Richtigerweise stellen deshalb beide vorliegenden Anträge auf Entkriminalisierung von Cannabiskonsum und nicht auf das In-Verkehr-Bringen, gar in gewerblicher Absicht, ab.
Aus gesundheitspolitischer Sicht bleibt festzuhalten, dass wir über eine Substanz mit erheblich gesundheitsgefährdendem Potenzial bei regelmäßigem Konsum reden. Dies ist gerade in der jüngeren Forschung deutlich bestätigt worden. Das wurde hier auch von anderen schon vorgetragen. Es geht um kognitive und mentale Einschränkungen, um den Verlust von Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit und Sprachfähigkeit. Es geht vor allem bei Jüngeren darum, bei regelmäßigem Cannabiskonsum mit verdoppeltem Risiko an Schizophrenie zu erkranken - so der Befund einer schwedischen Studie. Weitere Daten und Fakten finden Sie in einer Vielzahl von fachlichen Stellungnahmen von Suchtexperten und Verbänden sowie Beratungsstellen.
Das häufig und immer wieder zitierte Bild von dem vermeintlich harmlosen Tütchen lässt sich gesundheitspolitisch nicht halten, vor allem - auch das ist schon angesprochen worden - seitdem eine quasi industrielle Produktionsweise mit einer dramatischen Erhöhung des THC-Anteils in Cannabisprodukten einhergeht.
Meine Damen und Herren, das hat Folgen. Nahezu 20 % derer, die mit Abhängigkeitserkrankungen eine Einrichtung der ambulanten Suchtkrankenhilfe
Jetzt komme ich zum kriminalpolitischen Aspekt des Ganzen. Es ist richtig: Eine unnötige Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten wäre falsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einsicht ist fester Bestandteil der Suchtpolitik dieser Regierung. Der Antrag der Koalitionsfraktionen spricht ja auch die verschiedenen Elemente dieser Politik an. Ja, Strafverfolgung ist Teil dieser Politik, wobei Schleswig-Holsteins Strafverfolgungsbehörden intensiv von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch mit Augenmaß zu behandeln - dies bereits heute im Rahmen der jetzt geltenden Rechtslage nach dem Grundsatz: Hilfe vor Strafe.
Um dies auch aus Sicht des Justizministeriums einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Ein Beschuldigter wird heute kaum durch ein Gericht verurteilt werden, weil er eine Eigenbedarfmenge von 7 g Cannabis mit sich führt. Der Regelfall bei Besitz in Mengen über 6 g bis unter 30 g stellt die Einstellung des Verfahrens dar verbunden mit der Auflage, an Beratungsstunden der Drogenberatungsstellen teilzunehmen. Unterhalb von 6 g erfolgt in Schleswig-Holstein eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit.
Das Land hat, wie Sie wissen, zuletzt 2013 auf der Justizministerkonferenz eine bundeseinheitliche Regelung zum Umgang mit Cannabisprodukten zum Eigenkonsum angesprochen. Dies wäre wünschenswert, fand und findet allerdings bundesweit leider keine ausreichende Unterstützung.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, der Ansatz, eine unnötige Strafverfolgung zu vermeiden, ist richtig. Er ist auch Ansatz der von der Landesregierung verfolgten Suchtpolitik mit Strafen, wo sie im kriminellen Bereich geboten sind, und mit Angeboten und Anstößen zu Beratung und Hilfe gleichzeitig.
Noch einmal: Aus gesundheitspolitischer Sicht ist jeder nicht gerauchte Joint zu begrüßen. Dass dieses Ziel mit Repressionen allein nicht zu erreichen ist, wissen Sie alle. Die Suchtpolitik setzt vorrangig auf Hilfe, auf Prävention und auf Aufklärung. Das ist der richtige Weg, und den werden wir weitergehen. - Danke schön.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Weil die Frau Ministerin auf den Aspekt der Strafverfolgung eingegangen ist, möchte ich einen Punkt hervorheben, der in dieser Debatte überhaupt noch nicht genannt worden ist. Hört man sich die flammende Rede des Kollegen Burghard Peters‘ gegen die Prohibition an, könnte man meinen, dass die Grünen und die Koalition alles tun, um dagegen vorzugehen. Tatsächlich ist es aber so, dass Sie ausgerechnet an dem einzigen Hebel, den wir hier im Land hätten, nämlich die Freigrenze für sogenannte geringe Mengen an Eigenbesitz anzuheben, nicht ansetzen, obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart und versprochen wurde, diese Mengen anzuheben - so steht das ausdrücklich darin.
Wir müssen der Öffentlichkeit ganz klar sagen, dass Sie trotz aller schönen Worte diesen einzigen Hebel, den wir im Land haben, nicht nutzen. In Schleswig-Holstein ist nur eine Menge bis zu 6 g eine geringe Menge, während es zum Beispiel in Nordrhein-Westfahlen und Rheinland-Pfalz 10 g sind, in Berlin bis zu 15 g. Das soll eine fortschrittliche Drogenpolitik sein, Herr Kollege Dr. Garg? Davon kann doch keine Rede sein.
Frau Ministerin, Sie haben von 7 g gesprochen. Warum soll ich denn, wenn ich 7 g zum Eigenbedarf besitze, eine Auflage erhalten, mich beraten zu lassen? Das ist doch keine fortschrittliche Drogenpolitik, sondern eine rückwärtsgewandte Repressionspolitik, die wir PIRATEN ablehnen.
