Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

Schleswig-Holsteins Gemeinden sind eben so klein, dass es nicht einmal den großen Parteien, oft auch nicht der CDU, gelingt, ausreichend Bürgerinnen und Bürger für die politische Arbeit zu motivieren. Für die kleinen Parteien ist es dann umso schwerer. In einer kleinen Gemeinde findet sich niemand, der ohne Unterstützung und allein in einem Gemeinderat für seine Partei politisch mitgestalten kann. Also schließt er oder sie sich dann einer Wählergemeinschaft an. So kommt es, dass die Kleinheit der Strukturen das Aufkommen der angeblich parteiübergreifenden Wählervereinigungen natürlich auch befördert.

Es ist zu bezweifeln, ob diese Notlösung die Demokratie und die Vielfalt in unserem Land fördert. In 327 Gemeinden, in einem Drittel der Gemeinden von Schleswig-Holstein, ist die Kommunalwahl schon vor dem eigentlichen Wahltermin mit der Aufstellung der „Dorf-Einheitsliste“ gelaufen gewesen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Größere Kommunen würden also auch hier ein Demokratiedefizit beheben, und dann würde sich auch die von den PIRATEN gestellte Frage nicht mehr stellen, ob man Volksinitiativen auch auf Amtsebene haben sollte. In der Tat ist das nämlich tatsächlich verfassungsrechtlich schwierig. Aber hätten wir große Kommunen und würden wir auf Ämter verzichten, könnte man natürlich auch überall Volksinitiativen machen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Logos der Parteien werden zukünftig auf den Wahlzetteln zu finden sein. Das ist ausgesprochen hilfreich für alle Wählerinnen und Wähler, die mit kleinen Texten oder auch den Lichtverhältnissen in den Wahlkabinen nicht zurechtkommen. Die Bür

gerinnen und Bürger wissen dann, wo sie ihr Kreuz machen wollen, auch wenn sie den Text nebenan vielleicht nicht entziffern können. Sie können sich dann nämlich anhand des Logos orientieren.

Nach meinem Dafürhalten vertrauen bislang alle anderen Länder ausschließlich auf Schrift. Schleswig-Holstein geht damit also jetzt einen neuen Weg. Wir gehen voran. Ich halte das für die richtige Entscheidung, genauso im Übrigen wie die Abfassung der Wahlunterlagen in Leichter Sprache und dass wir das Wahlrecht der unter Betreuung stehenden Menschen maximal ausweiten. Auch das wird sicherlich eine Diskussion auf Bundesebene anstoßen. Gerade das macht mich dann auch ein bisschen stolz. Denn wir erleichtern es Menschen mit Benachteiligung, ebenfalls von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Auch das, meine Damen und Herren, schafft mehr Demokratie. Insofern, glaube ich, ist das hier ein richtig gutes Gesetzespaket.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Dazu hat zunächst der Kollege Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Klug, ich hatte ja gehofft, dass Sie vielleicht nicht alles mit genügender Aufmerksamkeit verfolgt hätten. Das dachte ich mir jedenfalls, als Sie sogar den Konnexitätsausgleich abgelehnt haben. Dafür hätte das ein mögliches Erklärungsmuster sein können. Nun habe ich gelernt, dass Sie den Ausschluss von Menschen, die unter Betreuung stehen, ganz bewusst abgelehnt haben. Deshalb möchte ich noch etwas zu Ihren Argumenten sagen.

Zunächst finde ich es abenteuerlich, dass nach neun Jahren Diskussion auf der Fachebene zum Thema Ausschluss von Menschen mit Behinderung an der Wahl niemand eine Formulierung vorlegen konnte, die alles das ausschließt, was Sie angeführt haben keiner, Sie nicht, niemand. Dazu haben sogar Kommissionen getagt. Sie alle haben nichts anderes gefunden als zu sagen: Dann streicht es ganz, auch wegen allgemeiner Gleichbehandlung! Es ist ja auch gar nicht standardisiert, wer unter Betreuung kommen kann und wer nicht, sondern das ist zum Teil zufällig.

