Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst im Namen der FDP-Fraktion bei der Landesregierung für den Bericht und grundsätzlich dafür bedanken, dass Sie sich der Thematik, die ja letztendlich auf Initiative der FDP-Fraktion ins Rollen gekommen ist, angenommen haben.
Meine Damen und Herren, der besondere Schutz von Frauen und Kindern muss uns allen ein Anliegen sein. Gerade Flüchtlingsfrauen, aber auch viele Kinder kommen nicht selten aufgrund von geschlechtsspezifischer Gewalt und Verfolgung nach Deutschland. Die Zahl hat sich von 2015 auf 2016 geradezu verdoppelt. Im Jahr 2015 hatten wir 27 % Frauen, davon waren 41 % weibliche Jugendliche. Im Jahr 2016 gab es im ersten Quartal - Frau Lange, da habe ich eine andere Zahl - 41 % Frauen, und dabei gab es bei diesen Jugendlichen einen Anstieg auf 47 % bei weiblichen Jugendlichen. Diese Betroffenen haben schon in ihren Herkunftsländern oder auch auf ihrer Flucht entsprechende Erfahrungen machen müssen.
Gerade wegen dieser Vorerfahrungen sind die Frauen und Kinder in unserem Sinne besonders schutzbedürftig, vor allem in einem ganz kritischen Umfeld wie Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen die Rahmenbedingungen für die Betroffenen schon strukturell prekär sind. Sie leben hier auf engstem Raum mit zum Teil bis zu 1.000 anderen Flüchtlingen. Zweierbelegung durch Ausbau und reduzierte Zugänge werden langsam erreicht. Es herrschen trotzdem Isolation und Überfüllung, und es gibt kaum Beschäftigung. Rückzugsräume sind knapp, und die Privatsphäre ist extrem eingeschränkt.
Ich finde, es ist wenig hilfreich, zu beschönigen und zu sagen, dass wir jetzt auf dem Weg sind, dass es langsam besser wird. Wir wissen nicht, was in den nächsten Monaten auf uns zukommt. Wir kön
Dass in einem solchen Klima die Gefahr von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt stark erhöht ist, dürfte niemanden verwundern, wiegt aber umso schwerer, als die Betroffenen in ihren rechtlichen Möglichkeiten und damit in ihrer Wehrfähigkeit eingeschränkt sind. Die im Bericht der Landesregierung genannten Zahlen zu Sexualdelikten im Zusammenhang mit Flüchtlingen zeigen dies ausschnittartig. Ich bin überzeugt, dass es auch hier eine große Dunkelziffer gibt und dass man sich durch die niedrig scheinenden Zahlen im Angesicht der Gesamtzahl von Flüchtlingen nicht in Sicherheit wähnen sollte.
Deshalb sind die Maßnahmen der Landesregierung durchaus zu begrüßen. Die getrennte Unterbringung von besonders Schutzbedürftigen, die Zusammenarbeit mit jedenfalls generell qualifiziertem Personal und, besonders wichtig, die Aufklärung von asylsuchenden Frauen über ihre Rechte, und zwar gerade in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt, und ihre Rechte in Deutschland sind ohne Frage Schritte in die richtige Richtung.
Aber an der einen oder anderen Stelle hätte sich meine Fraktion schon wesentlich konkretere Ausführungen gewünscht. Ganz grundsätzlich: Gibt es eigentlich landeseinheitliche Standards? Die Belange und Rechte von Kindern und Frauen dürfen nicht davon abhängig sein, in welcher Einrichtung sie untergebracht sind. Es kann nicht sein, dass Hilfsangebote an die persönlichen Anstrengungen der Leitung und einzelner Mitarbeiter gebunden sind. Generell ist auch die Frage offen, wie insbesondere die weiblichen Flüchtlinge über ihre Rechte und Schutzmöglichkeiten informiert werden, wenn sie nicht alphabetisiert sind. Auch wäre die Errichtung eines möglichst dezentralen unabhängigen Beschwerdemanagements für Frauen und Kinder eine sinnvolle Maßnahme. Dies ist im Übrigen eine Forderung der Landesarbeitsgemeinschaft der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten.
Dass Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt werden, in andere Einrichtungen oder Frauenhäuser verlegt werden, sollte deshalb selbstverständlich sein,
wenn eine Trennung vom Täter in einer Erstaufnahmeeinrichtung angesichts der zahlreichen von allen zu nutzenden Räumen in der Regel kaum möglich ist. Hier könnte man über verbindliche Schnellver
fahren für die Umverteilung nachdenken. Zumindest muss durch Leistungsvereinbarungen mit den Trägern der Erstaufnahmeeinrichtung und auch von späteren Gemeinschaftsunterkünften in den Kommunen gewährleistet werden, dass Gewaltschutzkonzepte vorliegen und auch eingehalten werden. Dazu gehören dann auch sichere Schlafräume und getrennte Toiletten.
