Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich stelle fest, man hat die Worte wiedererkannt. Diese Worte stammen nämlich aus der Pressemitteilung der Kollegin Anke Spoorendonk vom 8. Juli 2010. Dies war die Presseinformation zu ihrem Wortbeitrag zur Begründung eines SSW-Gesetzentwurfs, nach dem die Unterhaltung von öffentlichen Bibliotheken in Kreisen und Gemeinden zur Pflichtaufgabe gemacht werden sollte. Dem Land, den Kreisen und den Kommunen sollte die Unterhaltung einer bibliothekarischen Grundversorgung auferlegt werden.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nichts von dem, was Anke Spoorendonk vor sechs Jahren gefordert hat, ist in der Sache falsch.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das zeigt aber, dass es viel einfacher ist, aus der Oppositionsrolle heraus viel zu fordern, als in Regierungsverantwortung etwas umzusetzen.

(Zurufe SPD)

- Mit Regierungsverantwortung haben wir noch nicht so viel Erfahrung. Wenn Sie das anprangern, können auch wir das anprangern.

(Beifall Uli König [PIRATEN] und Torge Schmidt [PIRATEN])

Da das Bibliothekswesen eine Art Markenkern des SSW ist, lohnt sich ein Blick in den Koalitionsvertrag:

„Wenn es um die Vermittlung von Bildung und Kultur geht, spielen die Bibliotheken eine herausragende Rolle. Die Landesregierung wird deshalb in der ersten Hälfte der Legislaturperiode einen Entwurf eines Bibliotheksgesetzes einbringen, mit dem die Förderung der Büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken im Land und deren Arbeit erstmals auf eine eigenständige, solide Grundlage gestellt wird.“

Über den Zeitpunkt wollen wir uns jetzt nicht streiten. Die Kulturministerin hatte genug mit den geplatzten Plänen zum Theaterneubau in Schleswig und der Neulandhalle zu tun. Was jetzt aber als Bibliotheksgesetz vorgelegt wird, ist leider dünn.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schlank!)

Der Status quo soll jetzt festgeschrieben werden. Tatsächlich hätte ich der Kulturministerin noch einen größeren Wurf aus eigener Kraft gegönnt.

Mit dem Gönnen ist es aber wie mit dem Träumen: Es bleibt sehr persönlich.

Für das Land müssen wir sagen: Dieser Gesetzentwurf tut wenig und bewegt leider noch weniger. Weder richtig gut noch richtig schlecht ist er. Da aber die Betroffenen sagen, dass sie lieber mit einem kleinen Gesetzentwurf als ganz ohne dastehen wollen, werden wir dem aller Voraussicht nach in der Beratung im Bildungsausschuss nicht im Wege stehen.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 2010 legten wir als SSWLandtagsfraktion einen Gesetzentwurf vor, der die Bibliotheken des Landes unterstützen sollte. Die Finanzkrise hatte in vielen Kommunen zu erheblichen Sparanstrengungen geführt, die auch die Bibliotheken betrafen. Damit rückte ein Ausverkauf dieser zentralen Bildungs- und Kulturinstitutionen in greifbare Nähe. Damals wie heute ist unser Antrieb die Sicherung und Weiterentwicklung der Einrichtungen. Daran hat sich auch heute nichts geändert.

Die Argumente von damals haben ihre Aktualität und Bedeutung nicht verloren. Bibliotheken dienen der allgemeinen, kulturellen, wissenschaftlichen und schulischen Bildung, der Bewahrung des kulturellen Erbes, der Unterhaltung sowie der Verwirklichung des Rechts auf Zugang zu Informationen und Wissen. Wer schon einmal die Internetplätze der Bibliotheken genutzt hat, weiß, dass für viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner die kommunalen Bibliotheken den einzigen kostenfreien Zugang zum Internet bieten. Das gilt in jüngster Zeit besonders für die Geflüchteten, die ohne den Internetzugang keinen Kontakt in die Heimat aufrechterhalten können. Bibliotheken sind Institutionen, die zu einer Gemeinde gehören wie das Rathaus und die Schule. Es geht nicht ohne sie. Darum genießen die Bibliotheken neben den Volkshochschulen in Schleswig-Holstein Verfassungsrang: In Artikel 13 ist festgelegt, dass das Büchereiwesen Aufgabe des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände ist.

