Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

Die Prüfungen sind für uns alles andere als Misstrauen. Ich finde, dass durch diesen Gesetzentwurf eigentlich alle gestärkt werden: die Prüfstrukturen der unterschiedlichen Ebenen, die dann hoffentlich kooperieren, die Beschäftigten in den Einrichtungen, Menschen mit Behinderung und wir als Politik, weil wir mehr Transparenz haben.

Wir freuen uns, dass es heute so weit ist, diesen historischen Beschluss hier einstimmig zu treffen. Vielen Dank.

(Beifall)

Für die Piratenfraktion hat der Herr Abgeordnete Torge Schmidt das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich ist es kein guter demokratischer Stil, einen bereits abgelehnten Gesetzentwurf immer wieder ins Plenum einzubringen. Allerdings, Herr Dr. Garg: Bei diesem Antrag war es zwingend erforderlich.

(Beifall PIRATEN und Tobias Koch [CDU])

Vor dem Antrag, über den wir heute abstimmen, liegen bereits mehrere einstimmige Beschlüsse des Landtags, die genau das fordern, was der Gesetzentwurf aussagt. Der älteste dieser Beschlüsse ist schon über 20 Jahre alt.

„Was lange währt, wird endlich gut“: So überschrieb Herr Dr. Garg seine Pressemitteilung vom 1. Juni 2016 zu diesem Thema. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei ihm für die Vehemenz bedanken, mit der er dieses Vorhaben vorangetrieben hat.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Dem Landesrechnungshof soll nun die Möglichkeit gegeben werden, bei der Eingliederungshilfe genauer hinzuschauen. Meine Vorredner haben es bereits mehrfach erwähnt: Es ist der größte Einzelposten im Haushalt. Es geht ausdrücklich nicht darum, bei der Eingliederungshilfe zu sparen, Leistungen zu kürzen oder Sozialleistungen abzubauen. Vielmehr ist Ziel des Prüfrechts zu kontrollieren, dass das Geld dort ankommt, wo es benötigt wird: nämlich bei den Menschen, die einen Anspruch darauf haben.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Lars Harms [SSW])

Vor allem geht es bei diesem Gesetzentwurf um Transparenz und Kontrolle. Eine Blackbox der Eingliederungshilfe darf es nicht geben.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Gerade weil zu erwarten ist, dass die Kosten der Eingliederungshilfe aufgrund des demografischen Wandels weiter steigen werden, wäre es fatal, wenn uns der Einzelposten finanzpolitisch über den Kopf wächst.

Zwar gibt es bereits ein Prüfrecht, nur wird von diesem Recht bislang kein Gebrauch gemacht. Das Land Schleswig-Holstein hat es geschafft, sich dieses Prüfrecht in den Verhandlungen über den Landesrahmenvertrag zu sichern. Es stehen für die Kommunen jährlich 1,5 Millionen € im Landeshaushalt zur Verfügung, um diese Prüfstrukturen aufzubauen. Diese Mittel werden jedoch derzeit nicht ausgezahlt, weil die Kommunen nicht imstande waren, über ein Konzeptpapier hinauszukommen.

Zwar wurde uns in der letzten Woche in einer wirklich denkwürdigen Ausschusssitzung von dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied des SchleswigHolsteinischen Landkreistages, Herrn Erps, erzählt, dass es in den letzten Jahren Prüfungen gegeben habe.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Zwei!)

Allerdings hat Herr Erps uns noch in derselben Sitzung vortrefflich gezeigt, warum dieser Gesetzentwurf wirklich geboten ist: Weder hat uns Herr Erps berichtet, wie die Prüfungsergebnisse aussehen, noch war er bereit, uns Abgeordneten diese Prüfungsergebnisse zukommen zu lassen. Der Landkreistag wolle und könne das nicht, wir sollten uns an den Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde wenden. Der aber darf sie uns überhaupt nicht geben.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht zuständig!)

Transparenz sieht definitiv anders aus.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das, was wir im Ausschuss erlebt haben, war eine totale Verweigerungshaltung. Dieser Auftritt von Herrn Erps hat nicht dazu beigetragen, den kommunalen Prüfstrukturen zu vertrauen.

(Rasmus Andresen)

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Dass genau der Kreis, der am lautesten für das Prüfrecht getrommelt hat, aus der KOSOZ ausgetreten ist und somit den Aufbau einer kommunalen Prüfungsstruktur blockiert hat, ist ein schönes Stück Realsatire. Das mag auch der Grund gewesen sein, der die Koalition dazu bewegt hat, nun endlich dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich dafür bedanken.

Ich finde es zu 100 % richtig, dass sowohl Staatssekretärin Langner als auch die Koalitionsfraktionen im Ausschuss deutlich gemacht haben, dass es sich bei dem Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs um eine ergänzende Prüfung handelt,

(Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

und dass die Bemühungen für den Aufbau einer kommunalen Prüfstruktur nicht eingestellt werden. Das ist richtig so.

Der Landesrechnungshof und die Kommunen werden dem sicherlich nicht im Weg stehen. Gerade bei diesem Einzelposten kann ein ergänzendes Prüfrecht sicherlich nicht schaden. Ich freue mich darüber, dass wir heute final über den Gesetzentwurf abstimmen, und empfehle meiner Fraktion, dem Entwurf zuzustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall PIRATEN, FDP und Kirsten Eick- hoff-Weber [SPD])

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Komm, sag ein- fach: Toll!)

Toll, Wolfgang, ja!

