Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

(Martin Habersaat [SPD]: Hört, hört!)

Frau Rathje-Hoffmann, jedes Kind soll gleich viel wert sein. Da gab es eine Unwucht.

Da bin ich bei dem Punkt, der wohl Frau Klahn, Frau Midyatli, Herrn Flemming Meyer und mich eint: Wir müssen an die Kita-Finanzierung heran. Sie ist ein Dschungel, das stimmt. Wir alle haben das schon kritisiert, und ich gebe zu: Wenn man uns im Kita-Bereich etwas vorwerfen kann, dann, dass die Kita-Finanzierung nicht transparenter geworden ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist das nächste große Projekt nach der Wiedereingliede- rungshilfe!)

Ich hoffe, dass wir die Kraft haben, in der nächsten Legislaturperiode hier gemeinsam einen Schritt zu machen. Ich hoffe, dass wir es gemeinsam hinkriegen, damit wir unseren Kommunalpolitikern und Kommunalpolitikerinnen auch in zwei Sätzen erklären können, was wir ihnen alles Gutes tun.

(Hauke Göttsch [CDU]: Ja, genau!)

Momentan sind es so viele verschiedene Töpfe. Das müssen wir einen. Ich glaube, dass wir es zusammen hinbekommen können, und freue mich auf die Beratung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wehe!)

Doch, ich tue es! - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dr. Garg und ich haben gerade darüber gesprochen, dass wir Anke Erdmann und ihn für das „Dschungelcamp“ anmelden. Dann schauen wir einmal, wer Dschungelkönig wird!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein! - Rasmus An- dresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was habt ihr denn für Themen? - Christopher Vogt [FDP]: Ich kenne die Sendung gar nicht!)

Meine Damen und Herren, ursprünglich hatte die Koalition vorgesehen, die frei werdenden Betreuungsgeldmittel des Bundes an die Kommunen für

den Betrieb und den Bau weiterer Kindertagesstätten und für die Stärkung der Sprachförderung weiterzuleiten. Es ist bedauerlich, dass diese Mittel jetzt einfach in diese Prämie gesteckt werden. Grundsätzlich ist jede Entlastung junger Familien zu begrüßen. Da zählt in der Tat jeder Euro.

Ich weiß nicht, ob ich es richtig gehört habe, Frau Alheit: Wenn Sie sagen, Familien zahlen durchschnittlich 210 €, sage ich Ihnen: Ganz ehrlich, schauen Sie sich die Realität an! Es gibt Beträge, die liegen weit über 600 €. Ich gehe später noch darauf ein.

(Serpil Midyatli [SPD]: Im Durchschnitt! - Weitere Zurufe)

- Sie wissen, dass ein Durchschnittswert immer hinkt, Frau Midyatli.

Leider löst diese Krippenprämie nicht die grundsätzlichen Probleme, die zu den hohen Elternbeiträgen im Krippen- und Kindertagesbetreuungssystem führen. Nehmen Sie einfach mal die Realitäten zur Kenntnis: Die Betriebskosten der Krippen und Kindertagesstätten steigen kontinuierlich an. Mieten und Herstellungskosten sind regional sehr unterschiedlich. Stromkosten sind durch politische Entscheidungen extrem angestiegen. Versicherungen, Telefon und Verwaltung werden teurer. Die Liste ist lang.

Den großen Anteil machen seit jeher die pädagogischen Personalkosten aus. Das ist bei einer eigentlich viel zu dünnen Personaldecke und grundsätzlich zu großen Gruppen so. Das Problem ist älter als 20 Jahre. Besser qualifiziertes Personal und tarifliche Erhöhungen sind gewollt, sorgen aber für einen weiteren Kostenanstieg.

Wir wollen, dass junge Menschen Familien gründen. Wir wollen, dass sie Kinder bekommen. Wir wollen aber gleichzeitig auch, dass Mütter und Väter gleichberechtigt ihre Berufe ausüben können. Das müssen sie heutzutage auch, um ihre wirtschaftliche Grundlage und vor allem ihre Altersvorsorge zu sichern. Auch die Wirtschaft braucht diese Fachkräfte.

Daraus resultiert ein prozentual anwachsender Bedarf an Betreuungsplätzen für U 3 und Ü 3. Wenn also die Betriebs- und Personalkosten derart ansteigen, gleichzeitig aber mehr Plätze vorgehalten werden müssen, kostet das die Kommunen als Träger der Betreuungseinrichtungen richtig viel Geld.

Im Kern ist die undurchsichtige und komplexe Finanzierungssystematik das Hauptproblem. Dadurch entstehen erhebliche Kosten für das Land, wenn wir

(Anke Erdmann)

hier Veränderungen herbeiführen würden. Ehrlicherweise muss man sagen: Das hat sich bisher keine Landesregierung getraut.

