Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

Wir brauchen definitiv Bauland, und zwar dort, wo es notwendig ist. Da haben wir die Probleme genau in den Ballungszentren und drum herum, wo die Menschen hinwollen. Wir brauchen bezahlbares Bauland. Wir brauchen möglicherweise eine Veränderung der Grunderwerbsteuer,

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

ob uns das passt oder nicht, was uns beispielsweise Herr Breitner, der davon ein bisschen was verstehen sollte, erklärt hat. Wir müssen definitiv die Frage stellen, ob wir die Vorstellungen, die wir hatten, bevor eine Vielzahl von Menschen zu uns gekom

men ist, was die Standards unserer Bauten angeht, noch aufrechterhalten können, und ob es nicht sinnvoll wäre, die vielleicht etwas abzusenken, jedenfalls diese auf das Normalmaß zurückzuschrauben. Dem dient ja offensichtlich auch der Gesetzentwurf zur Absenkung von Standards im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden.

Herr Kollege Matthiessen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie eigentlich gar nichts ändern. Es wäre dann vielleicht besser, das Gesetz überhaupt nicht mehr zu beraten, sondern die Wohnungsbauförderung etwas anzuheben, damit man die Standards, die notwendig sind und von denen wir ausgehen, dass sie notwendig sind, in der Zukunft auch erhalten kann, ohne sie jetzt absenken zu müssen. Ich kann Ihnen sagen, dass Sie in absehbarer Zeit gerade bei der demografischen Entwicklung bei Mehrfamilienhausbauten, wenn Sie keine Fahrstühle haben, die Barrierefreiheit nicht garantieren können. Dass man das Erdgeschoss barrierefrei betreten kann, leuchtet ein, aber wenn Sie über Treppen gehen müssen, werden auch Sie in fünf oder zehn Jahren Probleme mit Ihrem Rollator haben, wenn es dann soweit ist; das kann ich Ihnen sicher sagen. Das macht jedenfalls keinen Sinn.

Was mich wirklich beeindruckt - ich habe das schon einmal angesprochen, als das auf dem Markt der Meinungen war -, ist die Tatsache, dass Sie tatsächlich ein Gesetz zur Absenkung von Standards in Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden einbringen. Nicht, dass ich nicht auch glaube, dass wir schnellstmöglich Wohnraum schaffen müssen, weil das eine der zentralen Integrationsmaßnahmen für Asylbewerber und Flüchtlinge ist, ich glaube auch, dass Änderungen der Landesbauordnung sinnvoller sind, als allein bauplanungsrechtliche Bemühungen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes zu haben. Insofern wird der Grundgedanke des Gesetzentwurfes, beschleunigtes Bauen zu ermöglichen und Wohnraum für Flüchtlinge bei der Novellierung der Landesbauordnung zu schaffen, von uns ausdrücklich begrüßt.

Aber die konkrete Ausgestaltung dieses Gedankens in dem hier vorliegenden Entwurf ist nicht nur unzureichend, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern er ist in seiner Außenwirkung geradezu verheerend. Es ist äußerst problematisch, dass die bis Ende 2019 befristeten Standardabsenkungen nur für Erstaufnahmeeinrichtungen oder für Gebäude gelten, in denen mindestens ein Fünftel der Wohnungen der Unterbringung von Flüchtlin

(Wolfgang Kubicki)

gen oder Asylbegehrenden dient. Das heißt übersetzt: Es wird ein Sonderrecht für Flüchtlinge und Asylbegehrende geschaffen.

Was sagt uns diese Veränderung? - So wichtig sind diese Bausteine also doch nicht? Oder: Für Flüchtlinge brauchen wir weniger Standards? Die Frage drängt sich auf: Was passiert eigentlich, wenn die Befristung beendet ist? Warum sind die aktuellen Standards für Flüchtlingsbauten eigentlich nicht geeignet? Geht es nicht um Menschlichkeit? Und, wenn ja, sind die geltenden Standards unmenschlich?

Für uns muss doch gelten: Entweder wir setzen uns für Absenkungen für alle ein oder für keinen.

