Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

Zweitens. Machen Sie sich für eine unabhängige und aussagekräftige Evaluierung in anderen Bundesländern stark - nicht so, wie es in Hessen geschehen ist.

Drittens. Lassen Sie bis dahin die Finger weg von Körperkameras für unsere Polizeibeamten!

(Beifall PIRATEN)

Unser Land braucht mehr Vertrauen zwischen Bürgern und Polizei, aber nicht mehr Misstrauen und Überwachung.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Polizisten werden nicht selten angegriffen. Laut CDU sollen nun Mini-Schulter-Kameras bei der Landespolizei eingesetzt werden, um Polizistinnen und Polizisten besser vor Übergriffen zu schützen. In Hamburg und Hessen hat man diese bereits eingesetzt und sammelt erste Erfahrungswerte. Gleiches gilt für die Bundespolizei. Dort werden diese Body-Cams in einigen Gebieten bereits eingesetzt und getestet. Laut Union - so steht es in dem Antrag - gibt es keinen Grund, der gegen die Einführung von sogenannten Body-Cams spricht.

Dann will ich an dieser Stelle einige Gründe nennen, die doch dagegensprechen.

Im Innen- und Rechtsausschuss durften wir uns bereits einen einminütigen Ausschnitt von der Räumung des Flensburger „Luftschlosses“ ansehen. Dabei wurde sehr schnell deutlich, wie schwer es sein kann, eine Bewertung des Videoausschnittes vorzunehmen. Die Krux ist doch: Die Geschehnisse vor und nach der Aufnahme - sie war ja nur 1 Minute lang - bleiben völlig unbekannt. Diese können jedoch im Tatverlauf entscheidend sein.

Vor allem, was den Aspekt der Handlungen vor dem Einschalten der Kamera betrifft, gibt es Kritisches anzumerken; denn ob jemand bewusst oder unbewusst provoziert wurde, bleibt völlig unbekannt. Das weiß man nicht, weil man nur diesen Ausschnitt hat.

Im Vorhinein abgesprochene Verhaltensweisen, sei es unter Polizisten oder unter Demonstranten, bleiben ebenfalls unbekannt. Zudem ist das Blickfeld sehr eingeschränkt und kann eine größere Gruppe von Menschen nicht berücksichtigen.

Gleiches gilt für das Geschehen an benachbarten Schauplätzen. Es ist schwierig zu sehen, welches externe, nicht erkennbare Ereignis Einfluss auf das ausgeübt hat, was sich in der Videosequenz wiederfindet. Hinzu kommt, dass eine solche Aufnahme nur ein Puzzleteil eines großen Ganzen ist. Die Aussagefähigkeit ist - maximal - sehr eingeschränkt.

(Dr. Patrick Breyer)

Ferner müssen die datenschutzrechtlichen Fragen beleuchtet werden: Wie sieht es mit den Speicherfristen aus? Wie sieht es mit dem Nutzungsrecht des Bürgers aus? Hat er auch irgendwann Zugriff? Wie hoch ist der zu erwartende Verwaltungsaufwand, wenn man diese Aufnahmen in irgendeiner Form nutzen will? Müssen die Videosequenzen öffentlich zugänglich sein, um Rechte Dritter zu wahren, wie es Kollege Dr. Breyer unter Bezugnahme auf einen konkreten Fall vorgeschlagen hat? Oder werden die Rechte Dritter nur dadurch gewahrt, dass die Videosequenzen der Öffentlichkeit gerade nicht zur Verfügung gestellt werden, sie also nicht öffentlich nutzbar sind? Es gibt also doch noch einige Fragen, die erst einmal geklärt werden müssen.

Ein anderer praxisrelevanter Aspekt betrifft die Ankündigung des Einschaltens der Kamera. Da der Polizist in Rechte Dritter eingreift, bedarf es dieser Ankündigung. Die Polizisten müssen entsprechend geschult werden, wann und wie, das heißt unter welchen Bedingungen sie es tun dürfen. Man muss wissen, dass eine richtige Einschätzung in bestimmten Situationen nicht innerhalb von Sekunden möglich ist. Daher ist das Einschalten an sich schon mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Weitere Hindernisse sind in Betracht zu ziehen, zum Beispiel das Vergessen des Einschaltens der Kamera oder das bewusste Nichteinschalten. Auch das Unterlassen des Einschaltens kann in der späteren juristischen Bewertung einer Situation eine Rolle spielen, das heißt, entsprechend ausgelegt werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn das unterlassene Einschalten einer Kamera dergestalt gedeutet würde, dass der Polizist eine Handlung bewusst nicht filmen wollte?

