Protokoll der Sitzung vom 16.11.2012

Wenn wir insoweit nicht entscheidend glaubwürdiger werden, dann nimmt uns am Ende auch niemand mehr die geänderte Vorschrift ab. Die Verfassung, das sollte uns allen klar sein, ist kein Papiertiger, sondern sie ist verfassungsrechtlich das höchste Gut.

In diesem Sinne werden wir den Antrag der FDP heute unterstützen. Ich hoffe, Sie machen dabei alle mit. So wie ich das gehört habe, ist das wohl auch der Fall.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat nun Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit nunmehr zehn Jahren ist der Tierschutz als Staatszielbestimmung im Grundgesetz verankert, und - der Herr Kollege Heiner Garg erwähnte es schon - die Welt ist dadurch nicht untergegangen. In Schleswig-Holstein gab es in den letzten Jahren mehrere Anläufe, den Tierschutz als Staatsziel in die Verfassung aufzunehmen. Diese Initiativen wurden vom SSW stets unterstützt. Auch ich möchte mich bei Heiner Garg bedanken, dass er den Gesetzentwurf hier eingebracht hat.

(Beifall SSW)

Es ist zu begrüßen, dass sich nun eine Mehrheit im Landtag für eine solche Staatszielbestimmung abzeichnet. Dieser Schritt hat lange genug gedauert.

Der SSW hat sich dafür eingesetzt, weil der Tierschutz mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil der Gesellschaft geworden ist. Die Einstellung zum Tier und der Umgang mit Tieren haben sich verändert. Vielen Menschen ist es heute nicht mehr egal, wie mit unseren Tieren umgegangen wird. Es ist den Menschen nicht mehr egal, wie Tiere gehalten, transportiert oder gekennzeichnet werden. Hier hat

sich der Blick auf die Tiere in den letzten Jahren gravierend geändert. Diesem ethischen Wandel wollen wir mit der vorliegenden Initiative gerecht werden.

Nun wissen wir, dass es bereits verschiedene Gesetze zum Schutz der Tiere gibt. Und das ist auch gut so. Aber wir wissen auch, dass diese Gesetze nicht immer - wie gewünscht - greifen. Tierschutzgesetze werden nachrangig angesehen, wenn ihnen Grundrechte entgegenstehen, beispielsweise wenn es um die Freiheit der Wissenschaft, der Kunst oder der Religion geht. Hier hat der Tierschutz rechtlich immer den Kürzeren gezogen.

Mit der Verfassungsänderung bekommt der Tierschutz in Schleswig-Holstein ein neues Gewicht. Wir werden damit zwar nicht verhindern, dass in Zukunft Tiere gequält oder misshandelt werden. Aber mit dem Status eines Staatsziels ist der Tierschutz auf dem gleichen rechtlichen Level wie andere Grundrechte. Dadurch wird der Tierschutz bei uns im Land gestärkt.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So weit ist alles schön und gut. Doch wir wissen, dass sich Tiere vor Gericht nicht selbst verteidigen können. Damit die Sache rund wird, kommen wir über kurz oder lang nicht um ein Verbandsklagerecht umhin. Dies zeigen auch bisherige Erfahrungen. Erst mit dem Klagerecht können die Tierschutzorganisationen als Anwälte der Tiere auftreten. Analog haben wir ja bereits Klagerechte für Umweltschutzverbände. Die Erfahrungen zeigen ganz klar, dass Naturschutzverbände mit diesem Recht durchaus verantwortungsvoll umgehen. Es ist also nicht davon auszugehen, dass Tierschutzverbände die Gerichte mit einer Flut von Klagen überhäufen. Daher wird diese Koalition auch ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände im Landesrecht verankern, wie es ja auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Staatszielbestimmung muss mit Leben erfüllt werden. Das kann dann auch zu Konsequenzen im Lande führen. Hierbei könnte beispielsweise auch die Diskussion um den Schenkelbrand neu entfacht werden. Darüber müssen wir uns im Klaren sein.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Tierschutz als Staatsziel darf kein zahnloser Tiger werden. Um es deutlich zu sagen: Eine Staats

(Torge Schmidt)

zielbestimmung ist keine nutzlose Verfassungslyrik. Wir wollen dem Tierschutz nach heutigen ethischen Maßstäben gerecht werden. Insofern denke ich, dass heute für den Tierschutz ein sehr guter Tag ist.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament sehe ich nicht. Dann spricht jetzt für die Landesregierung der Herr Innenminister Andreas Breitner in Vertretung für den Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume, Herrn Dr. Robert Habeck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 17. Mai 2002 mit überwältigender Mehrheit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz zugestimmt. Das Parlament einigte sich auf einen parteiübergreifenden Gesetzentwurf, der den Schutz der Tiere in Artikel 20 a des Grundgesetzes verankert, indem der Gesetzestext um die drei entscheidenden Worte ergänzt wurde:

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere …“

Den Tieren, unseren Mitgeschöpfen, wurde damit das erforderliche Gewicht in unserer Gesellschaft eingeräumt. Zehn Jahre später - ich finde, zehn Jahre zu spät - soll nun in dieser Legislaturperiode die vorgesehene Ergänzung vorgenommen werden, indem auch in die Landesverfassung Schleswig-Holstein die Worte „sowie die Tiere“ eingefügt werden.

