Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Peter Lehnert)

Es ist klar, dass Vorratsdatenspeicherungen die Zahl der begangenen schweren Straftaten nicht abgesenkt hat, dass sie die Zahl der aufgeklärten Straftaten nicht erhöht hat. Nachdem sogar der Bundestag gehackt worden ist, wer kann da ernsthaft behaupten, ein komplettes Datenabbild unserer Kontakte und Bewegungen wäre bei Telekommunikationsunternehmen sicher vor Missbrauch?

(Beifall PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der ehemalige Verfassungsrichter Professor Grimm sagte einmal:

„Der allwissende Staat wird schnell zum allmächtigen Staat.“

Deswegen ist es unsere Verantwortung als Schleswig-Holsteinischer Landtag, das zu unternehmen, die Mittel zu nutzen, die wir haben, um die Vorratsdatenspeicherung zu stoppen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hans-Jörn Arp, so langsam habe ich das Gefühl, das Thema Vorratsdatenspeicherung versucht, dem Thema A 20 den Rang streitig zu machen. Nichtsdestotrotz wollen wir dann gern an dieser Stelle noch ein weiteres Mal unsere Positionen austauschen.

Die CDU hält eine maßvolle und mit Augenmaß geregelte Vorratsdatenspeicherung für richtig und notwendig.

(Beifall CDU)

Sie ist ein wichtiges Ermittlungsinstrument und dient der Aufklärung schwerer Straftaten sowie der Terrorabwehr.

Wenn Sie hier eben von einem eklatanten Verfassungsbruch sprachen, lieber Herr Kollege Breyer, dann wird man das Gefühl nicht los, dass es Ihnen bei diesem Thema, das zugegebenermaßen eine Herzensangelegenheit von Ihnen ist, völlig egal ist, ob Ihre Argumente noch etwas mit der Realität zu tun haben oder nicht.

(Beifall CDU)

Das Märchen, Höchstspeicherfristen seien verfassungs- und europarechtlich nicht möglich, wird auch durch ständiges Wiederholen nicht richtig und nicht Realität. Die Maßgaben vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof machen das ja nur zu deutlich. Beide schließen Höchstspeicherfristen nämlich ausdrücklich nicht aus, sondern definieren klare Regelungen, wie diese zu gestalten sind. Das Gesetz der Großen Koalition zu den Höchstspeicherfristen, das Justizminister Maas und Innenminister De Maiziere sorgfältig erarbeitet haben, wird diesen Kriterien gerecht.

Deshalb ist eine Klage aus Schleswig-Holstein unnötig. Sie ist auch deswegen unnötig, da sich bei einem Thema, das durchaus umstritten ist - Sie haben darauf hingewiesen - bereits Kläger gefunden haben. Herr Breyer, Sie können es ja auch noch einmal versuchen.

Das Gesetz gilt, und das ist für die Sicherheitsorgane und unsere Sicherheit wichtig. Herr Innenminister, es gibt keinen Grund, vor einer Umsetzung in Landesrecht ein erneutes Urteil abzuwarten. Wenn Sie das Instrument der Höchstspeicherfristen inzwischen auch selber für wichtig und richtig halten, dann setzen Sie es bitte um! Mir ist klar, welche Probleme innerhalb Ihrer Koalition dem entgegenstehen. Nichtsdestotrotz, wenn Sie den Koalitionsvertrag zwischen Rot, Grün und SSW noch einmal gründlich lesen, werden Sie feststellen, dass auch dort einer Umsetzung in Landesrecht nichts entgegensteht. Denn der Formulierung des Koalitionsvertrags nach werden Sie lediglich aufgefordert, gegen eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene zu arbeiten. Das ist natürlich auch falsch. Aber diese Regelung gibt es jetzt. Also setzen Sie sie bitte um! Sonst werden wir das künftig machen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben der 23. August 2013, der 21. November 2013, der 12. Dezember 2013, der 9. April 2014, der 19. März 2015, der 19. Juni 2015 und der 16. Juli 2015 gemeinsam?

(Zurufe)

(Dr. Patrick Breyer)

An diesen Tagen hat der Schleswig-Holsteinische Landtag über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert, immerhin siebenmal in zwei Jahren. Der Kollege Arp kann jetzt mal nachgucken, ob er da mithalten kann. Die Koalition hat ihre Ablehnung immer deutlich gemacht. Offenbar möchte der Kollege Breyer aber die 10 vollkriegen. Gibt es da neue Leistungskriterien bei den PIRATEN-Parteitagen, von denen wir noch nichts mitbekommen haben?

(Zurufe)

- Okay, ich wollte Ihnen keine Leistungskriterien unterstellen. Entschuldigung, ich nehme das zurück.

(Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe)

- Ich wollte nichts unterstellen. - Ihre Kleine Anfrage hat ergeben, dass Schleswig-Holstein nicht auf Vorratsdaten zugreift - Herr Breyer, übrigens gegen Ihre Vermutung; deshalb sollten wir eigentlich das Landesverwaltungsgesetz ändern, Sie erinnern sich; Sie hatten auch in diesem Punkt juristisch nicht recht -, vermutlich zu Ihrer Enttäuschung, denn eine lobende Pressemitteilung von Ihnen habe ich nicht wahrgenommen. Sie waren wahrscheinlich enttäuscht, dass wir darüber dann nicht reden konnten. Deshalb erwähne ich noch einmal, dass sich aus dem Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein keine Ermächtigungsgrundlage für die Vorratsdatenspeicherung, für deren Nutzung, ergibt und dass wir sie deshalb konsequenterweise zurzeit auch nicht nutzen. Darum ging es in zwei Plenardebatten, die ich gerade genannt habe.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Reden Sie zur Sache!)

- Herr Kollege Breyer, ich rede zur Sache. Ehrlich gesagt ist es mir überlassen, ob das zur Sache gehört oder nicht.

(Vereinzelter Beifall SPD, CDU und SSW)

Ich finde es spannend, dass Sie die Ermächtigungsgrundlage zur Vorratsdatenspeicherung im Landesverwaltungsgesetz nicht für zur Sache gehörig halten. Da könnte man fast dem Kollegen Bernstein beipflichten.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung soll Verfassungsklage gegen ein Bundesgesetz einlegen. Zunächst einmal können wir den Mehrwert nicht erkennen. Es sind bereits diverse Verfassungsklagen eingereicht worden, zum Beispiel auch vom Kollegen Kubicki.

(Zurufe)

- Ja, seine Erklärung ist aber nicht richtig. Das Bundesverfassungsgericht hat genau den gleichen Prüfungsrahmen. Das weiß er auch ganz genau. Unser Bundesverfassungsgericht lässt sich doch nicht von einem Paukenschlag beeindrucken. Wenn der Kollege Breyer meint, der Kollege Kubicki beziehungsweise die 20 Kollegen von der FDP hätten in der Klageschrift etwas übersehen, kann er das in seiner eigenen Klageschrift gern nachtragen.

Politisch ist es aber unklug, wenn ein Landesgesetzgeber eine Landesregierung auffordert, gegen ein ihm nicht genehmes Gesetz Verfassungsklage einzureichen. Natürlich steht es jedem zu, gegen die Anwendung einer gesetzlichen Regelung Verfassungsbeschwerde zu erheben. Man kann übrigens den Eindruck haben, dass Herr Breyer das zu seinem persönlichen Hobby gemacht hat. Im Gegensatz dazu wird aber die Verfassungsklage einer Landesregierung durchaus als unfreundlicher Akt gegenüber Bundestag und Bundesregierung verstanden,

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

weil man die politische Debatte nicht gewonnen hat. Deshalb sollte man sich so ein Mittel gut überlegen und nur als Ultima Ratio einsetzen, um schweren Schaden vom eigenen Bundesland abzuwenden.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: So ist es! - Beifall PIRATEN)

Im Gegensatz zu Ihnen sehen wir diesen schweren Schaden allerdings nicht, ja wir sehen noch nicht einmal einen Mehrnutzen, denn - wie gesagt - es sind mindestens vier Verfassungsklagen anhängig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den PIRATEN, hier ist nicht Bayern, und Ministerpräsident Albig ist nicht Horst Seehofer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe)

Wir setzen uns hier politisch und gesetzgeberisch auseinander. Sie sollten aufpassen, an der Stelle keinen Popanz aufzubauen. Ob die Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der Verfassung war oder nicht, entscheidet das Bundesverfassungsgericht und weder Sie noch ich. Man kann Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit haben, aber darüber urteilt das Bundesverfassungsgericht, und das können wir hier alle in Ruhe abwarten.

Zum Schluss wage ich einmal eine Prognose: Die Vorratsdatenspeicherung wird vermutlich nicht direkt vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern,

(Dr. Kai Dolgner)

wenn man sich die Entscheidungsgründe von 2010 genauer anguckt und das mit dem derzeitigen Gesetz vergleicht, sondern erst nach Vorlage beim EuGH, allein - da unterscheiden wir uns, Herr Dr. Bernstein - schon, weil der Schutz von Berufsgeheimnisträgern ein schlechter Witz ist.

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

- Ach, Sie halten das nicht für einen schlechten Witz, Herr Kollege? Das können Sie nachher gern vortragen. Ansonsten habe ich Ihren Zwischenruf leider nicht verstanden.

(Uli König [PIRATEN]: Schade!)

Im Übrigen verweise ich auf meine Beiträge, auch was die europäische Richtlinie beziehungsweise das Aufhebungsurteil dazu anbetrifft, in den übrigen Plenardebatten und schenke Ihnen meine restlichen 11 Sekunden.

Wir können das auch noch drei- oder viermal wiederholen. Vielleicht haben wir bis zum Ende der Legislaturperiode ein entsprechendes Urteil, oder wir haben es nicht.