Niedersachsen jetzt das Klageverfahren hat.

Wir gehen davon aus, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass die Mittel nicht dafür da sind, Quersubventionierung vorzunehmen oder - wie es in Niedersachsen sogar vorgekommen ist - Vorstände damit zu alimentieren. Mit Interesse haben wir allerdings die von der CDU vorgeschlagene zehnprozentige Erhöhung der Ausgaben und auch die festgeschriebene Dynamisierung zur Kenntnis genommen,

(Zuruf SPD: Hört, hört!)

wobei ich auch hier die Kritik vernommen habe an der fünfzehnprozentigen Kürzung der Vorgängerregierung. Da frage ich doch die jetzt Regierenden einmal: Haben Sie diese Kürzung im Sozialvertrag I jemals zurückgenommen? Ich kann Ihnen das gleich mit einem klaren Nein beantworten.

Wenn Verflechtungen zu Profiteuren von Maßnahmen bestehen, sollten die politisch Handelnden auch besondere Sorgfalt walten lassen, das Für und Wider besonders von Erhöhungen und Geldzuwendungen und in der Begründung der Maßnahmen wohl zu überlegen und abzuwägen.

Das gilt allerdings auch gerade in Zeiten knapper Ressourcen und klammer Kassen. Ich erinnere an die mahnenden Worte des finanzpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, der dem Landtag, wie ich finde, völlig zu Recht, ins Stammbuch geschrieben hat, dass aufgrund der gravierenden finanzpolitischen Problemlage ein moderater Konsolidierungskurs in den nächsten Jahren kaum hilfreich für unser Land wäre, sondern vielmehr massive Konsolidierungsschritte erforderlich seien. Ungedeckte Schecks dürften nicht mehr ausgestellt werden, so der Kollege Koch in seiner Rede vom 16. Dezember 2015. Da dies noch nicht so lange

her ist, hat dies für die CDU ja wohl immer noch Gültigkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch zwei, eigentlich vier weitere Zahlen in den Raum stellen, die vielleicht zum Nachdenken anregen. Baden-Württemberg stellt bei 10 Millionen Einwohnern rund 3,4 Millionen € den dortigen Wohlfahrtsverbänden zur Verfügung und Bayern bei 12 Millionen Einwohnern 600.000 €. Mir ist nicht bekannt, dass das sozial- oder bürgerschaftliches Engagement in diesen Ländern zu wünschen übrig lässt, was einen zu dem Schluss kommen lassen könnte, dass insbesondere andere Faktoren dafür bestimmend sind.

Meine Damen und Herren, auch der Landesrechnungshof übt erhebliche Kritik am bisher bestehenden Sozialvertrag I. Die entscheidenden Kritikpunkte fasst der Prüfbericht 1718/2013, dessen Vorlage die Landesregierung meiner Fraktion im Übrigen verweigert hat - womit wir auch wieder beim Thema Transparenz und Dialog wären - wie folgt zusammen:

Erstens. Das Sozialministerium prüft nicht, ob die im Sozialvertrag I verankerten sozialpolitischen Ziele mit den Projektangeboten erreicht wurden.