Ich stimme dem Entwurf der FDP-Fraktion ausdrücklich zu und begrüße es, dass dieser Gesetzentwurf von den Regierungsfraktionen mitgetragen wird. Alle Staatsorgane, insbesondere der Gesetzgeber, haben ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz der Tiere mit Blick auf diese Anpassung auszurichten. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf drei elementare Anliegen: nicht artgemäße Haltung, vermeidbare Leiden sowie Zerstörung ihrer Lebensräume. Damit einher geht die staatliche Pflicht zu einer effektiven Kontrolle.

Mit diesem Gesetzentwurf gehen wir den nächsten Schritt hin zu einem starken Schutz der Tiere in Schleswig-Holstein. Allerdings - der Herr Abgeordnete Meyer hat darauf hingewiesen - entfaltet diese

Änderung der Verfassung noch nicht die erforderliche Verbesserung im Sinne eines umfassenden Tierschutzes. Der Tierschutz ist mit dieser Änderung zwar ein Staatsziel, aber dadurch immer noch nicht besser durchsetzbar. Nach dieser Änderung der Landesverfassung muss daher der nächste konsequente Schritt kommen, nämlich die Einführung der Verbandsklage im Tierschutz.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich würde mich sehr freuen, wenn die breite Mehrheit auch dann steht. Wie hätte Robert Habeck jetzt so schön gesagt? Wer die Lippen spitzt, muss auch pfeifen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf, Drucksache 18/283 (neu), dem Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das in diese beiden Ausschüsse einstimmig überwiesen worden.

Wir kommen nun zur gemeinsamen Beratung der Tagesordnungspunkte 38 und 55:

Gemeinsame Beratung

a) Strukturelles Defizit bei der Ausstattung mit Lehrkräften

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/308

b) Bericht zur Unterrichtssituation im Schuljahr 2011/12

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/241

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag zu Tagesordnungspunkt 38 wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zu

(Flemming Meyer)

nächst darüber abstimmen, ob ein Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen, und ich erteile für die Landesregierung das Wort der Ministerin für Bildung und Wissenschaft, Frau Professorin Dr. Waltraud Wende.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Unterrichtsversorgung an Schleswig-Holsteins Schulen wird von Jahr zu Jahr besser. Auf der Basis dieses Euphemismus könnte ich meine folgende Rede aufbauen. Ich verzichte aber darauf. Ich will Sie nicht mit allen Dingen langweilen, die bereits in der Vergangenheit so stattgefunden haben. Wir rechnen uns die Welt nicht schön. Jeder, der Schule kennt, weiß, dass zwischen Statistik und dem, was wir im Schulalltag täglich erleben, eine unübersehbare Differenz besteht.

Ich habe mein Amt mit dem Versprechen angetreten, zu Beginn meiner Amtszeit eine ehrliche Eröffnungsbilanz über den Status quo an unseren Schulen vorzulegen, und ich komme diesem Versprechen heute nach.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zur Ehrlichkeit gehört es, die Mängel und Defizite nicht zu verschweigen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, klar zu benennen, welche Wege wir einschlagen, um die Situation an unseren Schulen nachhaltig zu verbessern. Und zur Ehrlichkeit gehört last but not least, dass die Grenzen der Handlungsspielräume aufgezeigt werden, Grenzen, die uns die Schuldenbremse setzt.

Um die Qualität der Unterrichtssituation zu quantifizieren, kann man Lehrer-Schüler-Relationen diskutieren und durchschnittliche Klassengrößen ermitteln. Die Ergebnisse kann man mit der Situation vor einigen Jahren oder mit der Situation in anderen Bundesländern vergleichen und sie dann wahlweise hervorragend oder katastrophal finden.

Der Antrag von SPD, Grünen und SSW richtet das Augenmerk auf die Unterrichtsversorgung, das heißt: Wird der in den Stundentafeln als notwendig erachtete Unterricht in unseren Schulen erbracht, ist ausreichend Lehrpersonal vorhanden, um die vorgegebenen Stunden zu 100 % zu erfüllen? Damit geht es also um die Relation zwischen dem, was wir von den Schulen erwarten, und dem, was den

Schulen in Form von Planstellen zur Verfügung gestellt wird.

Hier, meine Damen und Herren, komme ich zu folgendem eher schlechten Ergebnis. Wenn die Schulen die von ihnen erwartete Leistung erbringen sollen, dann benötigen sie rund 1.250 Planstellen mehr, als wir ihnen aktuell zur Verfügung stellen. Hinzu kommen 350 Erzieherstellen im sonderpädagogischen Bereich. Dass es in kaum einem Bundesland gelingt, die in den Lehrplänen vorgegebenen Stundentafeln zu 100 % zu erfüllen, kann da nur wenig beruhigen.

Was unternehmen wir, um die Situation zu verbessern? Wir rechnen in den kommenden fünf Jahren mit einem Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler um rund 34.000. Das ist ein Rückgang um 9 %. Die Vorgängerregierung wollte parallel zum Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler auch die der Lehrkräfte entsprechend reduzieren. Das heißt, sie hätte bei einem Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler um 9 % auch die Zahl der Planstellen um 9 % reduziert. Sie hätte damit von den in den nächsten fünf Jahren durch Pensionierung frei werdenden Planstellen 2.125 Stellen abgebaut.

Auch wir können mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht jede Planstelle, die in den nächsten fünf Jahren frei werden wird, wieder besetzen. Aber wir werden eben nicht 2.125 Stellen abbauen, wir werden einen großen Teil der Stellen erhalten. Konkret heißt das -