Protokoll der Sitzung vom 16.11.2012

Auch wir können mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht jede Planstelle, die in den nächsten fünf Jahren frei werden wird, wieder besetzen. Aber wir werden eben nicht 2.125 Stellen abbauen, wir werden einen großen Teil der Stellen erhalten. Konkret heißt das -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie viele denn?)

- Konkret heißt das: Wir werden in den kommenden fünf Jahren 752 Stellen weniger abbauen als von der Vorgängerregierung geplant.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden bereits im kommenden Haushaltsjahr, wie Ihnen allen bekannt, 300 Planstellen, die von der Vorgängerregierung gestrichen wurden, an die Schulen zurückgeben. Wir werden den Schulen darüber hinaus zusätzliche Geldmittel zur Verfügung stellen, Geldmittel zur Verbesserung der Schulsituation, und zwar im Gegenwert von 264 Stellen. Das ist ein Geldbetrag in Höhe von 13,2 Millionen €.

Außerdem werden wir den vom Land den Kommunen für schulische Sozialarbeit zur Verfügung gestellten Betrag ab dem kommenden Jahr von 1,7 Millionen € auf 4,6 Millionen € erhöhen. Wenn wir Planstellen und zur Verfügung gestellte Geld

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

leistungen addieren, folgt daraus, dass wir die möglichen Einsparungen aus dem neunprozentigen Rückgang der Zahl der Schüler und Schülerinnen zu etwas mehr als der Hälfe im System belassen, um die Qualität unserer Schulen zu optimieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mehr wäre sicherlich wünschenswert. Aber das, was wir tun, ist angesichts der Schuldenbremse bereits ein enormer Kraftakt, der nur möglich wird, weil sich alle Ministerien in großer Solidarität dazu bekennen, dass Bildungsinvestitionen Investitionen in die Zukunft unseres Landes sind. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die Frau Ministerin hat ihre Redezeit um 1 Minute 42 Sekunden überzogen. Das steht allen Fraktionen jetzt zu ihrer Redezeit zusätzlich zur Verfügung.

Als Erstes spricht der Abgeordnete der SPD-Fraktion, Herr Martin Habersaat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehrlich währt am längsten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gott sei Dank!)

Jetzt ist es raus: Es gibt eine Lücke zwischen der Zahl der Lehrkräfte, die wir als Haushaltsgeber zur Verfügung stellen, und den Aufgaben, die zu erfüllen sind. Trotzdem erwarten wir viel von unseren Schulen. Frau Ministerin, es ist mutig, das heute in dieser Deutlichkeit auszusprechen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Und es ist richtig, weil diese Aufrichtigkeit an den Schulen im Land honoriert werden wird. Ich danke Ihnen dafür.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es jubeln alle!)

Der bisherige Jahresbericht zur Unterrichtsversorgung betrifft ein Schuljahr, für das die politische Gesamtverantwortung bei der CDU/FDP-Regierung lag. Es weist eine immerhin stabile Unterrichtsversorgung aus. Das können wir Ihnen ehrlich zugestehen.

Der Unterrichtsausfall ist über alle Schularten gerechnet leicht rückläufig. Aber ist er auch ehrlich erhoben? Über die methodischen Probleme werden wir nachher noch reden; das wird mein Kollege Kai Vogel übernehmen. Die GEW hatte sich dankenswerterweise schon vor knapp zwei Jahren die Mühe gemacht nachzurechnen und kam auf die Zahl von 24.305 Lehrkräften, die für die erforderlichen Aufgaben benötigt würden, gut 20.100 für den lehrplanmäßigen Unterricht und gut 4.200 für sonstige Pflichtaufgaben, im Haushalt fanden sich aber nur 22.817 Stellen, mithin eine Lücke von 1.488.

Herr Dr. Klug hat diese Zahlen als damaliger Minister nicht bestätigt, aber in einer eigenen Aufrechnung - wir erinnern uns: kurz vor Ende der Regierung Carstensen wollte man dann doch einmal wissen, wie die Lage an den Schulen ist - eine Versorgungslücke von 628 Stellen eingeräumt, die erforderlich seien, um verschiedene Schwerpunktaufgaben zu erfüllen.

(Christopher Vogt [FDP]: Geschichtsklitte- rung!)

Leider folgte daraus nichts. Das heißt, ehrlicherweise folgte daraus doch etwas: ein Parteitagsbeschluss der FDP, der immerhin 300 Lehrerstellen mehr forderte.

