Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir im Landtag Debatten in Sachen Videoüberwachung führen. Uns liegen zwei Berichte und Beschlussempfehlungen vor zu Anträgen, die ein ordentliches und ausführliches parlamentarisches Verfahren durchlaufen haben. Es hat jeweils eine Debatte hierzu im Parlament gegeben. Sie wurden in mehreren Sitzungen in den Ausschüssen beraten. Darüber hinaus hat es Anhörungen dazu gegeben. Das ist ein fairer Umgang mit den Anträgen und dem Thema auch angemessen.
Wenn es um Videoüberwachung geht - ob in Bussen, Zügen oder Bahnhöfen -, dann sind wir ganz schnell auch in einem Bereich der Persönlichkeitsrechte. Die Beobachtung von Personen im öffentlichen und nicht öffentlichen Raum und die Aufzeichnung der Bilder stellen Eingriffe in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Auf der anderen Seite geht es bei der Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen um das Schutzbedürfnis der Menschen und um Verbrechensaufklärung. Wir befinden uns hier immer in einem Abwägungsprozess.
Daher liegt es an uns, an der Politik, zu entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen und wie wir ihn einschlagen wollen. Das Bild der Totalüberwachung, das von den PIRATEN gern gezeichnet wird, ist meines Erachtens so übertrieben wie falsch. Von solch einem Szenario sind wir so weit entfernt wie Herr König von der Realität.
Wir haben uns inzwischen eine klare Linie erarbeitet, und die ist sicherlich fraktionsübergreifend gültig: Der Landtag lehnt sowohl die Datensammelwut jeglicher Art als auch freie Zugriffsrechte auf Videodaten sowie die dauerhafte Speicherung von Daten ab. Wir haben hier im Haus den Konsens, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch technisch umgesetzt werden darf. In jedem Fall müssen die datenschutzrechtlichen Fragen im Vorwege geklärt sein.
Hier kommt es zum Beispiel darauf an, genau und restriktiv festzulegen, wie lange Aufnahmen gespeichert werden können und dass Videoaufnahmen auch automatisch - also ohne willkürlichen Eingriff
des Menschen - getätigt werden. So kommt es überhaupt nicht infrage, dass beispielsweise Eisenbahnunternehmen Bilddateien aus ihren Zügen dauerhaft speichern.
Genauso gilt, dass wir keine Notwendigkeit für eine lückenlose und anlasslose Videoüberwachung im Schienenpersonennahverkehr sehen. Der Einsatz von Videoüberwachung darf nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall vorgenommen werden. Das kann auch bedeuten, dass die Videoüberwachung auf bestimmten Strecken zulässig sein kann.
Wenn wir über Kameras in Zügen sprechen, dann müssen wir die Einsatzbereiche genau festlegen und die Weiterverarbeitung der Daten, deren Speicherung und Zugriffsrechte genau festlegen. Nach unserer Auffassung muss auch offen darauf hingewiesen werden, dass Kameras installiert sind. Wenn all das eingehalten wird, dann ist der Eingriff in die Privatsphäre hinnehmbar. Unterhalb dieser Schwelle sollte man sich allerdings nicht bewegen.
Bezüglich der Videoüberwachung an Bahnhöfen liegt uns eine Beschlussempfehlung vor, die unter anderem von den PIRATEN mitgetragen wird, in der die Deutsche Bahn gebeten wird, eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung von Wirksamkeit, Kosten, unerwünschten Nebenwirkungen und Alternativen zu Videoüberwachung oder -aufzeichnung von Fahrgästen an Bahnhöfen und in Fahrzeugen in Auftrag zu geben. Insbesondere sollen die Ergebnisse Aufschluss über die Straftaten, deren Häufigkeit und Aufklärungsrate im Vergleich von Bahnhöfen und Fahrzeugen mit und ohne Videoüberwachung geben. Bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse soll die Videoüberwachung oder -aufzeichnung von Fahrgästen nicht ausgeweitet werden.
Für den SSW stelle ich fest, dass wir uns ausführlich und umfangreich mit dem Thema Videoüberwachung in Zügen und Bahnhöfen befasst haben. Zudem wurde eine Untersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnis wir abwarten sollten, bevor wir Schlussfolgerungen ziehen. Daher werden wir auch den neuen Antrag der PIRATEN ablehnen.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Mein Kollege Uli König hatte zehn Minuten Zeit, Ihnen den Komplex in aller Fülle darzulegen, er konnte aber nicht - da die Zeitmaschine noch nicht erfunden ist - auf das Falsche eingehen, was Sie danach gesagt haben.
- Herr Abgeordneter Dr. Garg, als Akademiker sollte man das wissen, dass man da jetzt nicht rumsteht.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Dazu gehört erstens die Darstellung des Kollegen Kai Vogel, am Bonner Hauptbahnhof hätte Videoüberwachung einen terroristischen Anschlag verhindert. Das ist völliger Unfug.
