Protokoll der Sitzung vom 17.02.2016

Auch bei uns im Land gibt es Beratungsstellen und andere Anlaufstellen, die sich bereits mit diesem Thema befassen. Trotzdem halte ich es für sinnvoll und richtig, Mediensucht aus der stillen Ecke herauszuholen und - diese Gelegenheit gibt der vorliegende Antrag - das Bewusstsein für diese Form der Sucht zu schärfen. Darauf sollten wir den Fokus legen. Das ist ein Riesenproblem. Ich würde sogar sagen, dies ist ein wesentlich größeres Problem als der Cannabiskonsum, meine Damen und Herren.

(Zuruf CDU: Das würde ich nicht sagen!)

Suchtpolitik ist vielfältig, und unser Änderungsantrag verdeutlicht das auch. Es geht nicht nur um die Legalisierung von Cannabis. Vielmehr geht es um viele verschiedene Suchtformen. Sowohl in der Prävention als auch in der Frage der Entkriminalisierung der Süchtigen ist das Land nach unserer Auffassung sehr gut aufgestellt. Wir dürfen nicht nur dieses eine plakative Thema der Legalisierung von Cannabis immer wieder aufgreifen; das lässt sich schön vermarkten, das steht auch schön in der Zeitung, aber das hilft uns im Wesentlichen nicht weiter. Vielmehr brauchen wir eine konsistente Suchtpolitik für alle Suchtbereiche. Daran sollten wir arbeiten und uns möglicherweise ein bisschen zurückhalten, mit einem Thema in die Zeitung zu kommen. Es ist nicht immer hilfreich, ein solches Thema auf die Tagesordnung zu setzen.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Der Angesprochene weiß dies sicherlich. Aber ich glaube, es hilft wirklich mehr, an der Suchtproblematik zu arbeiten. Wir werden in vielen Bereichen noch dazu kommen zu untersuchen, wie man die legalen Drogen, die legalen Süchte bearbeiten kann; das sind die Volksdrogen Nummer eins. Das ist nicht unbedingt Cannabis. Das ist der Alkohol, das ist die Mediensucht, und das sind viele andere Dinge.

Herr Abgeordneter!

Ich glaube, auch daran müssen wir arbeiten.

(Beifall SSW)

Wir kommen zu den persönlichen Beiträgen. Zunächst spricht Herr Abgeordneter Torge Schmidt. Danach sprechen Frau Abgeordnete Katja RathjeHoffmann und anschließend Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Peters, ich muss leider sagen, dass mir Ihre Rede außerordentlich gut gefallen hat. Ich finde allerdings, sie passt nicht so ganz zum Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall PIRATEN)

An die Kollegin Klahn gerichtet: Ich glaube, die von Ihnen genannte Frage stellt sich keinem. Niemand möchte Cannabis für Kinder und Jugendliche legalisieren. Das ist, glaube ich, völlig falsch. Cannabis bleibt eine Droge, und Drogen dürfen nur von Erwachsenen konsumiert werden.

Die große Frage, die sich stellt, ist, wie man den Schwarzmarkt einschränken kann; der Kollege Dudda hat es angesprochen.

Die Legalisierung bereitet viele Fragen. Herr Tietze, ich muss Sie enttäuschen. Ich halte es tatsächlich für falsch, Cannabis stark zu besteuern, wenn wir es legalisieren. In den USA hat sich nach der Aufhebung der Prohibition von Alkohol gezeigt, dass man die legale Alternative auch finanzierbar machen muss, wenn man einen Schwarzmarkt trockenlegen möchte. Eine hohe Besteuerung ist diesem Ziel nicht gerade förderlich.

Es gibt entscheidende Fragen, die wir im Rahmen einer Legalisierung diskutieren müssen. In der globalen Debatte geht es heutzutage nicht mehr darum, das Ganze zu verbieten. Ich hoffe, dass diese Diskussion größtenteils bald zu Ende geführt sein wird. Die wichtige Frage, die wir uns eigentlich stellen und über die wir uns viel lieber und auch gerade mit der CDU streiten sollten, ist: Was passiert, wenn wir es legalisiert haben?