(Sven Krumbeck)

Das Bibliothekswesen wird im Land übergreifend vom Büchereiverein geleitet. Dafür erhält er finanzielle Mittel aus dem Finanzausgleichsgesetz. Von daher ist es auch folgerichtig, dass der gesetzliche Rahmen nun von der Landesregierung vorgelegt wird. So sieht echte Umsetzung aus.

Zudem hat das Land seine finanzielle Verpflichtung anerkannt, indem es Geld für Projekte der Digitalisierung in den Bibliotheken bereitgestellt hat, insgesamt 430.000 €. Wir werden den weiteren Finanzbedarf der Bibliotheken vor allem im Bereich der Folgekosten der zunehmenden Digitalisierung im Auge behalten. Nach dem großen Erfolg der sogenannten onleihe ZWISCHEN DEN MEEREN zeigt sich, dass immer mehr Nutzer ihre Medien online anfordern und nutzen. Digitalisierung ist nicht kostenfrei.

Der Büchereiverein ist eine Institution, die das Büchereiwesen in Schleswig-Holstein einzigartig macht. Seine Arbeit kann man gar nicht überschätzen. Seine 130 Mitglieder sind durch die Gremienarbeit im Verein so gut vernetzt, sodass schneller als in anderen Bundesländern Erfahrungen weitergegeben werden können und sich Erfolgsmodelle durchsetzen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Historisch ist der Büchereiverein vor fast hundert Jahren in Flensburg aus der Nähe zur vorbildlichen dänischen Bibliotheksarbeit erwachsen, die zeigte, dass Bibliotheken eben keine Bücherhallen sind, sondern kulturelle Zentren der Erwachsenbildung. Dass die Bibliotheken in Schleswig-Holstein fast genauso lange als Bildungseinrichtungen arbeiten können, wurde durch diese Impulse überhaupt ermöglicht. Aber auch die friesische Minderheit hat mit ihren Bibliotheken in Bredstedt und Alkersum wichtige Impulse gegeben,

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

indem sie zunächst im Alleingang friesische Medien erfasst hat und öffentlich zugänglich machte. Die dortigen Archive bewahren das kulturelle Erbe der Minderheit in absolut vorbildlicher Weise und ergänzen das Angebot der Slesvigske Samling in Flensburg, die über 50.000 Medien umfasst. Mit der Forschungsabteilung der Dansk Centralbibliotek werden nicht nur viele persönliche Nachlässe aus den Reihen der Minderheit verwahrt, sondern auch digital erschlossen. Das ist absolut vorbildlich. Mit dem im Dezember eröffneten Anbau des Nordfriisk Instituuts ist die Lagerung der empfindlichen

Dokumente in einem klimagesicherten Raum möglich, wie es schon seit Längerem auch in Alkersum der Fall ist.

Beide Bibliotheken bieten Interessierten darüber hinaus den Zugang zu Archivalien und Medien. Darum war es konsequent, diese Bibliotheken als wissenschaftliche Bibliotheken ausdrücklich im Gesetz zu berücksichtigen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bibliotheksgesetz ist dem SSW ein Herzensanliegen. Wir wollen mit dem Entwurf für die Bibliotheken als Kulturstätte werben, die jedem Mann und jeder Frau offensteht. Das Gesetz trägt dazu bei, die Bibliotheken zukunftsfest zu machen. Die Bibliotheken sind das Gedächtnis der Menschheit, sie sind die Brücken aus der Vergangenheit in die Zukunft. Sie sind Grundlage und Instrumente der wissenschaftlichen Forschung sowie der beruflichen und allgemeinen Bildung.

Ich bitte genauso wie meine Vorredner Beate Raudies und Marlies Fritzen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung, vorgetragen durch unsere Kulturministerin Anke Spoorendonk, an den Bildungsausschuss überwiesen wird, damit wir dort das weitere Verfahren besprechen - eine schriftliche und eine mündliche Anhörung. Genauso wie jedes andere Gesetz wird auch dieses Gesetz behandelt. So ist es, Frau Klahn.

Ich möchte eines sagen: Wenn wir dieses Gesetz umgesetzt bekommen - und das tun wir dieses Jahr -, dann ist es so, dass es auch in den Bibliotheken, die durch den Büchereiverein gefördert werden, Öffnungszeiten gibt. Das muss eine Projektbeschreibung sein. Sie haben vorhin gesagt, die Ministerin könne es besser, für die dänische Bibliothek habe sie es reingeschrieben. Für die anderen Bibliotheken in Schleswig-Holstein regelt das der Büchereiverein. Deshalb sind unter anderem auch die Öffnungszeiten drin, weil Sie ansonsten nachher wieder hier stehen und fragen würden: Wieso konnte der Büchereiverein meiner Bibliothek Geld auszahlen, obwohl wir gar keine Öffnungszeiten haben oder andere Dinge, damit die Menschen kommen und sich Bücher leihen oder das Internet gebrauchen können?

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Jette Waldinger-Thiering)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/3800 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Body-Cams unverzüglich einsetzen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/3849

Überwachungskameras verhindern keine Gewalt gegen Polizeibeamte

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/3885

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, wie ich sehe. Deswegen eröffne ich die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt gegen Polizeibeamte hat inzwischen eine nicht zu akzeptierende Dimension angenommen. Die Berichte über Gewalt gegenüber Repräsentanten der Staatsgewalt, aber auch gegenüber Feuerwehrleuten oder Rettungskräften belegen dies in einer erschreckenden Weise. Dieser um sich greifenden Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft kann man sicherlich nicht allein mit Technologie und Schutzausrüstung begegnen. Respekt und Gewaltverzicht kann man nicht erzwingen und nicht verordnen. Das ist eine Frage von Erziehung, von Bildung, aber auch von den so oft gescholtenen altmodischen Tugenden. Aber es ist auch eine Frage der Haltung der Politik, die diesen Respekt aktiv einfordern muss.

Die kürzlich präsentierte Dunkelfeldstudie macht deutlich, dass das Vertrauen in die Polizei und ihre Handlungsfähigkeit - Gott sei Dank noch auf hohem Niveau, aber - abnimmt. Selbstverständlich ist es vor diesem Hintergrund erforderlich, einen Aufwuchs unserer Landespolizei nachhaltig zu organisieren.

Wer monatelang den Eindruck erweckt, einer ohnehin überlasteten Polizei könne man noch Kräfte abziehen, trägt nicht dazu bei, Vertrauen in die Hand

lungsfähigkeit und Respekt gegenüber der Polizei zu stärken. Da haben Sie gestern endlich die Kurve gekriegt, und das erkenne ich ausdrücklich an.

Beide notwendigen Maßnahmen, das Eintreten für Respekt und Gewaltlosigkeit und die personelle Verstärkung, brauchen aber Zeit. Diese Zeit haben wir nicht, wenn wir erfahren, dass 2015 fast 1.100 Gewaltdelikte gegenüber 2.000 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Schleswig-Holstein begangen wurden. 355 Beamte wurden durch Gewalttaten verletzt, sieben von ihnen schwer. Das heißt, jeden Tag wird statistisch gesehen eine Beamtin oder ein Beamter unserer Landespolizei als Opfer von Gewalt verletzt.

Die CDU hat diese Situation mit einer neuen Regelung zum Schmerzensgeld aufgegriffen, die wurde umgesetzt. Präventiv kann der Einsatz von BodyCams als deeskalierendes Einsatzelement hier sehr kurzfristig die Lage verbessern.

Andere Bundesländer wie zum Beispiel Hessen haben die Technologie bereits erprobt, und die Erfahrungen dort legen es nahe, auch unserer Landespolizei dieses Instrument an die Hand zu geben. Bei dem Modellversuch in Hessen gingen Widerstandshandlungen gegenüber den mit Body-Cams ausgrüsteten Beamtinnen und Beamten um 37,5 % zurück. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten nehmen eine deutlich gestiegene Kooperationsbereitschaft ihrer Problemklientel wahr. Spontane Solidarisierungseffekte mit Gewalttätern unterblieben vollständig. Der Bericht führt weiter aus:

„So dient die Body-Cam nicht nur der Verhütung von Angriffen auf Beamtinnen und Beamte durch die abschreckende Wirkung der offenen Bildbeobachtung. Vielmehr ergänzt sie dieses Element um die präventive Beweismittelsicherung, die Beamte entlastet, welche von unberechtigten Strafanzeigen beziehungsweise Beschwerden betroffen sind.“

Nun kann man die Gegebenheiten in Hessen sicher nicht ohne Weiteres auf Schleswig-Holstein übertragen. Inzwischen arbeiten aber auch die Bundespolizei, die Polizei in Hamburg, in Rheinland-Pfalz, in Bayern, in Bremen, in Berlin mit Pilotprojekten zur Body-Cam. Wir sind der Überzeugung, dass auch unsere Polizistinnen und Polizisten diesen zusätzlichen Schutz verdient haben. Deshalb wollen wir auch ein Modellprojekt auch für SchleswigHolstein.