Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen in SchleswigHolstein - Sprachenchartabericht 2016
Für die Landesregierung erteile ich dem Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, Torsten Albig, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen herzlichen Dank! Schleswig-Holsteins Minderheitenpolitik wird europaweit beachtet. Sie wird europaweit beachtet, weil wir Minderheiten- und Sprachenpolitik mit den Minderheiten bei uns im Land machen und nicht gegen sie, getragen von Mehrheit und Minderheiten, getragen von einer breiten Allianz auch hier im Haus.
Dass wir heute Vertreterinnen und Vertreter der Sprechergruppen auf der Besuchertribüne begrüßen dürfen, ist ein Beleg für unsere gemeinschaftliche Minderheiten- und Sprachenpolitik. Auch von mir ein herzliches Willkommen!
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung meint es ernst mit ihrem Ziel einer eigenständigen Sprachenpolitik für die Regional- und die Minderheitensprachen. Alle Ministerien tragen in ihren Fachbereichen dazu bei. Bei der Entwicklung unserer Sprachenpolitik haben wir eng mit den Organisationen der Sprachengruppen zusammengearbeitet. Die Minderheitenbeauftragte hat von Anfang an alle Akteure in vielen Gesprächen und Konferenzen zusammengebracht. - Auch dir, liebe Renate Schnack, Dank dafür, und auch dir ein herzliches Willkommen bei dieser Diskussion!
Es ist schön zu sehen, dass das Ministerkomitee des Europarats in Straßburg unsere Erfolge würdigt, ebenso der Sachverständigenausschuss für die Europäische Sprachencharta. Unsere Minderheitenpolitik wird erkennbar über unsere Landesgrenzen hinaus beachtet, weil sie authentisch ist und weil sie zu unserem Land passt. Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit sind Teil unserer gelebten Identität, Grundstein für den einzigartigen kulturellen Reich
tum Schleswig-Holsteins. Wir handeln im europäischen Rahmen, weil wir das Leben, das Europa uns vorgibt, Mehrsprachigkeit als erklärtes Ziel der EU, für alle Europäerinnen und alle Europäer anstreben.
In der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aus dem Jahr 1992 haben wir uns zu weiteren Schritten verpflichtet. Vieles haben wir in dieser Legislaturperiode bereits umgesetzt. Wir haben im Schulgesetz die Regional- und Minderheitensprachen berücksichtigt, so auch im Lehrkräftebildungsgesetz. Wir haben eine Koordinatorin beim IQSH eingesetzt. Sie kümmert sich um die Belange der Sprechergruppen im Schulbereich. Damit erfüllen wir eine zentrale Forderung der Europäischen Sprachencharta.
Wir haben unsere Sprachen ins Anforderungsprofil des Zentralen Personalmanagements der Landesregierung integriert. Der Landtag hat ein Gesetz zur Umsetzung des Verfassungsauftrags zur Stärkung der nationalen Minderheiten und Volksgruppen verabschiedet. Damit soll unter anderem das Kita-Gesetz ergänzt werden; und wir machen es möglich, Schriftstücke in der jeweiligen Sprache bei Behörden einzureichen, ohne dafür Übersetzungskosten tragen zu müssen.
All das haben wir in den Sprachenchartabericht 2016 aufgenommen, weil wir es für richtig, für wichtig und für notwendig halten.
Sie wissen, dass es in der doch sehr kurzen 17. Wahlperiode dieses Hauses keinen Sprachenchartabericht gab. Dafür fehlte schlicht die Zeit. In dieser Legislaturperiode ist der Bericht leider von der Mitte eher ans Ende gerückt - nicht, weil wir die Hände in den Schoß gelegt hätten, sondern weil die Landesregierung zur Mitte der Periode den viel beachteten Handlungsplan Sprachenpolitik vorgelegt hat. Von daher hoffe ich, dass Sie unser Säumen entschuldigen.