(Beifall SSW und PIRATEN)

Dann steht der Polizist womöglich irgendwann in der Rechtfertigungspflicht. Das wollen wir doch sicherlich verhindern.

In den USA ist man schon deshalb dazu übergegangen, die Kameras bei Außeneinsätzen dauerhaft einzuschalten. Das allerdings bedeutet, dass immer alles und jeder gefilmt wird. Ob wir das wirklich wollen, ist zumindest fraglich.

Man sieht, hier entstehen Fragen über Fragen und Probleme über Probleme, die erst einmal geklärt werden müssen.

Als ein Argument - oft sogar als Hauptargument pro Body-Cams wird der Selbstschutz angeführt. Dazu sage ich: Unsere Landespolizei weiß sehr wohl, sich selbst zu schützen. Die Polizisten haben

das gelernt. Ich glaube nicht, dass eine solche MiniSchulterkamera jemanden, der in Rage geraten ist, davon abhalten kann, gewalttätig zu werden.

Wenn man ganz ehrlich ist, kommt man zu dem Ergebnis, dass der einzige wirkliche Wert einer solchen Body-Kamera in der Dokumentation von Vorgängen zu sehen ist. Das ist der einzige Wert mit all den Einschränkungen, die ich schon benannt habe und die nicht unbedingt gering zu schätzen sind.

Insgesamt gibt es also aus der Sicht des SSW noch erheblichen Beratungsbedarf. Eine ganze Reihe von Fragestellungen ist noch nicht geklärt. Wir müssen erst einmal klären, in welchen Zusammenhängen dies überhaupt denkbar ist. Dann mag es eine Entscheidung geben. Aber zunächst sind wir noch, das muss ich Ihnen so sagen, sehr skeptisch.

(Beifall SSW)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne angehende Justizfachwirtinnen und Justizfachwirte beim Landgericht Lübeck und Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Altenholz. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir kommen nun zu den Dreiminutenbeiträgen. Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Dudda.

Keine Sorge, mein Beitrag dauert keine 3 Minuten, Herr Präsident. - Ich muss eine kurze Erklärung abgeben. Es stand hier im Raum, ich würde aufgrund meiner Zugehörigkeit zur Gewerkschaft der Polizei bei diesem Thema den Raum aus Protest verlassen haben. Das ist dummes Zeug.

Wer sich daran erinnern kann, der weiß, dass ich beim Polizeibeauftragten gewiss eine Position vertreten habe, die meiner Gewerkschaft nicht gefallen hat. Unter dieser leide ich, wenn man es so ausdrücken will, gewerkschaftlich heute noch. Niemals würde ich wegen eines solchen Themas den Saal aus Protest verlassen; das ist dummes Zeug.

Was über den Innen- und Rechtsausschuss gesagt wurde, trifft zu. Ich habe zum gegebenen Zeitpunkt den Versuch in Hessen aufmerksam begleitet und darin Positives gesehen. Aber auch als PIRAT lernt man dazu. Ich habe festgestellt, dass die BodyCams so, wie sie jetzt verwendet werden, dummes

(Lars Harms)

Zeug sind. Deswegen bin ich mit dem Antrag meiner Fraktion vollständig einverstanden.

Das war nötig, um es einzuordnen. - Danke.

(Beifall PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament sehe ich nicht. Dann hat jetzt für die Landesregierung der Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Herr Stefan Studt, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte werden täglich in hoher Zahl mit Widerstandshandlungen und Gewaltdelikten konfrontiert. Wir haben davon bereits gehört. Angesichts dieser Entwicklung wird nicht nur von der CDU-Fraktion gefordert, die mobile Videotechnik am Mann als ein ergänzendes Element zur Deeskalation und als Mittel der polizeilichen Eigensicherung in Betracht zu ziehen.

