Protokoll der Sitzung vom 29.04.2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Eickhoff-Weber, Sie haben direkt auch die große Firma Tönnies angesprochen. Sie betreibt einen der großen Schlachthöfe in Schleswig-Holstein. Wir haben ja nur noch wenige, das Problem ist bekannt. Wir haben öfter darüber diskutiert: Nutztiere werden hier produziert, sie müssen auch geschlachtet werden, sollen aber nicht weit transportiert werden. Das Fleisch soll auf kurzen Wegen verarbeitet werden. Das alles begrüßen wir.

Herr Voß, ich erinnere mich an eine Veranstaltung in Kellinghusen. Das kann ich hier so sagen, weil Sie die Unternehmensgruppe direkt angesprochen haben. Wir sind da gewesen: Herr Voß, Herr Kumbartzky, der Minister, ein Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium, der Landrat, Kreistagspolitiker und Bürgermeister und alle, die dazugehören. Das war eine Eröffnungsveranstaltung - so würde ich das nennen -, eine Willkommensveranstaltung. Wer war derjenige, der das Unternehmen willkommen geheißen hat, Herr Voß? - Das war Ihr Minister: Herr Tönnies, ich freue mich, dass Sie sich hier in Kellinghusen ansiedeln. So hieß es sinngemäß. Weiter hieß es: Wir werden alles Mögliche unternehmen, um Ihr Unternehmen entsprechend zu unterstützen. Das war eine Aussage eines grünen Ministers.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Jetzt kommen Ihre Darstellungen, die eigentlich ein Schreckensszenario aufbauen. Herr Baasch, ich gebe zu: Wenn in dieser Branche irgendetwas falsch läuft, dann muss man da ran. Gerade von der Schlachtbranche hören wir immer wieder, dass es Verfehlungen gibt. In Schleswig-Holstein kann ich mir das nicht vorstellen. Wir haben nur drei große Unternehmen, die mit Werkverträgen arbeiten.

(Wolfgang Baasch)

(Peter Eichstädt [SPD]: Husum!)

- Sie können auch nach Husum fahren. Es gibt nur drei große Unternehmen - in Kellinghusen, in Husum und in Bad Bramstedt. Dort arbeitet man mit Werkverträgen. Wir haben uns das mehrfach vor Ort angesehen. Wir sind überzeugt davon, dass man dort vernünftig arbeitet. Die spannende Frage ist natürlich: Bekommen diese Unternehmen überhaupt Personal aus der Region, das zu den Bedingungen - die Arbeit ist körperlich anstrengend - die Arbeit überhaupt ausführen würden? - Das ist natürlich nicht so.

Eine zweite spannende Frage ist: Was passiert, wenn wir die Werkverträge nicht in Anspruch nehmen? Auch diese Frage ist aus meiner Sicht spannend. Wir sind dann wieder beim Wettbewerb. Die Schweine werden dann nämlich vornehmlich nach Polen gefahren. In Stettin gibt es einen Schlachthof, der pro Schwein 1 € günstiger schlachtet. Das ist aus unserer Sicht, aus der Sicht der Verbraucher und der Erzeuger, kein Geld, der Unterschied macht aber in der Menge unwahrscheinlich viel aus. Es kann nicht unser Anliegen sein, dass die Tiere stundenlang auf der Autobahn durch die Gegend gekarrt werden und die Wertschöpfung woanders erbracht wird.

Deswegen: Augen auf! Die Anträge, besonders unserer, sind natürlich hervorragend. Wir gehen davon aus, dass auf Bundesebene in die richtige Richtung gearbeitet wird. Auch Sie müssen das unterstützen. Denken Sie an Ihren Minister, Frau Eickhoff-Weber. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Jetzt hat die Landesregierung das Wort. Gibt es noch eine Wortmeldung? - Die ist mir entgangen. Herr Minister, entschuldigen Sie bitte. Es gibt noch eine Wortmeldung. Herr Abgeordneter Voß möchte noch etwas sagen.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal gemeldet. Die genannte Demo in München war interessant, weil dort auch eine ganze Reihe von Bauern mit und ohne Trecker präsent waren und nicht nur Mitarbeiter von Schlachthöfen.

Herr Callsen, es geht überhaupt nicht darum, irgendwelche Unternehmen zu bashen, sondern es

geht mit diesem Antrag darum, den Eckpunkt zu setzen, dass die Unternehmen, die zu fairen Konditionen arbeiten, nicht immer wieder Wettbewerbsnachteile erfahren. Ich glaube, es ist vorhin schon sehr deutlich gemacht worden, dass es diese Zustände auch in anderen Branchen gibt. Die Werften wurden genannt, von der Druckerei habe ich im eigenen Wahlkreis ein Beispiel, Ein weiteres Beispiel ist der Logistikbereich - um nur einige zu nennen.