Die Kommunen leiden also unter steigender Kostenlast. Viele haben seit Langem strukturelle finanzielle Schwierigkeiten. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs hat auch bisher finanziell stabilen Kreisen einen Dolchstoß versetzt, sodass diese ihre freiwilligen Leistungen reduzieren. Sie müssen sie sogar reduzieren, denn sonst werden ihre Haushalte nicht genehmigt.

(Beifall FDP)

Am Ende der Kette stehen immer die Eltern, die die höheren Beiträge für die Kinderbetreuung zahlen müssen. Ganz ehrlich: Ein Investitionskostenzuschuss für energetische Sanierung hilft den Eltern relativ wenig. Diese Sanierungen amortisieren sich teilweise erst nach 20 Jahren. Da werden dann schon wieder Renovierungen nötig.

(Beifall FDP)

Es gibt viele Beispiele für die hohen Beiträge. Man muss gar nicht bis an den Hamburger Rand schauen. So hat zum Beispiel eine Gemeinde im Kieler Umland die Beiträge für eine Acht-Stunden-Betreuung im U-3-Bereich von 440 € auf 550 € erhöht, und zwar ohne das Essen, und dann natürlich schon zu Beginn des nächsten Kita-Jahres im August 2016. Aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde habe ich gerade gestern Abend noch die Rückmeldung von einer Gemeindevertreterversammlung bekommen: Dort hat man die Kosten für eine Neun-Stunden-Betreuung um 160 € erhöht.

Meine Damen und Herren: Nun erklären Sie mir einmal, wie Sie da mit 100 € die Eltern großartig entlasten!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir fangen jeden- falls an! - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 100 € sind eine Entlastung!)

Es wird zu keiner wirklichen Entlastung der Eltern kommen, im Gegenteil: Die Eltern können froh sein, wenn diese 100 € die anstehenden Erhöhungen kompensieren und sie nicht weiter belastet werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In die linke Tasche rein und aus der rechten Tasche wieder raus!

(Beifall FDP - Peter Eichstädt [SPD]: Reine Diskriminierung!)

- Herr Kollege Eichstädt: Kommen Sie wieder herunter! Das trifft auch im Kreis Herzogtum Lauenburg zu.

(Zuruf Peter Eichstädt [SPD])

Ganz ehrlich: Von dieser leichten finanziellen Entlastung haben die Eltern in der Regel höchstens zwei Jahre etwas, weil die Eltern für Kinder mit vier, fünf und sechs Jahren wieder die vollen Beiträge bezahlen müssen. Die Erhöhungen wirken sich auch im Kita-Bereich aus.

Was Sie tun, ist: Sie schaffen sieben neue Arbeitsplätze beim Landesamt für soziale Dienste. Hinzu kommen laufende Bürokratiekosten in einer jährlichen Höhe von 50.000 € sowie Kosten für die softwaremäßige Abwicklung von über 275.000 €. Das ist Geld, das ich wirklich gern den Kindertagesstätten zur Verfügung stellen würde.

(Beifall FDP)

Wen wollen sie eigentlich glauben machen, dass es bei diesen Kosten bleibt? Nach allen bisherigen Erfahrungen werden auch diese Kosten noch erheblich ansteigen, Stichwort KoPers, Stichwort Korruptionsregister. Das wird den Landeshaushalt entsprechend belasten.

Die Krippenprämie ist nicht das, was die Eltern wollen. Die Eltern wollen vorrangig mehr Qualität in Krippe und Kita.

(Zurufe SPD)

Sie wollen gut ausgebildetes Personal und bessere Personalschlüssel, die auch kleinere Gruppen ermöglichen. Ansonsten ist eine Umsetzung der Bildungsleitlinien nicht möglich. Das, wofür Sie sich loben, ist eine geringfügige Aufstockung bei den Ganztagsgruppen, das vorwiegend im städtischen Bereich.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Partei der Besser- verdienenden!)

Sie spielen dort wieder einmal Stadt gegen Land aus.

(Beifall FDP)

Vertretungsregelungen, flexiblere, bedarfsgerechte Betreuungszeiten, weniger Schließungszeiten, Förder- und Bildungsangebote, einen gut gestalteten Übergang von der Kita in die Schule und nicht noch mehr Verwaltung, das wäre Familien stärken und gute Kita-Politik betreiben!

(Beifall FDP)

(Anita Klahn)

Anstatt Prämien auszuloben, packen wir die überfällige Modernisierung des Kita-Gesetzes an. Wir wollen bessere Steuerungsinstrumente, um die Qualität im Kita- und Krippenbereich zu stärken, regionale Engpässe zu vermeiden und ein plurales Angebot zu sichern. Auch sollten Eltern, wie es in der modernen Sozialgesetzgebung eigentlich üblich ist, endlich als Anspruchsberechtigte behandelt und nicht zu reinen Leistungsempfängern degradiert werden.