Gestatten Sie mir zunächst eine geschäftsleitende Bemerkung zu unserem Tagesordnungspunkt „Windenergie“. In der Mittagspause haben mich Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen angesprochen, dass sie gern auch den Innen- und Rechtsausschuss damit befassen möchten. Ich empfehle dem Innen- und Rechtsausschuss, sich im Rahmen der Selbstbefassung dieses Themas anzunehmen und die Empfehlung dem federführenden Umweltausschuss zuzuleiten. Ich bitte Sie, das für die Tagesordnung Ihrer nächsten Sitzung zu berücksichtigen. Das wird die Vorsitzende dann sicherlich auch auf die Tagesordnung nehmen. Damit ist dem Bedarf der Abgeordneten der Fraktionen Rechnung getragen.
Bevor ich dazu das Wort erteile, möchte ich Sie bitten, zusammen mit mir auf dem Podium Mitglieder des Landfrauenvereins aus St. Michaelisdonn zu begrüßen. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat jetzt die Frau Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, zu diesem Bericht.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Mir ist sehr bewusst geworden, dass es ein Fehler war, diesen Tagesordnungspunkt zur Europapolitik nicht im Verbund mit der Debatte über den nächsten Tagesordnungspunkt zu bringen.
Gleichwohl ist es wichtig, dass wir uns mit Europa nicht nur im Sinne von Schweinefleisch, sondern insgesamt befassen.
Meine Damen und Herren, das vergangene Jahr war für die europäische Einigung kein gutes. Grundlegend unterschiedliche Ansichten hat es in der EU zwar immer gegeben. In der Flüchtlingskrise aber ist ein deutliches Auseinanderdriften der Europäischen Mitgliedstaaten sichtbar geworden. Dort, wo die Grenzen lange Zeit offen und frei passierbar waren, werden Reisende inzwischen wieder kontrolliert, und an der EU-Außengrenze Ungarns zu Serbien durchschneiden richtige Grenzzäune das flache Land. Dabei ist für mich eines ganz klar: Innereuropäische Grenzkontrollen ersetzen keine abgestimmte und konzeptionelle europäische Flüchtlingspolitik.
Diese, meine Damen und Herren, brauchen wir aber in Europa aus humanitären Gründen entsprechend unseres Wertekanons, aber auch, damit Reisefreiheit im Schengen-Raum überhaupt weiterhin bestehen kann.
Das überraschend von der Türkei unterbreitete Bündel an Vorschlägen beim EU/Türkei-Gipfel am Montag muss nun auf seine Realisierbarkeit überprüft werden. Es könnte den Stopp der illegalen Migration via Griechenland bedeuten. Dass das seinen Preis haben dürfte, hat die Türkei ganz klar gemacht. Soll heißen: Die EU muss zügig eine einheitliche Linie dazu finden. Sich einig zu sein, sich bald einig zu werden, reicht nicht.
Über dieser Frage steht die europäische Kernfrage: Schafft Europa die Flüchtlingskrise, wie es auch von der EU als Friedensnobelpreisträgerin erwartet wird,
oder beschränkt sich die EU darauf, mit geschlossenen Außengrenzen den Schengen-Raum als Wirtschaftsraum zu sichern?
Dass Slowenien, Serbien und Kroatien nunmehr ihre Grenzen dichtgemacht haben und damit die Balkanroute geschlossen ist, zeigt, wie Fakten geschaffen werden.
Aber damit nicht genug. Mit der bevorstehenden Abstimmung über den Austritt Großbritanniens aus der EU besteht das erste Mal die reelle Möglichkeit, dass ein Staat die EU verlässt.
Meine Damen und Herren, das Ziel einer immer engeren europäischen Zusammenarbeit ist in weite Ferne gerückt. Der Zulauf, den rechtsradikale und rechtspopulistische Parteien vielerorts in Europa und auch bei uns in Deutschland haben, zeigt, dass die EU-Gegner von dieser Krise profitieren.
Auch unsere Grenzregion ist von der europäischen Flüchtlingskrise betroffen. Ich bedauere diese Entwicklung an der deutsch-dänischen Grenze sehr. Das habe ich mehrfach zum Ausdruck gebracht, so wie ich auch die Entwicklung in der Öresund-Region zutiefst bedauere. In etlichen Gesprächen mit dänischen Regierungsvertretern hat die Landesregierung, Herr Ministerpräsident Torsten Albig und ich, die Sichtweise Schleswig-Holsteins deutlich gemacht. Es ist ein Erfolg unserer Gespräche, dass Dänemark nur stichprobenartige Kontrollen durchführt. Man ist in Kopenhagen für unsere Situation sensibilisiert.