Sie haben das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz angesprochen. Es geht nicht darum, Betriebsräte zu Politkommissaren zu machen, wie Sie hier versuchen, dies zu diskreditieren, sondern es geht darum, dass die Betriebsräte in der Frage von Leiharbeit und Werkverträgen endlich in die Positionen kommen, die ihnen zustehen, dass sie mitreden. Sie wissen selbst, wie in diesen großen Unternehmen immer mehr Gewerke als Werkverträge vergeben werden. Wenn man sieht, was die CSU bei diesen Gesetzen durchzusetzen versucht, dann sieht man, an welchen Stellen einige Unternehmensführer wieder ihre Juristen ansetzen wollen, um gute Arbeit zu unterwandern.

Ich komme noch einmal zu dem, was Heiner Rickers angesprochen hat, nämlich zur Situation der Schlachthöfe. In Dänemark wird kaum noch geschlachtet. Die Tiere werden nach Deutschland, nach Schleswig-Holstein und in andere Bundesländer gebracht, weil hier erheblich günstiger geschlachtet wird als in Dänemark, denn in Dänemark hat man faire Arbeitsbedingungen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, auf den ich, das muss ich sagen, hier im Land gern verzichte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir haben in der EU Beschwerden aus Dänemark, aus Belgien und aus Frankreich wegen der Dumpingverhältnisse auf deutschen Schlachthöfen und darüber, dass das deutsche Arbeitsrecht diese zulässt. Auch in Deutschland guckt man darauf.

Wir sind jetzt zwar noch nicht bei der Debatte zum Gottesbezug, trotzdem will ich den katholischen Nachrichtendienst „domradio“ zitieren. Dort wurde analysiert, was nach dem Brand bei Wiesenhof in Lohne herauskam. 80 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren Leiharbeiter. Das sind die Zustände, die wir in einigen Branchen haben. Dieser Antrag soll helfen, dem entgegenzuwirken.

Auf die Besuche bei Tönnies, die mein Vorredner angesprochen hat, will ich nicht weiter eingehen. Unsere Position ist, glaube ich, klar. Wir hätten es

(Heiner Rickers)

am liebsten gehabt, wenn ein Mittelständler das Unternehmen weitergeführt hätte. Dieser hat sich nicht gefunden, daher gibt es diese Situation. Der Betrieb läuft erst einmal weiter. Dieser Antrag soll auch dazu dienen, dass der Betrieb zu fairen Konditionen weiterlaufen kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich gucke noch einmal in die Runde, aber weitere Dreiminutenbeiträge gibt es nicht. Dann hat jetzt die Landesregierung das Wort. Das Wort hat der Herr Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gute Arbeit ist für die Landesregierung ein zentrales Anliegen. Dazu gehört auch der angemessene und faire Umgang mit Leiharbeit und Werkverträgen. Der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen ist nicht hinnehmbar und muss entschieden bekämpft werden.

Sicherlich sind Werkverträge, das haben wir in der Debatte gehört, in der spezialisierten und arbeitsteilig organisierten Praxis der Unternehmen ein gängiges und wichtiges Instrument. Dies bestreitet auch niemand, meine Damen und Herren. Flexibilität ist für Unternehmen wichtig. Häufig werden die Werkvertragsbeschäftigten parallel zur Stammbelegschaft, aber zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen beschäftigt, und das nicht zeitlich begrenzt, sondern dauerhaft. Das geht nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, Leiharbeit und Werkverträge dürfen nicht dazu missbraucht werden, Löhne zu drücken, Arbeitnehmerschutzrechte zu unterlaufen oder Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte zu umgehen. Da ist die Landesregierung sehr klar.

Herr Rickers, dann kommt immer das Argument: Dann gehen die Unternehmen nach Polen, da zahlt man keinen Mindestlohn. - Ich kann das einfach nicht mehr hören. Das ist auf Dauer kein Geschäftsmodell. Sie werden sehen, auch der Mindestlohn und vernünftige Arbeitsbedingungen sind im Bereich der Schlachthöfe umsetzbar.

Meine Damen und Herren, ich glaube, beim Thema „Leiharbeit und Werkverträge“ muss sich etwas ändern. Vertragskonstruktionen, die nur dazu dienen, zulasten der Beschäftigten Kosten zu senken und Arbeitnehmerrechte zu unterlaufen, müssen auslaufen.

