Frau Ostmeier, Sie haben behauptet, der Bundesgerichtshof habe eine sehr restriktive Rechtsprechung angewandt. Ist Ihnen bekannt, dass der BGH seit 2005 seine Rechtsprechung in diesem Bereich geändert und erklärt hat, dass allein eine psychische Zwangseinwirkung auf das Opfer ausreichend ist, um den Tatbestand zu erfüllen?
Ja, das ist mir bekannt. Deswegen sind wir uns aber trotzdem einig, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe auf Bundesebene weiter diskutiert werden müssen. Ich denke, dass wird auf Bundesebene auch passieren. Jetzt würde ich aber gerne meine
Rede fortsetzen; denn die Lücken sind da. Insofern sind wir uns auch einig, auch wenn sich die Rechtsprechung schon geändert hat.
- Dann sind wir uns eben nicht einig. Wir müssen uns aber auch nicht in jedem Punkt einig sein, Herr Kubicki.
Ich habe dazu eine Meinung, und diese ist auch deutlich juristisch geprägt. Ich habe darauf hingewiesen, dass es auch der Wunsch der Frauenorganisationen ist, ein praxistaugliches Gesetz zu schaffen, das justiziabel ist. So einfach das Ziel auch definiert ist, so schwer ist die Umsetzung in einem Gesetz und seine spätere Anwendung. Genau deshalb dauert es so lange, bis auf Bundesebene ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Genau deshalb müssen wir genau hinschauen.
Kritische Anmerkungen in Literatur und Rechtsprechung weisen nicht ganz zu Unrecht auf die entstehenden Beweisschwierigkeiten hin, wenn ein Straftatbestand auf den Willen des Opfers, seinen inneren Willen, abgestellt wird.
1. sexuale Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind, …“
Mich überrascht, dass dieser Paragraf in den Debatten überhaupt nicht auftaucht. Ich denke, wenn man die Grenze der Erheblichkeit einzieht, dann besteht die Möglichkeit, Eingrenzungen vorzunehmen. Dies überrascht mich allerdings. Ich denke, dass das auch auf Bundesebene diskutiert wird.
Wir brauchen ein Gesetz, das klarstellt, dass nicht jeder zwischenmenschliche Verkehr unter Strafe gestellt wird. Natürlich ist es auch richtig, dass das nicht zu einer Beweislastumkehr führen muss. Darüber sind wir uns doch einig. Wir sind uns doch größtenteils einig, dass wir Lücken schließen müssen. Wir sind uns auch einig, dass es gilt, gründlich zu arbeiten; denn weitere Fehlversuche auf diesem Gebiet dürfen wir uns auf gar keinen Fall leisten.
Die vorliegenden Anträge haben gar keinen konkreten Gesetzentwurf zum Gegenstand. Ich verstehe das so, dass wir hier unser Einverständnis geben sollen, gegenüber dem Bund Nachdruck zu signalisieren, diesem Auftrag gerecht zu werden. Deswe
Ich hoffe sehr, dass der Reformwille auf Bundesebene dazu führt, ein praxistaugliches, justiziables Gesetz auf den Weg zu bringen, um dem Problem gerecht zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie die Vorfälle, die sich in der Silvesternacht nicht nur in Köln, sondern in einigen anderen Städten - auch in Schleswig-Holstein - ereignet haben, rechtlich zu bewerten sind und ob das gemeinsame Vorgehen in einer Gruppe bereits unter das bestehende Sexualstrafrecht zu subsumieren ist, ist ebenfalls keine leichte Fragestellung. Natürlich erfordern gesellschaftliche Veränderungen das Überdenken bestehender Handlungsmöglichkeiten und -instrumente. Ob es auch hier einer Anpassung der bestehenden Vorschriften bedarf, wird auch in unserem Land von namhaften Juristinnen und Juristen sehr kontrovers diskutiert. Ich erwarte auch, dass dies in die Reformberatungen in Berlin mit einbezogen und fachlich miteinander diskutiert wird.
Die eventuelle Gesetzesänderung wäre aber nur ein Baustein eines wirksamen Maßnahmenpaketes. Viel wichtiger ist es, dass Polizei und Justiz in die Lage versetzt werden, Gewalt, Nötigung, Raub und sexuellen Übergriffen im öffentlichen Raum wirksam zu begegnen und die Menschen wirksam zu schützen.
Das Phänomen ist - das hat die letzte Debatte im Landtag gezeigt - ein komplett neues. Es ist ein Phänomen, das wir so nicht kannten. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen bei solchen Vorfällen - überwiegend Frauen, aber nicht nur nicht schutzlos fühlen. Dafür müssen wir die Polizei sächlich und personell so gut ausstatten, dass sie diesen Schutz auch gewähren kann. Sie leistet großartige Arbeit; da sind wir uns alle einig.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Instrumente, die wir haben, tatsächlich ausreichen. Die CDU hat eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum mehrfach beantragt. Wir haben mehrfach gefordert, die Polizeipräsenz an Gefahrenschwerpunkten zumindest zu verstärken.