Fakt ist, dass am Bonner Hauptbahnhof im Jahr 2012 ein Reisender eine herrenlose Tasche gemeldet hat und daraufhin die Bombe entschärft wurde, und man den Tatverdächtigen, der inzwischen bekannt ist, insbesondere anhand von DNA-Mustern identifiziert hat, nicht anhand der Videoüberwachung. Er saß im Übrigen bereits wegen einer anderen Tat in Untersuchungshaft. Das ist der Fakt.
Und zum Zweiten war falsch, was Andreas Tietze sagt, dass es keine Videoüberwachung in schleswig-holsteinischen Zügen gäbe. Das ist doch Blödsinn. Natürlich gibt es die, und zwar wurde sie auch unter Ihrer Regierung eingeführt, und zwar im Netz Mitte. Seit letztem Jahr, seit dem Beginn des neuen Verkehrsvertrags im Netz Mitte, ist der Betreiber Deutsche Bahn verpflichtet worden, alle Züge zwischen Flensburg, Kiel und Hamburg verdachtslos per Video zu überwachen.
Sie haben das eingeführt. Wir fordern in unserem Antrag, diese Verpflichtung zur Überwachung aufzuheben.
Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer.
(Beifall SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Meyer, sagen Sie doch einfach: Ich ver- weise auf die Vorlage! - Heiterkeit)
Ich kann nicht auf die Vorlage verweisen, weil meine Frau mir den Auftrag mitgegeben hat zu sagen, dass sie Videoüberwachung in Zügen gut findet, weil das ihr Sicherheitsempfinden erhöht.
Warum lassen wir in Vergabeverfahren der NAH.SH GmbH, in die Ausschreibungsverfahren was die Ausrüstung der Fahrzeuge angeht, das Thema Videoüberwachung mit einbeziehen? Warum? Erstens. Videoüberwachung erhöht das subjektive Sicherheitsgefühl. Das ist unbestritten.
Zweitens: Videoüberwachung hat eine Abschreckungswirkung, bewirkt eine Verbesserung der realen Lage, das hat auch etwas mit dem Thema Vandalismus zu tun.
Und: Videoüberwachung dient zur Aufklärung von Straftaten. Der Fahrgastverband PRO BAHN hat sich übrigens in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses zum Thema Videoüberwachung klar positioniert und befürwortet die Ausstattung der Nahverkehrszüge mit entsprechender Technik.
- Meine Damen und Herren, auch wenn das Fußballspiel jetzt begonnen hat: Umfragen zeigen, dass das Sicherheitsempfinden in den vergangenen Jahren abgenommen hat. Wie kann man aber jemanden davon überzeugen, den ÖPNV zu nutzen, wenn er sich nicht mehr so sicher fühlt wie früher? Genau
das aber ist unser Ziel: dass mehr Menschen den ÖPNV nutzen. Wir brauchen gute Verbindungen: schnell, häufig und pünktlich. Wir brauchen moderne Züge und guten Service. Dazu gehören auch mehr Sicherheit und ein höheres Sicherheitsempfinden der Fahrgäste. Das gehört zum ÖPNV dazu.
Nun könnte man das alles mit geschultem Personal tun, aber auch das hat seine Grenzen. Wir dürfen auch nicht allein auf Videoüberwachung setzen, sondern wir müssen an das Thema breiter heran. Dazu gehört natürlich die Modernisierung der Bahnhöfe und Fahrzeuge, dazu gehört auch die Helligkeit der Beleuchtung. Dazu gehört die Überschaubarkeit und in Fahrzeugen natürlich der Sichtkontakt zum Fahrer - ganz wichtig.
Absolute Sicherheit kann niemand garantieren. Das wissen wir. Das ist eine Binsenweisheit. Um das subjektive Sicherheitsgefühl zu steigern - und das objektive -, ist Videoüberwachung nur eine Möglichkeit. Übrigens, für alle, die sich geografisch auskennen: Nicht nur im Netz Mitte haben wir bereits Videoüberwachung, sondern natürlich auch in den S-Bahn-Zügen des HVV. An der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein wird man dann auch keinen Unterschied machen, ob man gerade in Wedel ist oder in Rissen, oder ob man in Pinneberg oder in Lurup ist. Auch dort gibt es die entsprechende Videoüberwachung in den S-BahnZügen.
Natürlich müssen wir den Datenschutz beachten. Wir müssen die rechtlichen Vorgaben beachten. Deswegen ist es gut, dass das Gutachten, von dem die Rede war, auch tatsächlich erstellt wird, und dass wir das vernünftig auswerten. Das werden wir gemeinsam tun.