Wir müssen selbstverständlich differenzieren. Wir brauchen einen differenzierten Blick. Es gibt anfällige Branchen. Schlachthöfe gehören leider dazu. Es häufen sich die Berichte darüber, wie die Arbeitsbedingungen dort sind. Aber ich sage auch ganz deutlich: Das gilt nicht für die fleischverarbeitende Industrie insgesamt.

Ich bin kein Fan von Schalke 04. Trotzdem sage ich: In Kellinghusen ist eine Investitionsentscheidung getroffen worden, die alternativlos war. Deswegen unterstützt auch das Land diese Investitionsentscheidung.

Den Unternehmen wurden die Instrumente von Leiharbeit und Werkverträgen in die Hand gegeben, um flexibel auf Veränderungen der Märkte reagieren zu können. Das aber muss verantwortungsvoll geschehen. Diese Instrumente dürfen nicht als Hintertür missbraucht werden, um die bei uns geltenden Regeln guter Arbeit auszuhebeln.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wurde schon darauf hingewiesen: Wir brauchen gesetzliche Regelungen. Die Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene ist da ganz klar. Nun gilt es, sie wirklich umzusetzen. Da steht zum Beispiel, dass eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten festgelegt werden soll. Equal Pay - also Entgeltgleichheit - soll spätestens nach neun Monaten gelten. Es sollen bessere Möglichkeiten der Betriebsräte beim Einsatz von Fremdpersonal geschaffen werden. Auch brauchen wir klare Kriterien zur Abgrenzung zwischen Werkverträgen und Arbeitsverhältnissen.

Weil die Bundesregierung da nicht richtig in Gang gekommen ist, hat Schleswig-Holstein bereits Ende Februar dieses Jahres einen Antrag im Bundesrat unterstützt, in dem die zeitnahe Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes gefordert wird. Wir weisen mit diesem Antrag auf die Notwendigkeit guter Arbeit und fairer Arbeitsbedingungen im Bereich von Leiharbeit und Werkverträgen hin. Nun hören wir, dass die Bundesregierung in Gang kommt. Die CSU gibt langsam ihren Widerstand auf. Wir hoffen, dass dieser Gesetzentwurf vor der Sommerpause kommt.

(Bernd Voß)

Herr Rickers, ich möchte Ihnen nicht nahetreten. Ich möchte Ihnen nicht aufgeben, persönlich die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen zu kontrollieren. Aber ich möchte schon, dass die Zuständigen beim Zoll die entsprechenden Kontrollen machen, wenn die Gesetze da sind. Hier gilt in erster Linie, dass man sich an die Gesetze zu halten hat.

Es haben sich viele Aktivitäten ergeben. Das DGBBüro „Faire Mobilität“ ist wichtig. Es konzentriert sich zu Recht, finde ich, auf die Werftindustrie und die Fleischindustrie. Wir brauchen aber auch eine mobile Beratungsstelle - aufsuchende Beratung für diejenigen, die vor Ort als Leiharbeiter und Werkvertragsarbeitnehmer unterwegs sind. Deswegen haben wir entsprechende Haushaltsvorsorge für das Jahr 2016 getroffen, um damit entsprechend dem Antrag loslegen zu können.

Meine Damen und Herren, ich begrüße die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie, auch wenn sie auf sanften Druck des Bundeswirtschaftsministers zustande gekommen ist. Diese Selbstverpflichtung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir müssen dabei bleiben, das immer wieder zu thematisieren, nicht zu schweigen, sondern auf die Arbeitsbedingungen hinzuweisen, für gute Arbeit zu streiten. Seien Sie versichert: Die Landesregierung wird das immer im Auge behalten. Ein guter Schlachthof ist nur der, der auch für gute Arbeit sorgt. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Die CDU-Fraktion hat beantragt, den Antrag Drucksache 18/4105 sowie den Änderungsantrag Drucksache 18/4130 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag der CDU zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von PIRATEN, CDU sowie FDP. Wer ist gegen die Überweisung? - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Sachabstimmung. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion.

Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist der Änderungsantrag der CDU-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/4105. Wer zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW sowie die Piratenfraktion. Wer ist dagegen? - Das ist die FDP-Fraktion. Wer enthält sich? - Das ist die CDU-Fraktion. Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie meine ehemalige Kollegin, die Landtagsvizepräsidentin a. D. Herlich Marie Todsen-Reese. - Seien Sie willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 39 auf:

Subventionen regelmäßig auswerten und überprüfen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2624