Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

um eine diskriminierungsfreie Formulierung bei der Anamnese im Rahmen der Blutspende zu finden.

Ich freue mich auf die Überweisung in den Fachausschuss und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Herr Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Blutspendebereitschaft nimmt in Deutschland laut Statistik seit dem Jahr 2011 wieder stetig ab. Ein paar Jahre lang davor war die Entwicklung leicht positiv. Während 2011 das Blutspendevolumen noch bei circa 4,93 Millionen Blutspenden lag, waren es 2014 nur noch 4,32 Millionen Blutspenden.

Unser Gesundheitssystem funktioniert allerdings nur mit Blutspenden. Der Bedarf ist zurzeit ungefähr doppelt so hoch wie die Spendenbereitschaft. Deshalb ist es wichtig, dass alle diejenigen, die gesund sind, Blut spenden. Das haben wir auch im Landtag erkannt. Deshalb findet bereits seit 2005 jährlich bei uns durch das Rote Kreuz eine Blutspendeaktion für alle Mitarbeiter und Abgeordnete statt.

Für wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Abgeordnete? - Nein. Der Kollege Garg darf zum Beispiel nicht spenden, ich darf zum Beispiel nicht spenden, und einige andere dürfen es auch nicht. Auch bei uns gilt das Blutspendeverbot für bestimmte Gruppen. Menschen sind beispielsweise aufgrund ihrer sexuellen Orientierung automatisch ausgeschlossen. Homo- oder bisexuelle Männer, sind völlig unabhängig davon, ob sie häufig wechselnde Sexualpartner haben oder seit Jahrzehnten mit demselben Partner zusammenleben, von der Blutspende ausgeschlossen, auch wenn sie sich gern beteiligen würden und ihr Blut genauso gut Leben retten könnte wie das von allen anderen gesunden Menschen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Beifall Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Der Umstand, allein ein einziges Mal als Mann Sexualverkehr mit einem anderen Mann gehabt zu haben, bringt einen nach geltendem Regelwerk automatisch in eine höhere Risikogruppe, unabhängig davon, wie lange der Sexualkontakt zurückliegt. Dabei werden alle Blutspender völlig zu Recht klaren Tests unterzogen. Darauf sind einige Vorredner schon eingegangen. Das Blutspendeverbot für biund homosexuelle Männer ist deshalb vor allem eines, es ist diskriminierend. Das Blutspendeverbot spielt mit üblen Vorurteilen gegenüber homo- und bisexuellen Männern. Es wird bi- und homosexuellen Männern unterstellt, generell viele wechselnde Sexualpartner zu haben und unvorsichtiger mit Geschlechtsverkehr umzugehen. Dies befördert homophobe Vorurteile und ist deshalb schädlich, die Kollegin Lange ist darauf eingegangen. Nach Schätzungen sind unter 1 % der homo- und bisexuellen Männer mit HIV infiziert, aber alle leiden unter diesem Stigma.

Es geht nicht um die sexuelle Orientierung, sondern um das individuelle Sexualverhalten eines jeden Einzelnen. Deshalb ist es richtig, dass das Blutspendeverbot für bi- und homosexuelle Männer gelockert werden soll. Wir danken den PIRATEN für den Antrag, den sie aus dem Saarland nach Schleswig-Holstein geholt haben. Aus unserer Perspektive sollte Deutschland das Blutspendeverbot aufheben und es Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal und Spanien gleichtun und nur das individuelle Risikoverhalten abfragen. Das ist der deutlich bessere Weg.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN, Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Oder man macht es zumindest so wie in Australien, auch darauf sind Kollegen schon eingegangen. Dort werden in einem ersten Schritt Männer, deren Sexualkontakt mit anderen Männern 12 Monate zurückliegt, generell zugelassen. Auch das wäre ein Weg, um mit dieser Thematik besser umzugehen.

Gerade das Problem bei der Erkennung von frischen Infektionen kann so nämlich ausgeschlossen werden. Die untersuchten Blutgruppen wiesen kein höheres Risiko aus als zu Zeiten des Pauschalverbots. Das haben Untersuchungen gezeigt, nachdem die Regelungen in Australien geändert wurden. Jede Blutprobe wird medizinisch professionell geprüft. Darauf kommt es aus unserer Sicht an, und darauf muss man sich in unserem Gesundheitssystem verlassen können, ganz unabhängig davon, wer der Spender ist.

(Simone Lange)

Allerdings gelten die Lücken in Bezug auf Neuinfektionen, die es durchaus gibt und die auch schon Thema hier in der Debatte waren, nicht nur für alle homo- oder bisexuellen Menschen, sondern auch für alle anderen, die theoretisch ein risikobehaftetes Sexualverhalten haben können. Daher glauben wir, dass dieses Verbot nicht nur homo- und bisexuelle Männer diskriminiert, sondern auch viele andere Gruppen, denen man ebenso mit pauschalen Unterstellungen begegnet.