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Mit der Reform der Eingliederungshilfe hat man für erhebliche Neuerungen gesorgt. Nun steht eine weitere Änderung des Systems bevor. Ein Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs in Bezug auf die Eingliederungshilfe einzuführen, ist definitiv eine gute Sache. Ich bin froh, dass wir dies nach jahrzehntelangen Diskussionen jetzt endlich hinbekommen.

Wo vorher Intransparenz herrschte, wird nun für ein deutliches Mehr an Transparenz gesorgt. Ziel ist und war es, Ausgaben zu überprüfen, ohne die gesetzlich verankerten Rechte für Menschen mit Behinderung zu verkennen oder gar einzuschränken.

Das Prüfungsrecht ist zweifelsfrei eine anspruchsvolle Aufgabe, welche sich umfassend und vielschichtig darstellt. Es darf nicht nur darum gehen, die reinen Zahlen zu überprüfen, sondern es muss auch um die Inhalte und deren Sinnhaftigkeit gehen.

An erster Stelle muss immer der Mensch stehen. Deshalb macht es zudem Sinn, gewisse Kenntnisse der jeweiligen Mitarbeiter vorauszusetzen oder durch Weiterbildung zu schaffen. Nur durch die entsprechenden Fachkenntnisse kann ein bestimmtes Maß an Qualität abgeprüft und somit auch abgesichert werden. Wir stimmen den Aussagen des Beauftragten für Menschen mit Behinderung da voll und ganz zu, der eben genau auf diese nötigen Fachkenntnisse zur qualitativen Ausführung des Prüfrechts hinweist. Ich glaube, dass der Landesrechnungshof dies sehr gut hinbekommen wird.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass dieser Gesetzentwurf nicht darauf abzielt, den Kommunen ihre Fähigkeiten abzusprechen, im Gegenteil! Die Kommunen werden auch weiterhin die Inhalte und die Umsetzung ihrer Verträge prüfen müssen. Dabei gilt es, gemeinsam für eine noch bessere Eingliederungshilfe zu arbeiten, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Neben dem Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs wird es also auch in Zukunft die Prüfungen der Kreise und kreisfreien Städte geben. Es handelt sich also um einen Paradigmenwechsel, den wir als SSW eindeutig positiv bewerten.

Was wir jedoch bedauern, ist, dass es noch nicht gelungen ist, sich auf der Ebene der kommunalen Landesverbände darauf zu einigen, die kommunalen Prüfungen durch eine gemeinsam getragene Institution durchführen zu lassen. Es wird Geld zur Verfügung gestellt, damit die Kommunen ihre Kompetenzen bündeln können.

Ich bin zuversichtlich, dass man hier bis zum Ende des Jahres doch zu einer Lösung kommen wird, auch wenn es in der letzten Finanzausschusssitzung noch nicht so aussah. Manchmal aber führen auch personelle Diskontinuitäten dazu, dass man sich etwas besser einigen kann.

(Torge Schmidt)

(Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] - Heiterkeit FDP und Birgit Herdejürgen [SPD])

Wir werden die Gesprächspartner dabei jedenfalls bestmöglich unterstützen, um die verbliebenen Fragen so bald wie möglich zu klären. Ich hoffe, dass wir dann eine gemeinsame Einrichtung der Kommunen hinbekommen.

Alles in allem muss man verstehen, dass die Herausforderungen in Bezug auf die Eingliederungshilfe natürlich weiterhin bestehen bleiben. Die Bedarfe, Ansprüche und auch Kosten werden sich in Zukunft weiter verändern. Was die Kosten angeht: Die Kosten werden definitiv steigen, dessen müssen wir uns bewusst sein. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, passende Rahmenbedingungen in punkto Zusammenarbeit und effizienten Mitteleinsatzes zu bieten.

Die Erkenntnisse des Landesrechnungshofs werden hoffentlich zu einer qualitativen Verbesserung bei der Eingliederungshilfe führen.

Für eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen sind gewiss noch viele Schritte zu gehen. Mit dem Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs wird ein weiterer wichtiger Schritt für die Menschen mit Behinderung bei uns im Land getan. Das Geld, das eingesetzt wird, soll effizient eingesetzt werden für die Menschen mit Behinderung. Genau darum macht es Sinn, dass auch die kommunale Ebene prüft, dass sie eine gemeinsame Ebene haben, und dass dann auch der Landesrechnungshof prüft. Beides zusammen ist dann wirklich das umfassende Prüfungsrecht, das wir uns alle für die Menschen mit Behinderung wünschen. Um die geht es eigentlich. Für die tun wir heute etwas Gutes. - Vielen Dank.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. - Dann hat jetzt die Landesregierung das Wort. Das Wort hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit.

Danke schön, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Steigende Fallzahlen und Ausgaben, das sind die Schlagworte,

die die Eingliederungshilfe in den Fokus der Öffentlichkeit bringen. Das finde ich auf der einen Seite bedauerlich, weil im Mittelpunkt die Frage nach guten und passgenauen Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung stehen sollte. Es ist auf der anderen Seite aber auch notwendig, insbesondere vor dem Hintergrund einer Schuldenbremse und einer alternden Gesellschaft mit evidenten Auswirkungen auf die Sozialsysteme. Vorredner haben darauf schon hingewiesen. Die Dynamik des Ausgabenanstiegs in der Eingliederungshilfe ist ungebrochen. Dies dürfte, zum Beispiel angesichts der Veränderungen in der Altersstruktur der Leistungsberechtigten, bis auf Weiteres und auf Dauer so bleiben.