Protokoll der Sitzung vom 16.11.2012

- In dem Bereich. Sonst woanders vielleicht auch. Das möchte ich hier jetzt aber lieber nicht diskutieren.

(Heiterkeit)

Trotz des bisher Erreichten sind aber zwingend Anstrengungen erforderlich, um das Schutzniveau der Tiere weiter zu verbessern. Nach dem Grundsatz des Tierschutzgesetzes hat der Mensch das Leben und das Wohlbefinden des Tieres als Mitgeschöpf zu schützen. Dieser ethische Grundgedanke beinhaltet auch die Verpflichtung, den Tierschutz ständig fortzuentwickeln. Wir müssen das Tier als Mitgeschöpf respektieren. Tiere haben nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern sie gehören zum Kreislauf der Natur und müssen deshalb unseren hohen Schutz genießen. Der Mensch bedient sich ihrer in vielfältiger Weise als Nahrungslieferant außer bei meinem Kollegen Dr. Kai Dolgner -, als Gefährte sowie für Forschung und Entwicklung. Deshalb trägt jede und jeder Verantwortung als Konsument tierischer Erzeugnisse, als Zoo- oder Zirkusbesucher, als Haus- oder Nutztierhalter, als Jäger und als Liebhaber exotischer Tiere. Wenn sich der eine oder andere nicht so sehr für den Tierschutz interessiert, so hoffe ich doch, dass er - auch angeregt durch diese Debatte - bei einem seiner nächsten Besuche im Zoo oder im Zirkus vielleicht einmal daran denken wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Tierschutz hat mittlerweile einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Vieles liegt in diesem Bereich aber noch im Argen. Auch wenn wir mit der Aufnahme in die Verfassung einen großen Schritt gehen werden, müssen weitere folgen. Dazu gehören unter anderem die Verbesserung der Lebendtiertransporte sowie der Haltungsbedingungen für Nutztiere und eben auch ein Gesetz zum Tierschutzverbandsklagerecht. Wie können wir ein Gleichgewicht zwischen Tierschützern und Tiernutzern erreichen? Für meine Fraktion ist dabei unstrittig, dass das bisherige Ungleichgewicht zwischen der Lobby der Tiernutzer und dem Tierschutz verbessert werden muss; denn Tiere können ihre Interessen nicht selbst artikulieren. Sie brauchen eine rechtliche Vertretung.

Die immer wieder vorgetragenen Argumente der Gegner greifen aus unserer Sicht nicht. Ein Verbandsklagerecht im Tierschutz blockiert weder den Forschungsstandort noch die Zukunftsfähigkeit der

Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Das zeigen die Erfahrungen im Naturschutz mit nur wenigen, zumeist aber erfolgreichen Klagen der Naturschützer und die hohen Anforderungen an die klageberechtigten Verbände. Darüber werden wir in der nächsten Sitzung noch ausführlich diskutieren.

Wie gesagt, heute ist ein guter Tag. Lars Harms und Heiner Garg sollten wir in die Runde einbeziehen. Lars und Detlef, wir alle haben seit 2000 gemeinsam und über alle Fraktionsgrenzen hinweg dieses Thema bearbeitet. Heute ist ein guter Tag für den Tierschutz. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Tierschutz soll in der Verfassung unseres Landes verankert werden. Wir Grüne begrüßen diesen Schritt. Der Bundesgesetzgeber hat dies mit einer entsprechenden Regelung bereits seit Langem eingeführt. Ich bedanke mich bei der FDP und namentlich bei dem Kollegen Dr. Garg sowie bei den übrigen Kollegen für diese Initiative, die wir sehr begrüßen und mittragen. Damit vollzieht das Land Schleswig-Holstein endlich nach, was auf Bundesebene gilt. Das ist längst überfällig.

Kritiker mögen einwenden, die Aufnahme des Tierschutzes als Verfassungsgut sei überflüssig und übertrieben, weil Tiere schon lange durch das Tierschutzgesetz geschützt seien. Dies werde schließlich durch Verordnungen und umfangreiches untergesetzliches Regelwerk gesichert. Es gebe auch zahlreiche einschlägige Gerichtsurteile. Tierschutzvergehen würden angezeigt und in unserem Rechtsstaat verfolgt, und es würde darüber geurteilt, wenn nötig auch durch mehrere Instanzen.

Eine zusätzliche Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung sei daher nur populistisch und ein Schielen auf die vielen Menschen mit einem verzärtelten Tierschutzempfinden. Es sei ein Einknicken vor dem organisierten Tierschutz mit den vielen Menschen, die sich in den Tierschutzvereinen engagieren, die aber gleichwohl überzogene und insbe

(Sandra Redmann)

sondere der wirtschaftlichen Nutzung der Tiere sowie der Jagd und Fischerei entgegenstehende Forderungen erheben. Man solle den Umgang mit den Tieren den Profis überlassen und nicht dem Verein PROVIEH, wie sich der ehemalige Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung heute nennt, oder den vielen anderen Organisationen des Tierschutzes.