Daher glauben wir, dass wir in der Tat im Ausschuss im Rahmen einer Anhörung noch einmal über diese Frage reden sollten, und zwar auch mit den unterschiedlichsten Verbänden, mit dem medizinischen Bereich, aber auch mit den Menschenrechtsgruppen, die sich in dieser Thematik engagieren. Mit ihnen sollten wir noch einmal in den Dialog kommen. Die Kollegin Rathje-Hoffmann hat das Paul-Ehrlich-Institut und die Bundesärztekammer als wichtige Akteure genannt. Ich würde noch das Robert-Koch-Institut hinzufügen, das sich schon im Jahr 2012 für eine Lockerung ausgesprochen hat und dies auch mit medizinischem Sachverstand getan hat. Dort hat man sich nicht auf einer grundsatzpolitischen Erklärung ausgeruht.

Wir freuen uns auf diese Debatte. Wir Grüne sind uns genauso sicher wie alle anderen, die dies schon zum Ausdruck gebracht haben, dass wir bei diesem Thema - wie übrigens bei anderen Themen auch in ein paar Monaten einstimmig einen Beschluss fassen können und dass wir nach dem Saarland dann auch aus Schleswig-Holstein ein Signal senden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt CDU)

Für die FDP hat jetzt der Herr Abgeordnete Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rasmus Andresen, nach diesem Public Outing, dessen es eigentlich gar nicht mehr bedurft hätte, will ich nur ein paar Anmerkungen machen. Erstens. Als relativ frisch gewählter Abgeordneter schlich ich ziemlich verschämt an genau dieser Blutspendeaktion des DRK vorbei, weil die Mitarbeiterin, die auf mich zukam, mich gefragt hatte: Sagen Sie, Herr Garg, wollen Sie nicht auch Blut spenden? - Ich habe mich irgendwie geschämt,

habe irgendetwas in mich hineingemurmelt und bin einfach in unsere Fraktionsräume gegangen.

Ich erinnere mich daran, dass ich zwei oder drei Jahre später, und hoffentlich erinnert sich diese freundliche Mitarbeiterin nicht mehr an mich, genauso vorbeigegangen bin, allerdings damals schon mit einer gewissen Wut im Bauch. Ich habe sie regelrecht angeblafft und gesagt: Sie wollen mein Blut doch gar nicht. Das konnte die arme Frau natürlich nicht wissen, zugegeben, aber ich war einfach verärgert darüber, denn der Kollege Rasmus Andresen hat es - wie ich finde - auf den Punkt gebracht: Selbstverständlich ist das pauschale Verbot, das homosexuelle oder bisexuelle Männer kein Blut spenden dürfen, durch nichts gerechtfertigt.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Ich will es ausdrücklich betonen, und das hat die Kollegin Rathje-Hoffmann vollständig zu Recht angesprochen, selbstverständlich gilt es, bei der Abwägung zwischen dem Risikoausschluss und der Nichtdiskriminierung einen Weg zu finden, der beiden Seiten gerecht wird. Solche Wege gibt es, Sie haben sie genannt. Sie haben auf die anderen Länder hingewiesen.

Ich will noch zwei Anmerkungen machen, die aus meiner Sicht unbedingt im Ausschuss besprochen werden müssen:

Erstens. Herr Kollege Dudda, Sie nehmen das Wort „safe“ in den Mund. Ich bin in den frühen 80er-Jahren mit diesem Begriff - ich hätte beinahe gesagt sozialisiert worden, wie Sie es sich vorstellen können. In der Zeit nahm die Phobie HIV-positiven Männern gegenüber gerade erst an Fahrt auf, denn man wusste nicht, was das für eine Erkrankung ist. Man wusste nicht, wie man sie ordentlich therapiert. Sie wissen es, viele wissen es leider noch nicht, dass „safe“ heute nicht mehr automatisch nur bedeutet, dass man ein Kondom benutzt, sondern „safe“ bedeutet auch, dass man lange genug unter der Virusnachweisgrenze liegt. Die Frage ist, ob dies auch als „safe“ für Blutspenden gilt. Dahinter würde ich eher ein Fragezeichen machen. Darüber muss man sich im Ausschuss miteinander unterhalten.

Eine zweite Frage ist die der Testverfahren. Wenn man sich auf HIV testen lässt, dann wird in der Regel zunächst lediglich der Nachweis von Antikörpern geprüft, weil dies ein sehr viel einfacheres und kostengünstigeres Verfahren ist, als wenn man di

(Rasmus Andresen)

rekt auf das Virus testen würde. Auch darüber muss man sich im Klaren sein: Wenn man die Bestimmungen lockert, dann heißt das automatisch, dass man möglicherweise andere und weiterentwickelte Testverfahren zum Einsatz bringen muss. Es ist zu fragen, was dadurch möglicherweise an zusätzlichen Kosten auf uns zukommt. Wer soll diese Kosten tragen?

Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Vorrednerinnen und Vorrednern bedanken. Ich glaube, das, was nach wie vor nicht haltbar ist, ist die pauschale Gleichung Homosexualität: gleich HIV gleich Aids - früher hätte man vielleicht auch noch gesagt: gleich Tod. Vor diesem Hintergrund finde ich den Anstoß zur heutigen Debatte nicht nur vollkommen richtig, sondern er gibt uns möglicherweise die Gelegenheit, uns mit genau solchen pauschalen Vorurteilen, von denen wir wissen, dass sie gern zu pauschalen Verunglimpfungen führen, auseinanderzusetzen. Dies bietet die Gelegenheit, sich mit diesem sehr ernsten Thema auseinanderzusetzen, an dessen Ende in der Tat, und das kann ich für meine Fraktion schon heute sagen, stehen muss, dass es einen pauschalen Ausschluss von der Blutspende von homound bisexuellen Männern jedenfalls in Deutschland nicht mehr geben darf. Da ist auch die Bundesärztekammer heute weiter. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt PIRATEN und Beifall Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Beifall Martin Habersaat [SPD])

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich ganz froh, dass wir uns alle darüber einig sind, dass mit dem Antrag der PIRATEN eine wirklich gute Sache angestoßen wird. Wir müssen in der Tat schauen, dass wir Ungleichbehandlung aus der Welt schaffen; denn die Tatsache, dass homosexuelle und bisexuelle Männer grundsätzlich kein Blut spenden dürfen, ist nun wirklich ganz einfach diskriminierend. Diese Gruppe pauschal auszuschließen, ist eigentlich irrational, es ist völliger Blödsinn.

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Sowohl die grundlegende EU-Richtlinie - die gibt es nämlich immer noch, das darf man nicht vergessen - wie auch die nationale Umsetzung dieser EURichtlinie in Form des Transfusionsgesetzes sind längst überholt. Zwar sind homosexuell aktive Männer statistisch gesehen eine HIV-Risikogruppe. Aber das rechtfertigt noch lange nicht ihren generellen Ausschluss von der Blutspende. Auch hier ist der jeweilige Einzelfall zu prüfen. Das hat mein Kollege Flemming Meyer für den SSW an verschiedenen Stellen immer wieder klar gesagt.

Wir wissen, dass der Europäische Gerichtshof das zumindest ähnlich sieht. Denn hier wurde im letzten Jahr ein Fall aus Frankreich verhandelt und entschieden, dass ein solches Spendeverbot nur rechtens ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Da ist dann genannt, dass ein pauschales Verbot eben gerade nicht zulässig ist. Also auch nach der Rechtsprechung müssen wir handeln. Selbst wenn wir es politisch noch nicht wollten, was zum Glück aber anders ist, müssten wir auch aus rechtlichen Gründen eben heute oder in der nächsten Zeit handeln.

Voraussetzung, vom Spenden ausgeschlossen zu werden, ist zum Beispiel ein hohes Übertragungsrisiko für Infektionskrankheiten wie AIDS, aber auch anderer. Da ist AIDS dann genau das Gleiche wie eine andere Infektionskrankheit eben auch. Dieses Risiko können heterosexuelle ganz genauso haben wie homosexuelle Menschen.

Bekanntlich sind die Ausschlusskriterien nicht im Transfusionsgesetz selbst festgeschrieben. Hier wird auf Richtlinien verwiesen, die die Bundesärztekammer in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut entwickelt hat. Neben dem Sexualverhalten sind demnach auch Krankheiten wie Diabetes oder eine Drogenabhängigkeit ein Ausschlusskriterium. All diese Dinge werden vorab per Fragebogen abgefragt. Offenbar sind selbst Menschen, die in einem gewissen Zeitraum in Großbritannien gelebt haben, von einer Spende ausgeschlossen. Der Grund hierfür ist, dass sie rein theoretisch durch den Verzehr von Fleisch den Erreger der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit übertragen bekommen haben könnten. Gerade weil sich auch im Bereich der Diagnostik vieles getan hat, muss man sich hier dringend mit einer Überarbeitung befassen. Es ist richtig, was der Kollege Garg gesagt hat: Dann geht es eben auch darum, dass man die Art, wie man Dinge technisch abprüft, neu überlegt. Ich glaube, das ist der Kern unserer Ausschussberatung, nicht so sehr, ob wir es machen wollen, sondern wie es dann entsprechend umgesetzt wird.