Die Piratenfraktion hat eine namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache 18/3844 beantragt. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Nach § 63 Absatz 2 Satz 1 der Geschäftsordnung muss eine namentliche Abstimmung stattfinden, wenn Sie von 18 Abgeordneten oder zwei Fraktionen verlangt wird. Wer dieser namentlichen Abstimmung
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung. Davor frage ich, ob die Anträge zu eigenständigen Anträgen erklärt werden sollen. - Das ist der Fall.
Dann kommen wir zunächst zu dem Antrag, über den eine namentliche Abstimmung beantragt wird. Das ist der Antrag der Piratenfraktion mit der Drucksachennummer 18/3844.
Ich bitte jetzt die Kollegen im Präsidium, die Namen aufzurufen, und dem Antrag der PIRATEN deutlich mit Ja zuzustimmen oder mit Nein nicht zuzustimmen.
(Namentliche Abstimmung) 1 Vizepräsident Bernd Heinemann: Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor. Für den Antrag haben sechs Abgeordnete gestimmt, 59 haben sich dem Antrag nicht angeschlossen. Damit ist der Antrag abgelehnt. (Beifall Rainer Wiegard [CDU])
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor der Abstimmung über den Antrag Drucksache 18/3878 beantrage ich, unter Nummer 6 in der vorletzten Zeile die Worte „Strafen und“ zu streichen, sodass die ganze Nummer 6 lautet:
„Bis eine bundeseinheitliche Regelung verbindlich ist, soll das bewährte Verfahren für die geringe Menge zum Eigenverbrauch von Cannabis in Schleswig-Holstein gemäß § 31 a BtMG beibehalten und den Strafverfolgungsbehörden in diesem Rahmen die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den Einzelfall flexibel zu reagieren und so möglichst unnötige Ermittlungsverfahren zu vermeiden.“
Der Antragsteller hat das übernommen. Dann ist der jetzt geänderte Antrag zur Abstimmung zu stellen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die FDP
Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Das sind die Piratenfraktion, die CDU-Fraktion und die Abgeordnete Klahn von der FDP-Fraktion. Damit ist der Tagesordnungspunkt 24 abgeschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Freien Wohlfahrtspflege in Schleswig-Holstein (WohlFöGSH)
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Grundsatzberatung. Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Langem ist uns ein Wunsch der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein bewusst. Wir kennen ihn schon lange. Man möchte ein eigenes Wohlfahrtsgesetz haben, ein Landeswohlfahrtsgesetz.
In vielen Diskussionen und auch in vielen persönlichen Gesprächen, die wir geführt haben, wurde immer sehr eindringlich von Vertreterinnen und Vertretern des DRK, des Paritätischen, der Caritas, der Diakonie, der AWO und der Jüdischen Gemeinschaft dieser Wunsch nach einem eigenen Gesetz geäußert. Vorausgegangen waren einige recht schmerzhafte Kürzungen mit dem Ergebnis, dass das aktuelle jährliche Budget der LAG bei 2 Millionen € liegt, und das schon seit langer Zeit. Deshalb ist der Wunsch nach einer Erhöhung und nach Stabilität der Förderung aus unserer Sicht sehr verständlich.
Ich möchte gern einige Fakten nennen. Worum geht es? - 2.000 Vereine, Verbände, Einrichtungen, Dienste und Werke der Gesundheitspflege, der Pflege, der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe, der psychiatrischen Versorgung, der Sozial-, Familien- und Migrationsberatung sind in der LAG organisiert. Diese Vereine und Verbände beschäftigen ungefähr 83.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Frau Kollegin, könnten Sie mir noch einmal die Summe nennen, die den Wohlfahrtsverbänden in Schleswig-Holstein insgesamt zum Ableisten sozialer Arbeit und sozialer Projekte zur Verfügung steht?
Ich kann Ihnen die Summe nennen für den Sozialvertrag I, das sind 2 Millionen €. Die Gesamtsumme mit den vielen anderen Leistungen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen, Herr Garg. Die können wir nachreichen.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie noch einmal richtigstellen, dass es sich dabei ausschließlich um die Summe handelt, die im Sozialvertrag I festgeschrieben ist, und nicht um die Summe, die den Wohlfahrtsverbänden im Land für die Arbeit zur Verfügung steht.
Wenn man zuhört, dann kann man das auch hören. Ich bin noch nicht am Ende meiner Rede angelangt. Da werde ich das erwähnen. Ich dachte, dass man davon ausgehen kann, dass da so viel Sachverstand ist.
Die Aufgaben der Wohlfahrtsverbände sind durch den Sozialvertrag I geregelt. Dazu gehören die Förderung von Selbsthilfegruppen im sozialen Bereich, die Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit im sozialen Bereich sowie Projekte der Freien Wohlfahrtspflege im Rahmen der allgemeinen sozialen Dienstleistungen, Beratung und Organisation von Mitgliedsorganisationen und die Migrationsberatung sowie die Fort- und Weiterbildung der Mitgliedsorganisationen mit den Schwerpunkten der Kinder- und Jugendpflege, Familien, Senioren und Menschen mit Behinderungen.
All dies sind die originären Aufgaben der Freien Wohlfahrtspflege zur Sicherstellung und Unterstützung der Teilhabe. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die Wohlfahrtsverbände im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips hat sich seit Jahrzehnten in unserem Land bewährt. Wollte der Staat nunmehr all diese Aufgaben übernehmen, brauchten wir deutlich mehr Mittel. Und seien wir ehrlich: Ohne die ganzen ehrenamtlichen Mitarbeiter würde es gar nicht funktionieren.