Diese Einstellung zu Tierschützern von denjenigen, die von sich selbst behaupten, nicht gegen Tierschutz, sondern eben nur rationaler und an professioneller Haltung orientiert zu sein, lässt sich im politischen Raum leicht verorten, nämlich bei der CDU. Die sich christlich bezeichnenden Parteien sind groß und bedeutend. Daher ist diese NullBock-Haltung in Bezug auf Tierschutz weit verbreitet. So häufig diese Skepsis gegenüber der Weiterentwicklung des Tierschutzes auch anzutreffen ist, so häufig ist sie auch irrig.

Der erste Irrtum ist rechtlicher Art. Ob Tierschutz einfachgesetzlich geregelt ist oder Verfassungsrang hat, ist von großer rechtspraktischer Bedeutung. Die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung ist ein großer Schritt für das Tier. Sein Status wechselt nämlich von einer Sache in die Mitgeschöpflichkeit. Damit stehen ihm verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter wie das Recht auf Eigentum, die Freiheit der Berufsausübung, die Freiheit der Wissenschaft und das Recht auf Leben und Gesundheit offen. Bisher steht das Tier diesen Rechten auf einem niedrigen Rang gegenüber. Bei der Rechtsgüterabwägung vor Gericht, wenn es um Haltungsbedingungen oder Tierversuche sowie um die Zulassung von Medikamenten, die einen massenhaften Tierverbrauch hat, geht, sowie bei der Rechtsgüterabwägung ist es eben nicht egal, ob einem Rechtsgut, das die Verfassung schützt, ein Rechtsgut gegenübersteht, das die Verfassung nicht schützt.

Wenn wir also den Tierschutz in unsere Landesverfassung aufnehmen, dann wissen wir wohl, was wir tun. Wir wollen die Rechtsstellung der Tiere verbessern und dem in unserer Verfassung Ausdruck verleihen.

Warum ist die eben skizzierte politische Null-BockHaltung auf Tierschutz anfordern noch irrig? Tierschutz ist emotional, Herr Rickers. Jeder hat noch die mahnenden Worte unserer Eltern im Gedächtnis: Quäle nicht ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz. Tierschutz ist ein Thema, das viele Herzen bewegt, und das ist gut so. Die Einstellung zum Tierschutz entwickelt sich weiter. Dem haben Parteien und Parlamente Rech

nung zu tragen und diesem Empfinden in Gesetzen Ausdruck zu verleihen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt PIRATEN)

Meine Damen und Herren, unser ehemaliger Kollege Jost de Jager hat festgestellt: Der sich wandelnde Wertekanon in der bürgerlichen Mitte unserer Gesellschaft zieht an der CDU vorbei. Das kann man nur unterstreichen. Tierschutzthemen werden von der CDU nie in den parlamentarischen Raum getragen. Die CDU geht in Volksvertretungen nur reaktiv mit dem Thema Tierschutz um, und es gibt im Schleswig-Holsteinischen Landtag, seitdem ich diesem angehöre, in fünf Legislaturperioden, in mehr als anderthalb Jahrzehnten parlamentarischen Lebens hier in Schleswig-Holstein, zum Thema Tierschutz keine eigenständigen gestaltenden Anträge der CDU. Herr Rickers, in Worten: null! Herr de Jagers Wortwahl zur Situation der CDU, der er vorsteht, war: „inhaltlich aufgezehrt“. Herr Rickers, Ihr Beitrag hatte hauptsächlich zum Inhalt: Wenn irgendwo in der EU Käfighaltung nicht verboten ist, dann darf sie in Deutschland auch nicht verboten werden.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Diese Frischzellenkur à la de Jager sollte es geben. Darauf freuen wir uns sehr. Vielleicht ist die Mitunterzeichnung des heutigen Verfassungsantrags ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich bin gespannt auf die Verbandsklagediskussion. Ich bin gespannt auf die Diskussion über weitere Tierschutzthemen und darauf, wie die CDU in Zukunft hier mit diesem Thema umgehen will.

Heute ist der Tag der Einigkeit. Wir freuen uns sehr und begrüßen die CDU im Bunde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Torge Schmidt das Wort.

(Detlef Matthiessen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Kollegin Angelika Beer ist leider erkrankt. Sie hat mich gebeten, ihre Rede zu halten. - Liebe FDP-Fraktion, wir werden euren Antrag heute unterstützen, denn wenn es darum geht, die Tiere besser zu schützen, dann findet das unsere volle Zustimmung.

(Beifall PIRATEN und SSW)

Da der Entwurf im Grunde eine Angleichung der Landesverfassung an Artikel 20 a GG ist, sehen wir auch formal keine Probleme. Mit etwas Glück wird es also heute gelingen, den Tieren in der Verfassung einen höheren Schutz zu geben. Ich glaube, das Glück haben wir bereits, denn alle Fraktionen sind sich hier einig.