(Dr. Heiner Garg)

(Beifall PIRATEN, Anke Erdmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Aus Sicht des SSW geht der vorliegende Antrag also in die absolut richtige Richtung. Wir halten jeden potenziellen Spender für vernunftbegabt und gewissenhaft. Wir brauchen mehr Menschen, die Blut spenden und dadurch Leben retten. Das sollte das eigentliche Ziel sein, über das wir uns unterhalten. Ganz ohne Frage muss der umfassende Schutz der Empfänger immer oberste Priorität haben. Dafür müssen wir aus meiner Sicht jeden Einzelfall genau prüfen.

Letztlich muss die detaillierte Befragung zu verschiedenen Risikofaktoren an die Stelle des Komplettverbots treten. Homosexuelle leben ja nun genauso häufig monogam wie Heterosexuelle. In beiden Gruppen gibt es Menschen, die sich besonders risikoreich verhalten. Ich erkenne hier im Haus eine große Bereitschaft, sich im Sinne des Antrags einzusetzen. Wir sollten uns also die Zeit nehmen, im Ausschuss zu schauen, wie man das Ganze direkt umsetzen kann. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung.

Für uns ist es wichtig, viele Menschen zu motivieren, Blut zu spenden. Ich glaube, das vergisst man immer in der Diskussion. Man schaut immer auf die Probleme und weniger auf das, was man eigentlich will. Wir wollen eigentlich, dass alle spenden können. Wir glauben auch, dass, wenn Fragebögen gemacht werden, Leute ehrlich antworten, dass die Leute vernunftbegabt sind. Im Einzelfall mag das manchmal nicht so sein, aber im Regelfall ist es so. Wenn man da vernünftig arbeitet, vernünftig abfragt, bekommt man es hin, dass wir vielleicht auch mehr Blutspenden generieren können. Das wäre doch eine tolle Sache. - Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor, dann hat jetzt die Landesregierung das Wort. - Das Wort hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Frau Kristin Alheit.

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung hat das Anliegen der vorliegenden Anträge bereits 2013 im Rahmen der 86. GMK gemeinsam mit anderen Ländern aufgegriffen Die

Konferenz hat damals die Bundesärztekammer, das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut gebeten zu prüfen, inwieweit der Dauerausschluss von der Blutspende von Männern, die Sexualverkehr mit Männern hatten oder haben, ohne Risikoerhöhung für die Empfänger abgeändert werden kann, und zwar so, dass er seitens der Betroffenen nicht weiterhin als Diskriminierung empfunden wird.

Infrage kommt hier insbesondere eine zeitlich befristete Rückstellung, die auf den Zeitpunkt des letzten Risikoverhaltens abstellt. Der Vorstoß der Länder beinhaltete die Prüfung, ob europäische Richtlinien oder arzneimittelrechtliche Vorgaben einer Abänderung des Dauerausschlusses entgegenstehen, der für Deutschland in der HämotherapieRichtlinie festgelegt ist. Dieser Ausschluss betrifft im Übrigen nicht nur Männer - es wurde darüber gesprochen -, die Sexualkontakte zu Männern haben, sondern eine Reihe weiterer Personengruppen, die aufgrund von gesundheitlichen Dispositionen oder ihres Verhaltens als Risikogruppen für die Sicherheit von Blutspenden ausgemacht wurden.

In diesem Fall macht sich diese Einschätzung an der statistisch herausragenden, leider eben immer noch bestehenden Betroffenheit von HIV-Infektionen fest. So entfielen etwa 2012 immer noch rund drei Viertel aller HIV-Neuinfektionen auf Männer, die Sex mit anderen Männern hatten. Richtig ist: Dieses statistische Risiko hängt konkret vom individuellen Verhalten ab. Auf diese individualisierte Risikobetrachtung zielen die angesprochenen Bestrebungen einer Anpassung der deutschen Hämotherapie-Richtlinie ab.

Allerdings sind Bundesärztekammer einerseits und Paul-Ehrlich-Institut und BMG andererseits unterschiedlicher Auffassung, ob eine Änderung der deutschen Richtlinie mit einer übergeordneten Europäischen Richtlinie über die Sicherheit von Blut und Blutbestandteilen vereinbar ist.

Anliegen der Landesregierung wie auch der anderen Akteure ist ein bestmöglicher Schutz der Sicherheit von Spenderblut und Blutprodukten. Dies erfordert strenge Maßnahmen zur Risikominimierung, und der begründete Ausschluss von Risikogruppen ist dazu ein ganz wesentlicher Beitrag, wobei das Wort „begründet“ unterstrichen werden muss, denn der Ausschluss von HIV-Risikogruppen hat auch etwas damit zu tun - wir haben das eben schon gehört -, dass eine HIV-Infektion erst dann positiv getestet werden kann, wenn mehrere Wochen vergangen sind. Daraus ergibt sich leider immer eine Sicherheitslücke.