Die Landesregierung hat sich nun vernünftigerweise mit der GEW zusammengesetzt - das Wort fällt wieder: Dialog - und die wechselseitigen Berechnungsverfahren überprüft. Dabei kam heraus - wir haben es gerade gehört -: Es gibt eine Lücke. Wir sind damit meines Wissens die erste Regierungskoalition, die bei der Darstellung der Unterrichtsversorgung auf rosa Tünche verzichtet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Bleiben wir bei Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit: Was ist von einem Angebot über Gespräche zu einem Schulfrieden zu halten, zu dem die „Kieler Nachrichten“ in ihrem Kommentar schreiben:

„Aber, ach: Wenn das, was CDU-Chef Jost de Jager vorlegt, ein Friedensangebot sein soll, fragt man sich, wie bei ihm eine Kriegserklärung aussieht.“

Lassen Sie mich die Aufrichtigkeit des CDU-Vorsitzenden an einem Beispiel auf die Probe stellen. Ich zitiere ihn direkt aus seinem Namensartikel:

„Die jüngste Studie zu den Kompetenzen von Kindern nach vier Jahren Grundschule zeigt deutlich, dass es offenbar Anlass gibt, umfas

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

send über die Qualität unserer Bildungsangebote nachzudenken. Denn die schleswig-holsteinischen Grundschulkinder liegen im Ländervergleich beim Lesen und Rechnen nur im unteren Mittelfeld. Das zeigt: Das von der Landesregierung präferierte gemeinsame Lernen schafft allein für sich genommen noch keine höhere Bildungsqualität. In der Grundschule wird ja gemeinsam gelernt.“

Meine Damen und Herren, merken Sie es selbst? An allen Grundschulen in Deutschland wird gemeinsam gelernt, an den erstplatzierten genauso wie an den letztplatzierten. Über den Vergleich von gemeinsamem Lernen mit etwas anderem kann so eine Studie gar nichts aussagen, und sie darf auch nicht für eine solche Aussage missbraucht werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Frage ist: Müssen wir in diesem Fall von fehlender Aufrichtigkeit aufseiten der CDU ausgehen, oder sollen wir aus moralischen Gründen hoffen, dass es der CDU-Vorsitzende einfach nicht besser wusste? Die Bildungskonferenzen laufen, die CDU ist eingeladen mitzumachen. Vielleicht führt das ja auch zu hilfreichen Erkenntnissen bei ihrer Suche nach sich selbst.

Auf die Suche machen müssen wir uns alle nach Möglichkeiten, die heute offengelegte Lücke zu schließen. Selbstverständlich sind wir nicht in der Lage, eben einmal schnell 1.263 zusätzliche Planstellen und 350 Erzieherstellen zu schaffen. Was wir leisten, ist, noch im laufenden Schuljahr 300 Lehrerstellen in den Schulen zu erhalten und im Laufe dieser Legislaturperiode etwa 750 Lehrerstellen an den Schulen zu lassen, die nach den Plänen der früheren Landesregierung als demografische Rendite gestrichen worden wären. Darüber hinaus werden wir 264 Stellen nicht in Form von Planstellen, sondern als finanzielle Mittel an den Schulen belassen.

Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr wird die SPD 150 Jahre alt. Ferdinand Lassalle hat 1863 gesagt:

„Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit.“

Das ist heute geschehen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort. - Sie können das Minusblinken bis 1 Minute 45 Sekunden ignorieren.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, herzlichen Dank für die Zahlen, die Sie uns geliefert haben. Allerdings bin ich ein bisschen überrascht. Sie haben am 8. Oktober 2012 den Bericht zur Unterrichtssituation 2011/12 vorgelegt, und dem Bericht ist zu entnehmen - ich darf an der Stelle zitieren -:

„Die Unterrichtsversorgung in SchleswigHolstein konnte in diesem Schuljahr an den allgemeinbildenden Schulen und Förderzentren auf dem Niveau des Vorjahres gehalten und an den berufsbildenden Schulen erneut erhöht werden.“

Das ist ein Beleg dafür, dass die Rückführung von 300 Planstellen nicht zu dem von Ihnen damals prophezeiten Chaos an den Schulen geführt hat, sondern die Unterrichtsversorgung gleichgeblieben ist.

(Martin Habersaat [SPD]: Gleich schlecht!)

- Wir können darüber streiten, ob das gleich schlecht oder gleich gut ist. Das hat aber nicht dazu geführt, was Sie prophezeit haben, nämlich dass es zu einem großen Chaos in der Unterrichtsversorgung an unseren Schulen kommt.

Frau Ministerin, was in diesem Bericht nicht zu finden ist, ist eine Aussage zu einem strukturellen Defizit. Zum Antrag der Koalitionsfraktionen muss ich deutlich sagen: Die Ministerin hat hier mitnichten eine Eröffnungsbilanz von sich aus gemacht, sondern sie musste von Ihnen erst dazu aufgefordert werden. Der Antrag kommt von Ihnen, es ist keine Vorlage der Landesregierung.

(Zurufe SPD)

- Wir werden das bei den nächsten Diskussionen sehen. Auch beim nächsten Tagesordnungspunkt müssen Sie die Ministerin auffordern, über ODIS zu reden. Die Ministerin hat im Schulbereich in den letzten fünf Monaten noch nichts vorgelegt.

(Beifall CDU und FDP)

Darüber hinaus habe ich am 7. November 2012 eine Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Situation der Lehrerstellen an den Gymnasien bekommen. Aussage dieser Antwort ist: In den nächsten fünf Jahren