Man weiß und schätzt dort, dass neben Berlin Kiel der verlässliche Ansprechpartner dänisch-deutscher Politik ist.
Die dänische Regierung und die Landesregierung sind sich einig darüber, dass die enge und gute deutsch-dänische Zusammenarbeit auf jeden Fall fortgesetzt und vertieft werden muss.
Meine Damen und Herren, heute, gut 14 Monate nach der Vorlage unseres Rahmenplans für die deutsch-dänische Zusammenarbeit des Landes, können wir feststellen: Wir sind schneller und erfolgreicher vorangekommen, als damals erwartet worden war. Wir haben mit der dänischen Regierung im April 2015 eine gemeinsame Ministererklärung unterzeichnet, die von der neuen dänischen Regierung im Oktober 2015 bestätigt worden ist. Im Sommer soll eine erneute und erweiterte Erklärung folgen.
Wir haben in den Regionen Süddänemark und erstmals auch mit Sjælland Arbeitspläne vereinbart. Die lockere Kooperation Jyllands soll in ein strategisch ausgerichtetes mehrjähriges Nordseeprojekt überführt und verstetigt werden. Darüber würde ich gern zu gegebener Zeit auch im Europaausschuss berichten.
Wir haben mitgeholfen, die Strukturen des neuen INTERREG-V-A-Programms Deutschland/Dänemark aufzustellen und bereits im ersten Programmjahr strategische Projekte in den Bereichen LifeScience, Berufsausbildung und Energie platziert. Dafür, dass wir erfolgreich gestartet sind, stehen nicht nur die zahlreichen Gespräche, die wir seit Sommer mit der dänischen Regierung geführt haben und mit denen wir von dieser auf voller Linie bestätigt worden sind, sondern dafür steht auch die im Februar von der dänischen Regierung vorgelegte Deutschlandstrategie. In dieser neuen Strategie greift die dänische Regierung eine Reihe von Themen mit Bezug zu Schleswig-Holstein und unserem Rahmenplan auf, insbesondere die Zusammenarbeit in den Bereichen Infrastruktur und Energie sowie im Bildungsbereich. Sie legt den Fokus auf kleine und mittelständische Unternehmen, das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsmarktentwicklung in der erweiterten deutsch-dänischen Grenzregion. Hierzu haben wir aus eigenem Antrieb der dänischen Regierung Anregungen und Hinweise gegeben. Wie ernst unsere nördlichen Nachbarn ihre Initiative nehmen, zeigt auch die Tatsache, dass das Generalkonsulat in Hamburg wiedereröffnet wird.
Zusammengefasst lässt sich daher sagen: Die Schwerpunktthemen des Rahmenplans - Wirtschaft, Infrastruktur, Mobilität in Beruf und Alltag, Kultur - sind unverändert die wichtigen. Der Weg der engen, ressortübergreifenden Zusammenarbeit ist unverändert der richtige. Mit dem Bekenntnis, dass Schleswig-Holstein faktisch Teil des europäischen Nordens ist, und mit dem Weg der Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil haben wir voll ins Schwarze getroffen.
Aus der Rückblende betrachtet kann ich feststellen: Der von der Landesregierung vorgelegte Rahmenplan kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Das hätte damals so niemand ahnen können.
Meine Damen und Herren, es wäre wünschenswert, wenn sich dieses positive Beispiel europäischer Zusammenarbeit auf ganz Europa übertragen ließe. Momentan wäre dies aber wohl zu viel erwartet. Wir können daher nur weiter an der Vertiefung unserer regionalen Kooperation in der Region arbeiten und davor warnen, den Fliehkräften in der EU
nachzugeben. Denn wir alle wissen sehr genau: Ein Europa im Rückwärtsgang ist zum Scheitern verurteilt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten und 30 Sekunden überzogen. Diese zusätzliche Redezeit steht jetzt allen Fraktionen zur Verfügung. - Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Astrid Damerow das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ursprünglich war geplant, dass mein Kollege Rainer Wiegard zu diesem Tagesordnungspunkt spricht. Er ist leider erkrankt. Ich möchte ihm auch von hier aus von Herzen gute Besserung wünschen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung dieses Europaberichts mitgewirkt haben, herzlich bedanken. Er ist erneut eine fundierte Datenzusammenstellung aus allen Fachbereichen. Der Europabericht enthält viele Facetten, die die europapolitische Arbeit unseres Landes immer wieder mit neuen Schwerpunkten auszeichnet. Er umfasst neben einer allgemeinen Einführung zur aktuellen, politisch schwierigen Lage alle wesentlichen Punkte, die wir im Parlament, insbesondere im Europaausschuss, immer wieder intensiv behandeln. Hierzu gehören die Arbeit des unverzichtbaren Hanse-Office in Brüssel und die Ostsee-Kooperation, insbesondere das Parlamentsforum Südliche Ostsee und die Ostseeparlamentarierkonferenz. Gerade bei Letzterer erleben wir immer wieder, wie wichtig es ist, auch und gerade in Krisensituationen Gespräche auf einer etwas niedrigeren politischen Ebene zu führen. Ich erinnere an die Gespräche, die wir trotz des Ukraine-Konflikts hinbekommen haben. Das war nicht immer ganz einfach, aber es ist uns doch gelungen.