(Beifall FDP und CDU)

Sonderrechte können und wollen wir nicht akzeptieren, zumal, Herr Minister, sich Zweckbindungen dieser Art in der Vergangenheit als völlig ungeeignet erwiesen haben. Nach Schätzungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln liegt die sogenannte Fehlbelegungsquote bei Sozialwohnungen bei bis zu 50 %. Wie wollen Sie Fehlbelegungen hier verhindern? Wollen Sie flächendeckend Kontrollen anstellen, was nicht nur einen Mehrbedarf an Personal, sondern auch ein weiteres Ausufern von Bürokratie bedeuten würde? Was machen Sie, wenn die Quote nicht eingehalten wird? Widerrufe der Baugenehmigung oder Nutzungsuntersagung oder Beschlagnahme oder Zwangseinweisung? Dazu brauchten Sie nicht nur das Vorliegen einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr, Sie müssten auch zwischen tatsächlich Asylberechtigten und noch bloßen Asylbewerbern unterscheiden. Mit einem Flüchtlingssonderrecht gefährden Sie ohne Not den gesellschaftlichen Frieden.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Sie zetteln genau die Neiddebatte an, vor der Sie seit Monaten warnen. Sie machen genau das, Kollege Dr. Stegner, wovor der Bundesvorsitzende der SPD gewarnt hat, als er vor Kurzem sagte - das ist ein Zitat -:

„Es darf kein gegeneinander Ausspielen geben, etwa beim Wohnungsbau - der muss für alle sein, nicht nur für Flüchtlinge.“

Auch der ehemalige Innenminister - übrigens auch in der SPD - fordert ganz im Sinne Gabriels völlig zu Recht den Verzicht auf feste Flüchtlingsquoten. Was wir nämlich brauchen, sind keine Sonderregelungen, sondern schnellere Baugenehmigungsverfahren im gesamten Wohnungsbau, eine Öffnung der temporären baurechtlichen Erleichterungen für

den gesamten Wohnungsbau, jedenfalls - und das will ich ganz klar sagen - soweit es Aufenthaltsräume, Stellplätze und Abstellanlagen betrifft. Warum soll das eigentlich nur für Gebäude gelten, in denen mindestens 20 % Flüchtlinge untergebracht werden?

Bei der Barrierefreiheit sollte über Standardabsenkungen hingegen allenfalls im Bereich der Sonderbauten nachgedacht werden, so wie es der Gesetzentwurf auch richtigerweise vorschlägt.

Darüber hinaus - das ist noch wichtiger - müssen wir weitere Investitionsanreize für den Wohnungsbau schaffen. Das wird nur gelingen, wenn wir die Baukosten wieder senken. Laut Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GDW sind die Baukosten von 2000 bis 2013 um 28,7 % gestiegen, und sie werden, wenn wir die EnEV 2016 umsetzen, um weitere 8 % steigen. Wie wollen Sie bei einer Maßnahme, die interessanterweise - wie alle Beteiligten sagen - so sinnvoll nicht ist, preiswert bauen?

Herr Minister, der größte Preistreiber ist der Staat. Deshalb - das haben wir an dieser Stelle schon mehrfach gefordert - müssen wir zunächst die Investitionshemmnisse abbauen, bevor wir uns Gedanken darüber machen, wie wir weitere öffentliche Mittel in Fehlallokationen stecken, die wir aus der Vergangenheit gewohnt sind. Wir werden deshalb den Gesetzentwurf sehr intensiv beraten, aber ich bitte Sie, wirklich darüber nachzudenken, ob Sie hier Sonderrechte schaffen wollen. Das wird den sozialen Frieden in Deutschland massiv beeinträchtigen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht - bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme - etwas vorweggeschickt: Ich sehe das eigentlich nicht als Sonderrecht für Flüchtlinge an, Wohnungen zugewiesen zu bekommen. Das ist eigentlich eher ein Nachteil. Wir alle können froh sein, dass wir alle zusammen keine Wohnungen zugewiesen bekommen. Es gab ja auch schon einmal Zeiten - nicht in der Bundesrepublik, aber in unserem ehemaligen östlichen Nachbarstaat -, wo genau dies geschah.

(Wolfgang Kubicki)

Ich glaube, dies ist eine Notsituation. Die Frage ist, wie man Menschen besser integrieren kann. Da müssen Flüchtlinge diese Einschränkungen ihrer Grundrechte sozusagen ertragen können. Wie gesagt, Herr Kollege Kubicki: Ich sehe das eigentlich nicht als Sonderrecht an. Ich sehe das genau umgekehrt, nämlich als eine Sonderbelastung für die Flüchtlinge, die nicht dorthin gehen können, wohin sie vielleicht eigentlich wollen, sondern die zugewiesen bekommen, wo sie hin müssen.