Ich hoffe, dass die Landesregierung ihren Einfluss nutzt und ein besonderes Augenmerk auf die Qualifikation der in den Einrichtungen beschäftigten Sicherheitsdienste legt und dafür Sorge trägt, dass auch in angemessener Zahl weibliche Kräfte eingesetzt sind, dass diese geschult und sensibilisiert sind für das Thema Gewalt und sexuelle Belästigung.
Die weitere Beratung erfolgt sicherlich im Sozialausschuss. Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen wir kommen. - Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte die Rede anstelle meiner erkrankten Kollegin Angelika Beer. - Ich danke der Landesregierung für den umfangreichen Bericht, genauso wie meine Vorredner auch, und ich beginne damit, dass alle schutzbedürftigen Personen, egal ob Frauen, Kinder oder LGPT-Flüchtlinge, ein Anrecht auf Schutz vor Misshandlung und Gewalt haben. Dieser Schutz muss auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen gewährleistet sein. Neben der Prävention dieser Taten muss den Opfern dieser Gewalttaten geholfen werden.
Der Anteil von Frauen und minderjährigen Flüchtlingen ist im ersten Quartal 2016 deutlich gestiegen, und das Land hat darauf auch angemessen reagiert. Dieser Bericht stimmt mich zuversichtlich, dass das Land offensichtlich auf diese Entwicklung vorbereitet ist. Dass es in den Erstaufnahmeeinrichtungen getrennte Sanitätseinrichtungen sowie räumlich abgetrennte Bereiche für allein reisende Frauen und auch für Familien gibt, begrüße ich, wobei ich ausdrücklich sagen muss: Ich habe vor Ort auch anderes erlebt. Beispielsweise war es in Kellinghusen, diese Einrichtung ist - so meine ich - geschlossen, immer noch so, dass alles gemeinschaftlich ge
Günstig war, dass die nachlassende Anzahl von Flüchtlingen zu der Möglichkeit führte, weitestgehend Zweierbelegung hinzubekommen, weil die Flüchtlinge weniger wurden.
Kommen wir zu den bedauerlichen Vorfällen in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Zwischen September 2015 und Februar 2016 wurden insgesamt 55 Sexualstraftaten gemeldet, davon 29 Straftaten gemäß § 177 Strafgesetzbuch. Zwischen Oktober 2015 und Februar 2016 hat es 67 Fälle von häuslicher Gewalt zwischen Flüchtlingen gegeben. Jeder Fall ist einer zu viel. Wenn ich mir die Dunkelziffer vorstelle, die wir allgemein immer zugrunde legen, dann machen diese Zahlen schon schummerig, das muss man klar sagen, denn der Faktor zehn ist anzunehmen, und das ist alles andere als günstig.
Die Zahlen zeigen uns aber auch, dass es mit Prävention und Schutzmaßnahmen nicht getan ist. Wir leben hier in einer anderen Kultur und Gesellschaft, und es ist wichtig, dass die Flüchtlinge frühzeitig über die Rollen und Rechte von Frauen und Kindern und sexuellen Minderheiten aufgeklärt werden, um Konflikte und Übergriffe bereits im Keim zu ersticken. Dieser konzeptionelle Anlass, der in dem Bericht vorgestellt wird, geht aus unserer Sicht nicht weit genug auf diese kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede ein. Der Schutz von Frauen und Kindern und von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen beginnt bereits bei der Vermittlung der Tatsache, dass übergriffiges Verhalten gegenüber anderen Menschen nicht toleriert wird und ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht.
Wir begrüßen die Initiative des Landes und der Kreise und kreisfreien Städte zur Betreuung von Frauen, Kindern und LGPT-Flüchtlingen weitreichende Angebote zur Verfügung zu stellen und ihnen somit aktiv zu helfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürgerkrieg, Vertreibung, Verfolgung und Flucht prägen diese Menschen für ihr ganzes Leben. Die Kollegin von Kalben sprach davon. Deshalb ist es wichtig, dass die Betreuungsangebote auf diese besonders traumatischen und seelischen Belastungen der Flüchtlinge eingehen. Oft sind es diese Extrembelastungen und die posttraumatischen Erfahrungen, die zu Stress und Konfliktsituationen führen.
Flüchtlingsunterkünften zu beseitigen, sondern auch um die spätere Integration der Menschen in unsere Gesellschaft zu erleichtern, denn darauf kommt es ja auch an.