Es ist richtig: Auch ich stehe einem Einsatz von Body-Cams offen gegenüber, wenn sie die Sicherheit unserer Polizeibeamten verbessern können. Erste Erfahrungen aus anderen Bundesländern weisen in diese Richtung.

Äußerungen wie die von Ihnen, Herr Bernstein, sind, glaube ich, überflüssig. Wir haben bereits von Herrn Dr. Dolgner dazu gehört. Wir haben über das Thema im Innen- und Rechtsausschuss gesprochen. Sie wissen, dass wir die Versuche konstruktiv begleiten. In Hessen gibt es den Einsatz seit 2013; es war damals ein Pilotversuch im Vergnügungsviertel Alt-Sachsenhausen. Wir haben die Motivation für aggressives Verhalten von übermäßig alkoholisierten Besuchern im Innen- und Rechtsausschuss dezidiert diskutiert.

Einen ähnlichen Versuch gibt es in Hamburg. Der Versuch startete im Juni 2015 im Zuständigkeitsbereich der Davidwache, die verantwortlich für das Vergnügungsviertel St. Pauli ist. Wir haben auch gehört, dass der abschließende Bericht der Hamburger Bürgerschaft im ersten Quartal 2017 vorgelegt werden soll.

Richtig ist, dass ich - auch in dieser Diskussion, die wir aktuell führen - gesagt habe, dass wir nicht warten wollen, bis der letzte Bericht über ein Pilotverfahren vorliegt, sondern dass wir uns im Innen- und

Rechtsausschuss - dahin gehört diese Frage - mit den Rahmenbedingungen beschäftigen müssen. Diese sind völlig offen - Herr Dr. Dolgner hat diese zu Recht dargestellt.

Wie stellen wir uns den Einsatz der Kamera in der Praxis vor? Wollen wir, dass einer von drei Polizisten diese Kamera trägt? Soll es ein Zweierteam geben, von dem einer diese Kamera trägt? Soll es so sein wie in Hamburg, dass einer abseits der Gruppe von fünf weiteren Beamten, die durch das Vergnügungsviertel ziehen, diese Kamera trägt? Erlauben Sie mir bitte den Hinweis: In Hamburg sind derzeit nur vier Kameras im Einsatz; der Einsatz ist bei Weitem nicht flächendeckend.

Wir haben auch schon die folgenden Fragen gehört: Sollen die Kameras durchgehend laufen? Sollen Video- und Audioaufnahmen oder sollen nur Videoaufnahmen gemacht werden?

Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die wir im Innen- und Rechtsausschuss fachlich bewerten müssen; wir müssen diese vor allem mit der Polizei, mit unseren Experten bewerten. Was ist aus deren Sicht praxisrelevant? Was ist für Schleswig-Holstein notwendig? Welche Situation besteht hier tatsächlich, die den Einsatz entsprechend sinnhaft macht?

All diese Dinge würde ich gern mit Ihnen erörtern. Ich glaube, der Innen- und Rechtsausschuss ist dafür das richtige Gremium. Dann können wir diese Fragen dort aufnehmen.

Ich will an dieser Stelle aber noch eines deutlich sagen: Alles, was erwiesenermaßen zur Erhöhung der Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen im operativen Dienst beiträgt, wird von uns konstruktiv geprüft. Wo es ein positives Votum gibt, wird es tatsächlich umgesetzt. Die anstehenden Ausstattungsverbesserungen mit Stichschutz und Außentragehülle sind dafür, glaube ich, der aktuelle Beleg.

Wenn die Body-Cams ein derartiges Instrument sind, dann wird es den Einsatz der Body-Cams in Ergänzung zur Aus- und Fortbildung, in Ergänzung zur Vor- und Nachbereitung von Einsätzen geben. Das ist selbstverständlich.

Herr Harms, ich will deutlich sagen: Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir eine gute Ausbildung, dass wir eine gute Fortbildung durchführen, dass wir ein gutes Einsatztraining haben. Trotzdem zeigen in der letzten Zeit mehr und mehr Lageberichte, dass es immer wieder Distanzlosigkeit und Respektlosigkeit gibt und es trotz der guten Aus- und Fortbildung zu der einen oder anderen körperlichen

(Wolfgang Dudda)

Beeinträchtigung kommt. Diese Dinge müssen wir uns noch einmal gemeinsam ansehen.