Aber nun zur eigentlichen Rede. Fakt ist nämlich, dass jeder Mensch - nicht nur Flüchtlinge - Wohnraum braucht. Bei der Suche nach Wohnraum klaffen Wunsch und Wirklichkeit immer stärker auseinander. Der Wohnungsmarkt bei uns, insbesondere in den Städten, wird akut herausgefordert, und längst gilt er in beliebten Gegenden als hart umkämpft. Meistens gewinnt dann der, der das dickste Portemonnaie vorweisen kann. In ländlichen Gegenden wiederum ist es genau anders herum. Dort gibt es nahezu ganze Dörfer, die von Leerstand geprägt sind. Die Herausforderungen sind daher durchaus unterschiedlich. Entscheidend ist aber, dass diese Herausforderungen angegangen werden. Der Markt kann es in Sachen bezahlbarer Wohnraum eben nicht allein regeln.

Von daher verstehen wir als SSW das Vorhaben der Landesregierung nicht nur als Maßnahme im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen, sondern für die Bevölkerung insgesamt. Die Prognosen in Sachen Bevölkerung haben nahezu eine 180-Grad-Drehung gemacht. Die Bevölkerung in Schleswig-Holstein wird in Zukunft weiter wachsen, daher steigt auch die Nachfrage nach entsprechendem Wohnraum.

Ich kann aus meiner Heimatstadt Husum sagen, dass wir da riesige Probleme haben. Wir werden jetzt natürlich anfangen, nach dem sogenannten Kieler Modell Wohnraum zu schaffen. Sicherlich werden dort erst einmal die Flüchtlinge untergebracht. Langfristig aber, vielleicht sogar schon mittelfristig, wird bei uns in Husum durch diese Maßnahme mehr Wohnraum geschaffen, der dann irgendwann in Form der konkret geschaffenen Wohnungen auch den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen wird, die keine Flüchtlingsgeschichte hinter sich haben.

Aber selbst wenn man Wohnraum nur für Flüchtlinge schafft, entschärft man damit die zukünftige Lage auf dem Wohnungsmarkt. Ich glaube, vor diesem Hintergrund sollte man Flüchtlinge und Einheimische nicht in irgendeiner Art und Weise zu

einander in Beziehung setzen. Es handelt sich um Wohnraum für alle und zum Wohle aller.

(Beifall SSW)

Im Übrigen ist weiterer Um- oder Neubau von Luxusapartments in Bezug auf bezahlbaren Wohnraum nicht besonders förderlich. Das weiß man natürlich auch. Gebraucht werden Kleinoder Kleinstwohnungen für Studenten, Auszubildende, Bedarfsgemeinschaften, Senioren, Singles oder manchmal sogar für Pendler. Sie alle zieht es in die Städte unseres Landes. Um die Schere zwischen Wunsch und Realität weiter zu schließen und für etwas mehr Entspannung am Wohnungsmarkt zu sorgen, braucht es vor diesem Hintergrund flexible Lösungsansätze.

Fest steht, dass der Bedarf jetzt und nicht erst in einigen Jahren oder in ferner Zukunft da ist. Was jetzt gebraucht wird, sind konkrete Maßnahmen. Um diese Maßnahmen zu ermöglichen und um eine vernünftige Wohn- und Baupolitik zu schaffen, muss zunächst ein rechtlicher Rahmen her, der die nötige Portion an Flexibilität ermöglicht. Genau darüber reden wir heute.

Im Zusammenhang mit Flexibilität landet jede Debatte sehr schnell bei den Standards. Natürlich muss die Vorgehensweise in diesem Fall genau abgewogen werden. Wo kann man möglicherweise auf bestimmte Standards verzichten und wo eben nicht? Standsicherheit und Brandschutz - das wurde auch schon gesagt - gehören unmissverständlich zum essenziellen Etat und stehen nicht zur Debatte. Aber auch, wenn es um barrierefreies Wohnen geht, muss gewährleistet sein, dass zumindest ein Teil der neuen Wohnungen die entsprechenden Standards erfüllt. Wenn man ehrlich ist, dann ist Barrierefreiheit vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eigentlich eher ein Muss als ein Kann. Deshalb glaube ich, dass wir in einer Zwickmühle sitzen.