Meine Damen und Herren, gerade sind wir dabei, auch unsere Förderung für das Niederdeutsche auf eine neue Grundlage zu stellen. Sie wissen, dass sich die vier norddeutschen Förderländer zum 31. Dezember 2017 gemeinsam aus der institutionellen Förderung des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen zurückziehen werden, nicht aber aus einer möglichen weiteren Projektförderung. Alle vier Länder sind sich einig, dass die bisherige Fördersumme auch weiterhin in voller Höhe für Pflege und Förderung des Niederdeutschen ge
Wir wollen Sprachenvielfalt in unserem Land auch weiterhin stärken. Das gilt neben den anerkannten Minderheitensprachen auch für die Regionalsprache Niederdeutsch. So ist es im Koalitionsvertrag festgeschrieben, so will es die ganz große Mehrheit hier im Landtag, und so wird es geschehen.
Wir erfüllen die Vorgaben der Europäischen Sprachencharta. Wir stärken die Sprachgruppen und autochthonen Minderheiten in ihrer kulturellen Identität. Wir machen das, weil wir wissen, dass dies Schleswig-Holstein attraktiver macht, weit über die Sprechergruppen hinaus. Mehrsprachigkeit und sprachliche Vielfalt tragen auch zum internationalen Profil unseres Landes und damit zu seiner Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb bei.
Wir machen Schleswig-Holstein damit auch ein kleines Stückchen schlauer, weil möglichst frühe Mehrsprachigkeit die kognitive Fähigkeit unserer Kinder stärkt,
Also bleibt am Ende, dass das, was wir tun, Schleswig-Holstein schlauer und attraktiver macht. Wer könnte sich dem dann noch verschließen? - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem jedoch: Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter aller unserer Minderheiten, herzlich willkommen auch von unserer Fraktion!
Zunächst einmal danke ich der Landesregierung und allen beteiligten Mitarbeitern für diesen vorgelegten Bericht zur Europäischen Sprachencharta.
Meine ehemalige Kollegin Frauke Tengler stellte hier einmal vor Jahren fest, dass die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen eigentlich der roten Liste der bedrohten Tierarten entspreche und den Zustand der Minderheitensprachen klar analysiere. Und in der Tat ist sie ein wichtiges Instrument, um Minderheitensprachen zu schützen und zu fördern. Das ist gut so, denn diese Sprachen sind unverzichtbarer Teil unseres kulturellen Erbes.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sehen jedoch auch, dass diese Haltung nicht von allen Staaten so geteilt wird. Gerade etwas mehr als die Hälfte der Staaten des Europarats haben die Sprachencharta ratifiziert. Zudem ist der Einsatz der Staaten zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen der Charta sehr unterschiedlich.
Wir jedoch halten es trotz des erheblichen Aufwands mit Bewertung des Sachverständigenrats, Empfehlung des Ministerkomitees und den Staatenberichten für richtig, regelmäßig den Stand zu evaluieren und Resultate abzugleichen. Schleswig-Holstein ist innerhalb Deutschlands mit den drei Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch und Romanes sowie mit Niederdeutsch als Regionalsprache in besonderem Maße - nicht betroffen, sondern: - reich bedacht, aber natürlich auch gefordert.
Alle drei Jahre erfolgen Verabschiedungen der Empfehlungen des Ministerkomitees zur Umsetzung der Verpflichtung der Sprachencharta. Ihm folgen die Staatenberichte und schließlich hier im Landtag die Berichte der Landesregierung. Bedingt durch zwei verkürzte Legislaturperioden - der Ministerpräsident hat es eben schon angesprochen erfolgte der letzte Bericht für Schleswig-Holstein durch die Landesregierung vor neun Jahren.
Wie sieht die Entwicklung in der Bilanz also aus? Ich finde, Schleswig-Holstein ist seit vielen Jahren auf einem guten Weg. Deutschland hat in Abstimmung mit den Ländern seinerzeit 35 beziehungsweise 36 Verpflichtungen aus der sogenannten IIIListe des Katalogs benannt. Heute werden diese immer besser erfüllt. Bereits im Bericht 2007 konnte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen von einer positiven Entwicklung berichten, und ich denke, diese hat sich so auch fortgesetzt.