Der Bericht der Landesregierung zeigt uns, dass der Wille vorhanden ist und dass Schleswig-Holstein auf einem guten Weg ist, diese wirklich große gesellschaftliche Herausforderung zu meistern. Ohne die ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bund, Land, Kommunen, Organisationen und den vielen ehrenamtlichen Helfern und Akteuren vor Ort hätten wir es ohnehin nicht so weit geschafft. Ich hoffe, dass wir gemeinsam unsere politischen Möglichkeiten nutzen, um den Schutz von Frauen, Kindern und LGBT-Flüchtlingen in solchen Einrichtungen zu verbessern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer dort, wo viele Menschen auf engem Raum miteinander auskommen müssen, kommt es zwangsläufig zu Reibereien. Frust wird abgebaut, indem auf die Schwächsten eingehackt wird. Der Kindesmissbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, betonte in einem „Spiegel“-Interview im letzten Oktober, dass das besonders für Flüchtlingsunterkünfte gelte. Dort bestünden kaum Rückzugsmöglichkeiten, sodass in dieser drängenden Enge Schranken schnell fallen könnten. Dieses Problem ist auch aus anderen Institutionen wie aus Schulen oder Kasernen bekannt. Darum haben die allermeisten dieser Institutionen inzwischen einen klaren Verhaltenskodex, damit es gar nicht erst dazu kommt.
Nach Vorfällen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen mehrten sich die Warnungen, dass es in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Schleswig-Holstein zu entsprechenden Verstößen, Übergriffen oder Vergewaltigungen kommen könnte. Angesichts der Enge des Raumes dort scheint das naheliegend. Darum setzt die Landesregierung auch konsequent auf die Zweierbelegung in den Einrichtungen. Davon profitieren vor allem alleinstehende Frauen und
Das Thema der Übergriffe in den Einrichtungen ist ja keineswegs neu. Die Landesregierung hat bereits heute eine Reihe von Schutz- und Betreuungsmaßnahmen für Flüchtlinge umgesetzt und entsprechend qualifiziertes Personal vor Ort beschäftigt. Die Fortbildung aller, die in den Einrichtungen tätig sind, ist gelebte Praxis in allen Einrichtungen, und das Vorliegen eines Führungszeugnisses ist natürlich auch selbstverständlich.
Daneben bietet die Landesregierung ein Bündel von Maßnahmen, das sexualisierte Übergriffe in den Einrichtungen effektiv verhindern soll, wie zum Beispiel entsprechende Freiflächen für Kinder und Jugendliche. Eines möchte ich aber feststellen: Wer gewalttätig wird und gegen geltendes Recht verstößt, bekommt es mit der Polizei zu tun. Es gibt bei Gewaltverbrechen keinerlei Unterschied zwischen Alter, Wohnort, Herkunft, sozialer Vorgeschichte oder Sonstigem. Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung machen da keine Ausnahme. Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Polizeibehörden, dass sie das genauso in den Erstaufnahmeeinrichtungen handhaben, und der vorliegende Bericht macht das eindrucksvoll deutlich.
Die Statistiken weisen nur wenige Fälle nach, davon 29 Anzeigen wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung.
Ich höre immer mal wieder, dass man die offiziellen Tatstatistiken nicht so ernst nehmen solle, schließlich sprächen die Beteiligten kaum oder nur schlechtes Deutsch und könnten gar keine Anzeige erstatten. Die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtungen seien darüber hinaus traumatisiert und daher nicht in der Lage, sexuelle Übergriffe zur Anzeige zu bringen. Die Dunkelziffer sei entsprechend hoch, und wir hätten es mit weit mehr Fällen zu tun als den im polizeilichen System registrierten Taten.
Diesen Spekulationen widerspreche ich. Es gibt Dolmetscher, und Flüchtlinge können sich auch untereinander helfen. Wir müssen die Zahlen nicht zwangsläufig großreden - natürlich auch nicht kleinreden -, um der Monstrosität der Tat zu entsprechen. Zur Dunkelziffer kann man kaum seriöse Angaben machen, darum heißt es ja auch Dunkelziffer. Es gilt aber als gesichert, dass es bei Vergewaltigungen in deutschen Wohnstuben auch eine Dunkelziffer von Taten gibt, die nicht angezeigt
Aber vor allem geht es mir um etwas anderes: Das Gerede von einem kriminellen Geschehen in den Einrichtungen wird gespeist von alten, offenbar nur schwer ausrottbaren Vorurteilen, wonach die Fremden vor allem eines sind, und zwar Verbrecher, kriminelle Subjekte, denen man sich mit äußerster Vorsicht anzunehmen habe. Hier sollen Flüchtlinge ohne Grund pauschal kriminalisiert werden. Eine pauschale Kriminalisierung von Flüchtlingen ist nicht hinnehmbar. Die Polizeistatistiken lassen das nicht zu. Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Flüchtlinge sind nicht per se krimineller als andere.
Die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Flüchtlingsbetreuer betonen unisono, dass es sich bei den Flüchtlingen um ganz normale Menschen handelt, mit ganz normalen Problemen und auch ganz normalen Kriminalitätsraten.
Die Erstaufnahmeeinrichtungen sind vorübergehende Wohnstätten. Sie sind nicht für die Dauer gedacht. Am besten gelingt Integration nämlich in kleinen Einheiten, am besten mit einer eigenen Mietwohnung und entsprechenden Angeboten, Deutsch zu lernen und arbeiten zu können. Das ist meines Erachtens die beste Präventionsmaßnahme gegen sexualisierte Gewalt: die schnelle Integration in unsere Gesellschaft.