(Beifall PIRATEN)

Da stellen sich nämlich tatsächlich viele Fragen. Das haben Sie zu Recht angesprochen, Herr Kollege Neve. Die Frage, ob Cannabis am Steuer konsumiert werden darf, stellt sich zum Beispiel gar nicht. Das Fahren unter Einfluss ist heute schon verboten, das möchte auch kein Mensch ändern.

Die entscheidenden Fragen betreffen die Regulierung, also: Wie besteuern wir das? Das habe ich

(Lars Harms)

eben gerade angesprochen. Aber es gibt auch noch ganz andere entscheidende Fragen, die wir uns stellen müssen, nämlich: Wie gehen wir mit Lebensmitteln beziehungsweise Süßigkeiten mit Cannabis um? Ich bin der Meinung, dass wir so etwas durchaus nicht legalisieren sollten, weil Süßigkeiten gerade Jugendliche und Kinder ansprechen. So etwas mit Cannabis versetzt ist kontraproduktiv. Es stellt sich auch die Frage: Wie gehen wir mit Badesalzen um, Frau Klahn?

(Zuruf Anita Klahn [FDP])

Fakt ist - das kann man auch wunderbar sehen, wenn man zum Beispiel durch die Straßen von Kiel geht -, dass Cannabis gesellschaftlich durchaus schon akzeptiert ist. Die wenigsten Leute haben heute irgendwelche Skrupel davor, auf der Straße einen Joint zu rauchen. Der Weg des Verbots ist definitiv der falsche. Kanada macht uns vor, wie es gehen kann. Auch wir in Deutschland sollten uns langsam einen Ruck geben, eine fortschrittliche Drogenpolitik machen und Cannabis legalisieren.

(Beifall PIRATEN)

Jetzt hat Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

(Uli König [PIRATEN]: Ich hoffe, du sagst das, was du meinst, und nicht das, was deine Partei sagt!)

- Ich sage das, was ich will.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss eines richtigstellen: Peter Eichstädt hat uns da nicht richtig zitiert. Wir haben damals, 2013, ausgehend von dem Antrag Drucksache 18/157 einen eigenständigen Antrag eingebracht. Lieber Herr Eichstädt, wir hatten einen eigenen Antrag, dem wir zugestimmt haben. Den Antrag der Koalition haben wir abgelehnt, gemeinsam mit einer anderen politischen Partei, die davon heute nichts mehr wissen will.

(Beifall CDU - Zurufe Lars Harms [SSW] und Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, mit der FDP haben wir das gemeinsam abgelehnt. Fazit ist: Wir lehnen Drogenkonsumräume noch immer ab. Wir halten das für falsch. Auch die Anhörung damals hat ergeben, dass so etwas gar nicht notwendig ist, weder in Kiel noch sonst wo in

Schleswig-Holstein. Deswegen machen wir Anhörungen, damit wir uns ein Bild verschaffen können.

Dann möchte ich eine Anmerkung erwähnen, und zwar den Vorschlag von Herrn Dr. Tietze, notleidenden Bauern zu empfehlen, sie mögen Bio-Drogen anbauen. Schlimmer geht es ja gar nicht! Ich frage mich: Was sagen die Leute da oben? Da oben sitzen Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter. Was halten die eigentlich von so einer Diskussion, wie wir sie hier führen?

(Anita Klahn [FDP]: Die schütteln den Kopf! - Beifall CDU)

Als Nächstes hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage jetzt nicht die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter, wer von ihnen schon einmal etwas geraucht hat.

Ich finde die Debatte etwas skurril, weil es sich zum Teil um echtes Pirouettendrehen handelt. Ich glaube, wir haben in Schleswig-Holstein eine ausgesprochen fortschrittliche Drogenpolitik. Ich möchte daran erinnern, dass es eine Sozialministerin Heide Moser gab, die einen Modellversuch zur Abgabe von Cannabis über Apotheken auf den Weg gebracht hat. Sie ist damit gescheitert. Möglicherweise war die Zeit nicht reif, möglicherweise war die Vorbereitung nicht so, dass es auf größere Akzeptanz gestoßen ist.