Ich hoffe, dass alle Instrumente genutzt werden, und ich wünsche mir, dass wir schnell zu Lösungen kommen und dass unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und die Justiz alle Unterstützung des Parlaments bekommen, damit die Menschen sich in unserem Land wieder sicher oder weiter sicher - „weiter sicher!“; das zu sagen, ist mir wichtig - fühlen können. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein heißt Nein, das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber manchmal leider nicht. In Deutschland erleidet jede siebte Frau schwere sexualisierte Gewalt, jede vierte - jede vierte! - erlebt sexuelle Übergriffe. Nur bei einem Bruchteil der Taten - das hat die Kollegin Lange gerade eben schon ausgeführt - kommt es überhaupt zu einer Verurteilung. Die Dunkelziffer ist erschreckend hoch. All das ist für uns Anlass genug, dass wir das Strafrecht verändern wollen. Es hat Lücken, und die wollen wir schließen.
Der § 177 Strafgesetzbuch - darauf habe ich nur gewartet - ist in vielen Fällen nicht ausreichend. Bisher ist es, vereinfacht gesprochen, so, dass die Strafbarkeit von der gezielten Anwendung von Gewalt oder von der Gegenwehr der Betroffenen abhängig ist. Auch da bin ich mit der Kollegin Lange einer Meinung. Wir sprechen in der Regel von Frauen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es sich bei Opfern sexueller Gewalt auch um Männer handeln kann, ein Phänomen, das vielleicht auch noch einmal an anderer Stelle diskutiert werden sollte.
Wenn es in dem praktischen Erleben der Frauen, die Opfer einer Straftat werden, aber so ist, dann bedeutet das: Verhält sich das Opfer nicht richtig, geht der Täter straffrei aus. Das kann doch wohl nicht wahr sein, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir halten das für falsch, und ich kann verstehen, dass die Frauenverbände dies seit Jahren anprangern - völlig zu Recht, wie ich finde.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert jetzt, jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. Das entspricht auch der sogenannten Istanbul-Konvention, die unsere Justizministerin gerade eben schon angeführt hat. In diesem Übereinkommen ist genau das vereinbart, und das deutsche Sexualstrafrecht kommt dieser Vereinbarung nicht nach. Da ist eine Lücke, die geschlossen werden muss, lieber Herr Kollege Kubicki.
Liebe Kollegin Ostmeier, wenn Sie auf die CDU im Bund Einfluss nehmen können, würde mich das sehr freuen - ich lasse jetzt einen kleinen Teil meiner Rede weg -; denn nach unseren Informationen hat die grüne Bundestagsfraktion am 1. Juli 2015, also lange vor Silvester, einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Bisher wird dieser nach Strich und Faden - das sind meine Informationen blockiert. Wenn Sie nach der heutigen Debatte irgendetwas tun könnten, durch das Bewegung in diese Initiative hineinkommt, würde ich mich sehr freuen.
Sehr geschätzte Frau Dr. Bohn, ich hatte gedacht, wir könnten uns dieses Gerangel, wer nun zuerst tätig geworden ist, heute ersparen. Aber es gehört zur Wahrheit dazu - das wissen Sie auch -, dass ein Regierungsentwurf des Justizministers Maas in der Kabinettsberatung ist und dass die CDU-Bundestagsfraktion im Jahr 2014, also weit vor den Grünen, angeregt hat, zu einer Überarbeitung des Sexualstrafrechts zu kommen. Es ist richtig, es liegen zwei Gesetzentwürfe vor, einer von den Linken und einer von den Grünen. Ich denke, sie werden auch miteinander beraten, wenn die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf dann so
Da das ein komplexes Thema ist, habe ich volles Verständnis dafür, dass sich der Justizminister Maas auch die Zeit nimmt, das zu überlegen. Das habe ich, glaube ich, eben deutlich gemacht. So einfach ist die Sache nämlich nicht.
Dass wir Druck machen wollen - ich bin gleich fertig -, habe ich unterstrichen. Deswegen unterstützen wir ja auch Ihre Initiative.
- Liebe Kollegin Ostmeier, der letzte Satz hat mir sehr gut gefallen. Ich habe ja auch gesagt, ich habe einen Teil meiner Rede schon etwas entschärft beziehungsweise zurückgenommen, weil Ihre Rede ja durchaus im Sinne der Sache und nach vorne gerichtet war. Ich kann Ihnen nur sagen - das ist die Information, die ich von meiner Bundestagsfraktion bekommen habe -, dass leider nicht im Raum steht, dass die verschiedenen Gesetzentwürfe in die Beratung einbezogen werden, und dass es nicht das Ziel ist, zu einer gemeinsamen Initiative zu kommen. Vielleicht ändert sich das ja. Wenn Sie sich dafür einsetzen, freut mich das sehr.
Ich glaube aber, es ist besser, wenn wir uns damit beschäftigen, was wir hier in Schleswig-Holstein auf den Weg bringen können. Ehrlich gesagt, da war ich angenehm überrascht von Ihrer Rede. Ich freue mich sehr, wenn es so ist, wie Sie es angekündigt haben, dass Sie der Initiative am Ende Ihre Unterstützung geben werden.
- Das hat sich erledigt. - Dann bitte ich Sie um die Genehmigung einer Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner.