Protokoll der Sitzung vom 27.04.2016

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Hören Sie mit Ihrer Kalte-Krieg-Rhetorik auf, wir würden hier immer nur Naturschutz gegen die Menschen statt mit den Menschen machen. Zum Knickschutz habe ich schon gesagt, eine Vereinbarung zwischen Naturschutz und Bauernverband läuft gut.

Auch beim Vorkaufsrecht wird ein Popanz aufgebaut, von dem selbst der Bauernverband sagt, es spielt keine Rolle. Als wir noch das allgemeingültige Vorkaufsrecht hatten, galt das vielleicht drei- bis fünfmal im Jahr. Auch mehr Mittel, die wir durch Ausgleich zur Verfügung haben, mehren nicht den Anteil der Flächen, die auf dem Markt sind. Das wissen Sie auch ganz genau.

Naturwaldflächen werden rechtlich abgesichert. Schleswig-Holstein war noch nie so weit. Darauf bin ich richtig stolz, dass wir das geschafft haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese komische Rechnung, die Sie und Ihr Kollege Koch immer wieder aufmachen wollen, dass das ein Verlust für die Landesforsten ist, haben wir im Finanzausschuss und im Umweltausschuss rauf und runter erklärt. Ich bin nicht bereit, das jetzt noch einmal zu machen. Wir erfüllen damit ein Ziel der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung, die diese 2007 verabschiedet hat. Vielleicht können Sie

so weit zurückdenken und überlegen, wer damals an der Regierung war.

Das Gleiche tun wir mit dem Ziel, den Biotopverbund zu stärken. Wir haben jetzt schon weit über 10 % der Flächen in der Vernetzung. Wir haben als Ziel festgelegt, 15 % zu erreichen. Davon sollen 2 % Wildnisgebiete sein. Auch das ist ein Ziel der Biodiversitätsstrategie der CDU-FDP-geführten Bundesregierung 2007.

In Bezug auf naturnahe Wälder haben Sie gesagt, wir könnten uns alle kein Carport mehr bauen, weil Nadelholzanbau verboten wird. Das ist so schräg!

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Über Satire sprechen wir morgen noch. Aber das hier ist absolut verrückt. Natürlich werden weiterhin Nadelbäume angebaut. Christian und Kyrill haben aber gezeigt und auch zukünftige Sturmereignisse werden es zeigen, dass unsere Wälder, insbesondere die Nadelwälder, die gar nicht auf diesen Boden gehören, gegen Sturmereignisse und den Klimawandel überhaupt nicht gewappnet sind. Deswegen macht es Sinn, eine Formulierung zu haben, dass wir möglichst standortheimische Gehölze haben wollen. Es steht nicht mit drin, dass überhaupt kein anderes Gehölz, wie die Naturschutzverbände es fordern würden, angepflanzt werden kann. Wir sagen, es muss einen hinreichenden Anteil geben. Das heißt auch, dass eine Abwägungsmöglichkeit besteht. Erzählen Sie den Leuten nicht, dass sie für ihr Auto kein Dach mehr kriegen könnten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Was mich besonders freut, ist, dass wir mit der Ökokontenverordnung, die hier noch einmal präzisiert wird, die Grundlage für ein Ausgleichsflächenkataster schaffen, das in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten überfällig ist. Das ist nicht nur etwas, das dem Naturschutz hilft, um zu einem wirklich tatsächlichen und realen Ausgleich bei Eingriffen in Natur und Landschaft zu kommen. Das ist auch etwas, das den Planern von Eingriffen hilft, weil sie auf einen Blick sehr schnell erkennen können, wo ein Ausgleich möglich ist und wo er nicht möglich ist. Damit haben sie auch Rechtssicherheit.

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu den befriedeten Bezirken sage ich: Ja, wir sind das einzige Bundesland, weil das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte von der Bundesregierung nicht richtig umgesetzt wurde.

(Marlies Fritzen)

Wir sind der Meinung, dass sehr wohl auch Vereine, Verbände oder vielleicht auch die Kirchen sagen können: Wir lehnen aus ethischen Gründen die Jagd ab, deshalb wollen wir sie auf unseren Flächen nicht haben. Das kann man in einer Satzung festlegen. Damit wäre das auch justiziabel. Ich persönlich bin nicht gegen die Jagd. Ich bin auch der Meinung, dass dies vermutlich kaum realisiert werden kann. Es ist aber eine aus unserer Sicht rechtlich sichere Eins-zu-eins-Umsetzung dieses Urteils. Deswegen haben wir das erweitert.

Herr Rickers, noch einmal - auch da Legendenbildung ohne Ende -: Sie erzählen, dann dürften auf einer Nachbarfläche angeschossene Tiere nicht mehr den Fangschuss bekommen, um schneller sterben zu können. Sie wissen, dass das nicht stimmt, und doch stellen Sie sich hier immer wieder hin und erzählen solche Sachen, um den Leuten zu sagen, wir würden hier nur aus ideologischen Gründen ein Naturschutzgesetz verabreden - ein Naturschutzgesetz, das sehr zielgenau und effektiv Maßnahmen und Instrumente formuliert, das sehr zielgenau und effektiv auf Ordnungsrecht setzt, in dem Augenblick, in dem Freiwilligkeit allein nicht mehr reicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das wollen Sie nicht wahrhaben. Sie haben kein einziges Argument dagegen gebracht. Ihre Reden, wir müssten ja auch Naturschutz in der Stadt machen, sind wohlfeil. Dafür - das haben wir schon mehrfach gesagt - gibt es andere Gesetze. Darüber können wir uns gern miteinander unterhalten. Das kann man im Planungsrecht wunderbar regeln. Das Naturschutzgesetz ist aber kein Gesetz für Parks in Städten, Hinterhöfe oder kaputte Altbauten, sondern ein Gesetz für die freie Natur und Landschaft.

Meine Kollegin hat das mit den Hermelinen und Mauswieseln schon gesagt. Daran mögen Sie erkennen, und auch der Jagdverband erkennt es, dass wir durchaus nicht taub sind, sondern dass wir richtige und zielführende Hinweise aufnehmen. Das haben wir getan. Wir kommen aber nicht umhin, in der nächsten Legislaturperiode ein modernes Jagdrecht zu verabschieden, das voll umfänglich manche Dinge regelt und an die heutige Zeit anpasst. Wir sind mit dem Landesjagdverband darüber im Gespräch. Ich freue mich darauf. Der neue Präsident des Landesjagdverbandes hat mir gesagt, dass er bereit und Willens ist, mit uns gemeinsam solche Diskussionen zu führen. Ich bin ziemlich sicher, dass uns das in der nächsten Legislaturperiode auch gut gelingen wird.

Naturschutz ist kein Luxus. An 50 % bedrohten Arten kommen Sie, Herr Rickers, auch nicht vorbei. Naturschutz ist kein Luxus, den man sich nur leisten kann, wenn man die Ernte gut eingefahren hat. Die Trauerseeschwalbe weiß ein trauriges Lied davon zu singen. Gerade wir in Schleswig-Holstein sollten uns dies als Beispiel nehmen. Wir als Küstenkoalition wollen diesem Lied keine weitere Strophe hinzufügen. Deshalb ist dieses ein gutes Gesetz und ein guter Tag für den Naturschutz. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetzespaket mit Punkten wie Vorkaufsrecht, Knickschutz, Biotopverbund, artenund strukturreiches Dauergrünland, Gewässerrandstreifenbürokratie, Küstenschutzstreifen und der Einschränkung bei der Baumartenwahl ist ein Angriff auf eine der zentralen Grundwerte unserer Gesellschaft, nämlich den Respekt vor privatem Eigentum.

(Beifall FDP - Zurufe SPD: Oh!)

Liebe Freunde von der Koalition, es ist wirklich putzig, dass Sie sich dann hier hinstellen und sagen: Ja, bestimmte Punkte haben in der Praxis gar keine Auswirkung, spielen keine Rolle, das ist doch gar nichts Großartiges. Wenn es denn wirklich so wäre, frage ich mich, warum Sie es dann überhaupt beschließen. Lassen Sie es doch einfach!

(Beifall FDP)

Sie wissen ganz genau, dass die vorgelegten Änderungen massive Auswirkungen haben werden, und Sie wissen ganz genau, dass Sie an vielen, vielen Stellen weitergehen als es das Bundesrecht oder das Europarecht verlangen.

(Zuruf SPD: Wo denn?)

Dieses Gesetzpaket ist und bleibt ein Dokument des Misstrauens gegenüber dem Verantwortungsbewusstsein der Land- und Forstwirte, die unsere Natur so gut kennen, wie keine andere Berufsgruppe.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

(Marlies Fritzen)

Kooperativer Naturschutz wird durch Ordnungsrecht ersetzt, und die berechtigten Interessen der Landnutzer werden außer Acht gelassen. Auf der Strecke bleiben der Respekt und der konstruktive Dialog mit denen, die in der Praxis Verantwortung für Tier- und Umweltschutz übernehmen. Anstatt mit dem Ordnungsrecht die Daumenschrauben bei einer ohnehin unter großem Druck stehenden Branche anzuziehen, sollten Sie lieber auf Kooperation und Anreize setzen. Damit gibt es auch nachhaltig lokal gute Erfahrungen.