Verehrte PIRATEN, im Landtag im Jahre 2016 irgendjemanden aufzufordern, in Schleswig-Holstein eine moderne Drogenpolitik zu betreiben - da sind eher Sie Ihrer Zeit hinterher und nicht die restlichen im Landtag vertretenen Parteien.

(Beifall FDP, SPD, SSW und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Peters, ich teile die Argumente, die Sie in Hinblick auf das Austrocknen von Märkten genannt haben. Auch bei legalen Drogen wie Tabak beispielsweise gibt es Tabakschmuggelkartelle. Ich kann relativ wenig damit anfangen, den Anspruch damit zu verbinden, man würde Kriminalität grundsätzlich abstellen, wenn man Cannabis legalisierte. Ich kann auch relativ wenig mit einer Debatte anfangen, ob in Zukunft in Süßigkeiten Cannabis verbacken werden soll oder nicht. Lieber Tor

(Torge Schmidt)

ge Schmidt, es gibt auch Alkohol in Pralinen. Ich glaube nicht, dass das die wirklichen Probleme sind, die wir haben.

Um es sehr deutlich zu sagen: Ich halte die Argumentation der Union zumindest für ausgesprochen fragwürdig. Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, sehr geehrter Herr Kollege Neve, konsequenterweise müssten Sie all das, was Sie gegen Cannabis vorgebracht haben, im Prinzip auch gegen Tabakkonsum und gegen Alkoholkonsum vorbringen. Das habe ich von Ihrer Seite noch nicht gehört. Insofern finde ich, dass die Union in Sachen moderner Drogenpolitik kein besonders aktueller Ratgeber ist. Jedenfalls würde ich Sie nicht zum Ratgeber machen wollen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich gestehe unumwunden ein, dass mir mein Fraktionsvorsitzender einmal richtig gezeigt hat, wie die wirklichen Machtverhältnisse in der FDP Schleswig-Holstein sind. Nach einem fulminanten Redebeitrag auf dem Landesparteitag hat sich die FDP Schleswig-Holstein, anders als die Bundespartei, in der Tat mit einer knappen Mehrheit gegen die Legalisierung ausgesprochen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war eine Zweidrittelmehrheit!)

Ich halte den vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen in Hinblick auf eine Weiterentwicklung der modernen Drogenpolitik in Schleswig-Holstein nicht nur für unterstützungswürdig, sondern ich halte ihn - das sage ich ausdrücklich auch in Hinblick auf Konsumräume, liebe Frau Rathje-Hoffmann für ausgesprochen positiv.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Aus diesem Grunde wird die FDP-Fraktion dem Antrag der Koalitionsfraktionen geschlossen zustimmen. Dann schauen wir einmal, welchen drogenpolitischen Weg Schleswig-Holstein in Zukunft einschlägt. Ich glaube, die Vorschläge, die hier zur Debatte stehen, sind genau die richtige Alternative. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Jetzt kommt die Landesregierung zu Wort. Die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit, spricht zu Ihnen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Diskussion um Verbot und Legalisierung des Konsums von Cannabis als Rauschmittel ist ein öffentlich ganz stark beachteter, aber eben auch nur ein Aspekt von Suchtpolitik. Die Diskussion hat insofern mit Sicherheit ihre Berechtigung, als ein ausschließlich auf Repression setzender Ansatz in der Suchtpolitik in der Tat als gescheitert gelten darf. Ein ausschließlich auf Legalisierung setzender Ansatz wäre allerdings genauso verfehlt.

Richtigerweise stellen deshalb beide vorliegenden Anträge auf Entkriminalisierung von Cannabiskonsum und nicht auf das In-Verkehr-Bringen, gar in gewerblicher Absicht, ab.