Weiterhin zeigt der Europabericht allerdings auch deutlich, wie schwierig und zäh nach wie vor die Arbeit im Rahmen der Nordsee-Kooperation ist. Insoweit haben wir noch viel Arbeit vor uns. Auch die Partnerschaft zur Region Pays de la Loire ist durchaus noch ausbaufähig.
Ebenso werden die EU-Struktur- und -Investitionsfonds erwähnt. Diese sind für unser Land unverzichtbar, um auch in Zukunft Strukturverbesserungen zu erreichen.
Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die gewachsene Partnerschaft mit unserem Nachbarn Dänemark seit Jahren ein Schwerpunkt der schleswig-holsteinischen Landespolitik. Viele Details werden dazu im Bericht ausgeführt. Ich bin mir sicher, dass wir einiges davon noch intensiver im Europaausschuss behandeln werden.
Gerade mit Bezug auf unsere Nachbarschaft werden die Verwerfungen der europäischen Politik, die wir in den letzten Wochen erleben mussten, deutlich. Wir haben darüber auch hier wiederholt gesprochen.
Frau Ministerin, Sie haben es schon angesprochen: Am Beispiel der Grenzkontrollen, die Dänemark neben anderen Staaten - nun durchführt, wird gerade für uns in Schleswig-Holstein sehr deutlich, wie stark die Veränderungen, die sich in der EU in den vergangenen Monaten vollzogen haben, doch sind. Ich denke, man kann sagen: Das ist eine Zäsur. Diese Entwicklung bereitet uns Sorge und verunsichert auch die Bürger unseres Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Gemeinschaft ist aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstanden, um Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand der benachbarten Völker zu sichern. Dieser Plan hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert. Wir leben seit nunmehr 70 Jahren in Frieden. Wir leben in gefestigten Demokratien, in großer Freiheit, mit unabhängiger Justiz und erheblichem Wohlstand. Wir haben eine gemeinsame Währung. Bis vor Kurzem haben wir sogar gefühlt grenzenlos mit unseren Nachbarn gelebt.
Erfolg und Wohlstand sind anziehend. Die EU besteht inzwischen aus 28 Mitgliedstaaten. Allerdings müssen wir vielleicht auch konstatieren, dass wir uns in den vergangenen 70 Jahren - in Deutschland insbesondere in den Jahren seit der Wiedervereinigung - in diesem Wohlfühlen doch sehr bequem eingerichtet und dies in gewisser Weise für selbstverständlich genommen haben.
Die Finanzkrise mit fatalen Folgen in Südeuropa sowie eine Flüchtlingsbewegung ungeahnten Ausmaßes stellen uns nun aber vor neue, außerordentliche Herausforderungen. Sie machen deutlich, dass wir um die Einheit Europas auch heute und in Zukunft kämpfen müssen. Verstärkt durch seit Längerem wachsende nationale Kräfte in den einzelnen
Mitgliedstaaten werden gemeinschaftliches Denken und Handeln infrage gestellt. Wir sehen dies mit Sorge in einigen unserer Nachbarstaaten, aber auch in unserem eigenen Land. In Großbritannien geht es sogar grundsätzlich um die Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Wir müssen auch feststellen, dass das SchengenAbkommen, das die Schlagbäume zwischen unseren Ländern beseitigt hat und für uns so selbstverständlich war, nicht mehr funktioniert. Wir haben es seit Jahren versäumt, unsere europäischen Außengrenzen zu sichern. Eine unkontrollierte Einreise in die Europäische Union ist die Folge. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Ministerin, müssen wir konstatieren: Die Schließung der innereuropäischen Grenzen ist eben auch eine Folge der versäumten Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union.