Anschließend müssen wir sorgfältig die Frage beantworten, wie wir diesen Schutz realpolitisch umsetzen wollen. Das Verbandsklagerecht werden wir in dieser Woche aber noch nicht besprechen, auch wenn es gut gepasst hätte. Es beschreibt einen ganz konkreten Weg.

(Beifall PIRATEN und Lars Harms [SSW])

Angesichts des aktuellen Antrags rechne ich fest damit, dass die FDP in jedem Fall mitziehen wird. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Rede, sie wird bestimmt spannend.

Der Landesregierung möchte ich an dieser Stelle ganz offen sagen, dass mich ihre Antwort auf unserer Kleine Anfrage zum Problem herumstreunender Katzen etwas enttäuscht hat. Ich hätte von einer Regierung mit grüner Beteiligung etwas mehr Enthusiasmus erwartet. Sie beschreiben das Problem völlig zutreffend, um sich dann auf den halbherzigen Vorschlag zurückzuziehen, die Bevölkerung mit einem Faltblatt informieren zu wollen. Das ist nicht schlecht, es reicht aber hinten und vorn nicht.

(Beifall PIRATEN)

Der Hinweis, dass im letzten Jahr mehr als 5.200 Katzen abgeschossen worden sind, kann doch nicht die Antwort der Landesregierung auf ein ernstes Problem sein.

(Beifall PIRATEN)

Denken Sie insofern bitte über unseren Vorschlag nach, eine Kastrations- beziehungsweise Sterilisationspflicht einzuführen, die bereits in vielen Gemeinden Niedersachsens erfolgreich praktiziert

wird. So schützen Sie die Vogelwelt effektiver und verringern gleichzeitig das Leid der Katzen.

Ähnlich ernüchternd ist Ihre Antwort auf unsere Anfrage zum Naturpark Aukrug. Mit 1,7 % der Landesfläche haben Sie, Herr Habeck - der ist gerade leider nicht anwesend -, Ihr Anweisungsziel von 1,5 % Windeignungsflächen mehr als erfüllt. Warum also brauchen wir nun ausgerechnet dort einen Windpark, wo der Rote Milan vorkommt? Besonders für Greifvögel sind Windräder ein lebensbedrohliches Risiko. Der Rote Milan ist nicht irgendein Greifvogel. Laut Roter Liste der IUCN, also der Internationalen Union für Bewahrung der Natur und der natürlichen Ressourcen, wird er als near threatened eingestuft. Die Weltpopulation wird auf etwa 20.000 Tiere geschätzt. Hauptverbreitungsgebiet ist Deutschland. Damit kommt uns diesbezüglich eine ganz besondere Verantwortung zu. Da reicht es nicht, wenn Ihr Haus einfach schreibt, dass die gesetzlichen Regelungen zum Artenschutz gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes maßgeblich seien und dabei auch die Kollisionsgefährdung von Greifvögeln zu beachten sei.

(Beifall PIRATEN)

Vielmehr müssten Sie auch einmal bereit sein, den Einzelfall aktiv zu prüfen, um sich im Notfall persönlich dazwischen zu werfen.

Wir haben auf die Studie hingewiesen, die das Michael-Otto-Institut für die Bundesregierung ausgearbeitet hat. So etwas sollte für einen grünen Minister doch eigentlich so etwas wie eine Steilvorlage sein. Ich bitte Sie: Machen Sie etwas daraus!

Ich habe noch einen Kandidaten auf meiner Liste, um den ich mir ernsthaft Sorgen mache; das ist der Kleine Tümmler. Aus der Ostsee ist er fast ganz verschwunden, und auch in der Nordsee geht es ihm nicht gut. Zum einen ertrinken viele Tiere in Stellnetzen, zum anderen macht der Bau der Offshore-Windanlagen-Fundamente den Tieren gehörig zu schaffen. Ihr sensibles Gehör wird geschädigt, zudem verlieren die Kälber den Kontakt zu den Müttern, die ihr Kalb nach dem Tauchgang gar nicht mehr wiederfinden.

Die Vertreibung durch die Lärmbojen ist hier völlig kontraproduktiv. Wir brauchen einen vernünftigen Schallschutz um die Baustellen herum. Mit Sicherheit lassen sich Systeme wie Blasenschleier, Schallminderungsrohre oder Hydrobeziehungsweise Schlauchschalldämpfer auch miteinander kombinieren, um so eine geringere Schallbelastung zu erreichen. Wichtig ist nur, dass Sie hier schnell zu einer

Lösung kommen, um den Kleinen Tümmler wirklich zu schützen.

(Beifall PIRATEN)

Wir müssen zusehen, dass wir die international vereinbarten Maßnahmen zum Schutz von Kleinwalen in Nord- und Ostsee konsequent umsetzen. Aus welchem Grunde treffen wir solche Vereinbarungen denn sonst?

(Beifall PIRATEN)

Wenn wir insoweit nicht entscheidend glaubwürdiger werden, dann nimmt uns am Ende auch niemand mehr die geänderte Vorschrift ab. Die Verfassung, das sollte uns allen klar sein, ist kein Papiertiger, sondern sie ist verfassungsrechtlich das höchste Gut.