(Beifall FDP)

Frau Redmann, dann gab es auch noch die große Ankündigung: Ja, wir werden eine umfangreiche Anhörung durchführen, im Dialog mit den Betroffenen werden wir noch zahlreiche Änderungen vornehmen. Das hat sich doch als komplette Luftnummer dargestellt, Frau Redmann.

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

- Ja, das habecksche Betretungsrecht haben Sie kassiert. Was für eine Leistung! Für dieses Betretungsrecht gab es auch so dermaßen harsche Kritik von allen Seiten. Sie haben ja auch den Minister auf diversen Veranstaltungen vorgeführt. Dass das in der Tonne gelandet ist, ist ja auch richtig.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Damit können Sie sich jetzt aber nicht brüsten. Wo sind denn zum Beispiel die angekündigten Änderungen beim Landeswaldgesetz? Ich habe mal nachgezählt: keine einzige Änderung zum Landeswaldgesetz - aber sich vorher groß hinstellen und sagen: Ja, darüber müssen wir noch einmal reden. Ja, vielleicht haben Sie intern darüber geredet, konnten sich aber nicht durchsetzen. Fakt bleibt: Es gibt keine Änderung zum Waldgesetz. In Zukunft wird es nun tatsächlich so sein, dass ein hinreichender Anteil standortheimischer Baumarten ein Grundsatz der guten fachlichen Praxis ist. Das heißt also, die heimischen Arten werden dahin gehend neu definiert, dass sich - ich zitiere

„ihr jeweiliger Wuchsstandort im natürlichen Verbreitungsgebiet der betreffenden Art befindet oder in der Nacheiszeit befand.“

Diese Gesetzesänderung zielt also auf bewährte Baumarten, wie insbesondere die Roteiche, die Douglasie oder auch die Rotfichte ab. Ich frage mich: Warum greifen Sie derart in die Entscheidungen der Forstwirte ein?

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das hat Frau Fritzen eben erklärt!)

- Frau von Kalben, ist Ihnen überhaupt bewusst, dass jetzt auch Förderprogramme und Förderrichtlinien geändert werden müssen? Das wird der Regierung nachher noch auf die Füße fallen. Die werden sich noch bei Ihnen bedanken.

(Beifall FDP)

Diese Änderungen sind schlicht nicht notwendig. Lassen Sie den Forstwirten doch die Freiheit, pflanzen zu können, was sie für richtig halten.

Meine Damen und Herren, es wurde in den vergangenen Jahren in den Wäldern naturschutzfachlich Hervorragendes geleistet. Die aktuellen Zahlen der dritten Bundeswaldinventur belegen diese Leistungen im Wald eindrucksvoll. So gibt es für Einschränkungen bei der forstlichen Baumartenwahl vor dem Hintergrund der zukünftig zu bewältigenden Probleme des erwarteten Klimawandels überhaupt keinen Grund. Kein anderes Bundesland geht bei der Baumartenwahl so weit wie Schleswig-Holstein. Wer neue Beschränkungen der Holznutzung fordert, ignoriert auch die Chancen, die die stoffliche und energetische Verwendung von Holz für den Klimaschutz bietet.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Bevormundung, sondern eine Forstpolitik, welche die bestmögliche Unterstützung unserer Waldbesitzer bei der nachhaltigen Bewirtschaftung und Pflege ihrer Wälder in den Mittelpunkt stellt. Die Forstpolitik im waldärmsten Bundesland sollte nicht regulierend, sondern motivierend agieren, Frau Fritzen.

(Beifall FDP und CDU)

Nun komme ich zum Jagdgesetz. Auch hier geht Schleswig-Holstein einen Sonderweg. Herzlichen Glückwunsch! Wenn das Gesetz heute so beschlossen wird, wie es die Koalition beantragt, wäre Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, in dem juristische Personen eine Befriedung ihrer jagdbaren Flächen beantragen können. Sowohl BadenWürttemberg - ich glaube, da regiert ein Grüner als auch Nordrhein-Westfalen haben von diesem ursprünglich geplanten Vorhaben Abstand genommen, und das aus gutem Grund. Hintergrund war die nicht-justiziable Umsetzung eines Befriedungsbegehrens durch juristische Personen. Ein weiterer Hintergrund war die Erkenntnis, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht mit der Befriedungsmöglichkeit durch juristische Personen auseinandergesetzt hat. Die rot-grün-blaue Koalition ist beim Jagdrecht auf der völlig falschen Fährte.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)