Man muss überlegen, ob man das letzte Stück an Dämmung an Häusern, an Maßnahmen, die dazu dienen, Energie einzusparen, wirklich realisieren muss vor dem Hintergrund, dass der zusätzliche Effekt möglicherweise nicht ganz so groß ist. Darüber muss man in der Tat nachdenken, und dazu gibt auch der Gesetzentwurf Anlass. Das heißt nicht, dass man vom Ziel der energetischen Sanierung abrückt. Aber es heißt, dass man möglicherweise, um schnell bauen zu können, vielleicht auf diese Standards verzichten kann. Auch das muss aber zunächst im Rahmen der Behandlung des Gesetzentwurfs beraten werden.

(Lars Harms)

Der Gesetzentwurf der Landesregierung berücksichtigt die Flexibilisierung und sorgt somit für größeren Handlungsfreiraum in Bezug auf die kommunalen, genossenschaftlichen oder privaten Träger. Für uns als SSW ist bei den kommunalen Bauvorhaben von entscheidender Bedeutung, dass der Mietpreis tatsächlich adäquat ist. Schließlich soll es um preiswerten Wohnraum gehen. Dabei muss klar sein, dass nur durch adäquate Mietpreise gewährleistet werden kann, dass Vielfalt im Wohn- und Lebensraum erhalten wird. Vielfalt bedeutet Lebensqualität. Sie kann die soziale und gesellschaftliche Teilhabe aller stärken. Bezahlbarer Wohnraum sollte uns daher alle angehen und sollte im Fokus dieser Gesetzesnovelle stehen.

Wie Sie sicherlich wissen, ist die Schaffung von neuen Wohnungen schlichtweg der beste Mieterschutz. Die Landesregierung hat in den letzten vier Jahren nach dieser Maxime gehandelt und vor allem eines getan: Gebaut, gebaut, gebaut, beziehungsweise hat sie es nicht selbst getan, sondern sie hat Bauen gefördert, vor allem in der Metropolregion Hamburg.

In diesem Zusammenhang können wir es nur begrüßen, dass nun auch die Bundesregierung einen klaren Vorstoß in puncto Wohnungsbau startet. Das komplementiert das, was wir tun. Wichtig ist nur, dass die Maßnahmen und vor allem die Gelder möglichst schnell auf die übrigen Ebenen heruntergebrochen werden. Je eher dieser Vorstoß umgesetzt werden kann, desto besser.

Unsere Aufgabe als Land ist es, hier schnelle und einfach umzusetzende Regelungen zu schaffen. Das wollen wir mit dem Gesetzentwurf: das Geld, das dafür zur Verfügung steht, möglichst schnell weiterleiten, damit insbesondere auch Wohnungsbaugenossenschaften gut arbeiten können. Ziel muss sein, möglichst schnell neuen Wohnraum und insbesondere kleinere Wohnungen in den Städten Schleswig-Holsteins zu schaffen.

Ganz, ganz wichtig und für uns als SSW entscheidend: Es muss bezahlbarer Wohnraum sein. Auch für Schüler, Studenten, Rentner oder alleinstehende Leute muss es möglich sein, in Schleswig-Holstein vernünftig zu wohnen. Das muss das Ziel all unserer Bemühungen sein. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Thomas Hölck.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Höhe der Baukosten ist mehrfach angesprochen worden. Die Baukosten werden zurzeit durch die Bauindustrie diktiert, weil die Bauindustrie aus- und überlastet ist. Weil Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, ist es wichtig, Impulse zu setzen, um Wohnraum zu schaffen und die Baukosten zu senken.

Die Frage der Standardabsenkung spielt da eine Rolle. Sie ist zwar keine Pflicht, kann aber dazu beitragen, dass Impulse gesetzt werden, weil Baukosten für den Wohnungsbau gesenkt werden.

Wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten vier bis fünf Jahren 20.000 Wohnungen zu bauen, dann scheitert die Integration in Schleswig-Holstein. Dann wird der soziale Friede gefährdet. Der wird nicht gefährdet, weil Balkone fehlen, sondern er wird gefährdet, weil Wohnungen fehlen, Herr Kubicki.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Insofern kann man zu dem Ergebnis kommen, auf gewisse Standards zu verzichten - immer unter der Voraussetzung, dass man nachrüsten kann und wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das können auch private Investoren machen, nicht?)

- Natürlich, ohne Frage! Es ist vom Kollegen Lehnert gesagt worden, man möge der Wohnungsnot doch mit dem Bau von Eigenheimen begegnen. In Bilsen kann man ohne Frage Eigenheime bauen,