Wenn wir uns heute die Bilanz für 2011 bis 2014 anschauen, stellen wir fest, dass von dem Ministerkomitee lediglich vier Punkte bei Dänisch, sechs
Punkte bei Nordfriesisch und sechs Punkte bei Niederdeutsch als nicht erfüllt betrachtet werden - wobei wir anmerken, dass das Land hier teilweise auch eine andere Bewertung vornimmt. Zudem konnten die neuesten Entwicklungen und Beschlüsse des Landtags noch keine Wirkung aus ihrer Umsetzung entfalten. Ich nenne hier die gerade vorgenommene Änderung des Landesverwaltungsgesetzes, die es möglich macht, mit Minderheitensprachen Behördengänge zu erledigen, ebenso natürlich auch den Handlungsplan Sprachen der Landesregierung, der noch nicht in diese Bewertung mit eingeflossen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, nach wie vor haben wir allerdings noch keine befriedigende Situation für den Medienbereich, besonders für die friesische Sprache. Obwohl mit FriiskFunk und Sylt Radio erste Ansätze vorhanden sind, sind diese jedoch allein durch Privatinitiativen und unterstützt durch die jeweiligen Landesregierungen entstanden. Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien fehlt uns hier aber nach wie vor der durchschlagende Erfolg.
Im Hinblick auf die Forderung des Sachverständigenausschusses, die Verbreitung der Minderheitensprachen Romanes zu erhöhen, muss natürlich auch gesagt werden, dass die deutschen Sinti und Roma häufig selbst den Wunsch äußern, ihre Sprache nicht an Außenstehende zu vermitteln oder sie im öffentlichen Raum zu sprechen. Da, wo dieses so ist, müssen wir es selbstverständlich respektieren. Das entbindet uns aber nicht - Herr Weiß - von unserer Aufgabe, uns selbstverständlich auch um diese Minderheitensprache angemessen und ausreichend zu kümmern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, viele wesentliche Beschlüsse zur Stärkung der Minderheit sind in diesem Haus stets von allen Fraktionen getragen worden. Das ist gut so und sollte weiter gepflegt werden. Wir tun dies auch in unseren verschiedenen Gremien. Somit werden wir es dann hoffentlich schaffen, auch die letzten unerledigten Verpflichtungen aus der Sprachencharta eines Tages als erfüllt ansehen zu dürfen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt 6.500 Sprachen auf dieser Welt - noch. Laut Linguisten stirbt alle zwei Wochen eine Sprache, und mit der Sprache geht viel Wissen um Kultur, Identität, Tradition, aber auch über die Natur und Umwelt der jeweiligen Sprachgruppe verloren. Das ist nachteilig für das jeweilige Land, eigentlich ist das nachteilig für die ganze Welt. Denn Sprachenvielfalt in einem Land trägt zum kulturellen Reichtum bei, sie fördert die Toleranz, sie fördert das Leben miteinander, und sie macht unsere Kinder weltoffen. Unser echter Norden ist auch deshalb etwas ganz Besonderes, weil in keinem anderen Bundesland so viele Regional- und Minderheitensprachen heimisch sind wie bei uns in Schleswig-Holstein. Plattdeutsch, Dänisch, Friesisch und Romanes bieten eine Sprachenvielfalt, die uns stolz macht und das Leben in vielerlei Hinsicht bereichert.
Gleichzeitig ist es aber auch unsere politische Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass diese Sprachen weiter gelebt werden und der Spracherwerb auch außerhalb der Familien angeboten wird. Es bedarf einer aktiven Sprachenpolitik, um das zu gewährleisten.
Deshalb danken wir der Landesregierung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, nicht nur für die Erstellung des dritten Sprachencharta-Berichts, sondern wir danken Ihnen und besonders auch unserer Minderheitenbeauftragten Renate Schnack vor allen Dingen für das Engagement für den Erhalt unserer Regional- und Minderheitensprachen.
Der echte Norden zeigt auch an dieser Stelle wieder Haltung, und man braucht eine entsprechende Haltung, wenn man eine aktive Sprachenpolitik machen will.