(Lars Harms)

Natürlich hat das auch mit Behindertenrechtspolitik zu tun. Es gibt eine Stellungnahme der MonitoringStelle zur UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die auf Initiative des Deutschen Bundestages eingerichtet wurde. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes würde von Schleswig-Holstein aus bundesweit ein positives Signal in Richtung der vollen Anerkennung behinderter Menschen als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger unseres demokratischen Gemeinwesens ausgesendet und ein nachahmenswertes Beispiel gesetzt. Es gibt nicht eine Stellungnahme aus dem Bereich der Menschen, die sich für Menschen mit Behinderung einsetzten, die das negativ beurteilt und diese Bedenken teilt.

Wenn Sie die Bedenken mit der Manipulation teilen, dann müssten Sie als Erstes die Briefwahl streichen; denn hier geht es nicht nur um wenige hundert Menschen in Schleswig-Holstein, und bei der Briefwahl können wir auch nicht feststellen, ob dabei nicht jemand anderes die Hand geführt hat. Trotzdem haben wir 10 bis 20 % Briefwähler. Deshalb müsste man das Instrument konsequenterweise auch abschaffen.

Wer Inklusion leben will, der muss an der Stelle auch mal was riskieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich gibt es immer Bedenken gegen Änderungen: Klappt das überhaupt? Bricht die Welt zusammen? Können die paar hundert Menschen, von denen wahrscheinlich lange nicht alle von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden, in irgendeiner Weise das Wahlergebnis manipulieren und so weiter? Wenn diese Bedenken allesamt stichhaltig sein sollten, dann hätte Deutschland nicht unterschreiben und nicht ratifizieren dürfen. Zu dem, was in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Österreich und anderen Ländern längst Normalität geworden ist, und zwar schon wenige Jahre nach der Unterzeichnung, verfangen wir uns in Klein-Klein und fragen: Könnte nicht vielleicht doch jemand das Wahlergebnis zu seinen Gunsten manipulieren?

Abgesehen davon gibt es ja auch noch Wahlvorstände, die auch jetzt schon Menschen, die nicht in allen Bereichen unter Betreuung stehen, trotzdem zur Hand gehen. Natürlich gibt es auch viele altersdemente Menschen, die gar nicht unter Betreuung stehen, die aber trotzdem ins Wahllokal kommen. Wenn Sie einmal in einem Wahllokal gesessen haben, dann wissen Sie das auch. Unsere Wahlvor

stände wissen sehr wohl mit einer solchen Situation umzugehen. Jedenfalls war das bei uns immer so und ich bin sicher, bei Ihnen auch.

Insofern sollte man an der Stelle keinen Popanz aufbauen. Ich muss auch sagen, ich bin deshalb ans Rednerpult getreten, weil ich ein bisschen enttäuscht darüber bin, dass wir nun nach neun Jahren Diskussion - folgt man Ihnen - wieder von vorne anfangen müssten. Das müssen wir zum Glück nicht, weil alle anderen das mittragen. Trotzdem wollte ich dies einmal gesagt haben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Kollege Wolfgang Baasch von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will noch einmal kurz auf das Wahlrecht von Menschen mit Behinderung eingehen. In der UN-Behindertenrechtskonvention heißt es sehr deutlich: Unsere Verpflichtung ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderung ihre Menschenrechte in vollem Umfang wahrnehmen können. Wir sind auch verpflichtet, sie zur gesellschaftlichen und gleichberechtigten Teilhabe zu befähigen.

Das heißt, unser Anspruch muss einfach sein, dafür zu sorgen, dass alle Menschen an Wahlen teilnehmen können. Unser Anspruch muss auch sein, dafür zu sorgen, dass dafür die entsprechenden Strukturen geschaffen werden.

Dann sind Leichte Sprache, Parteilogo und natürlich barrierefreie Wahllokale einfach eine Notwendigkeit. Es ist auch eine Notwendigkeit, ein Portal zu schaffen, auf dem man sich informieren kann. Menschen mit Behinderung sind es gewohnt, sich oft vorher zu informieren, wie sie ohne Barrieren oder möglichst barrierefrei an die Ziele kommen, zu denen sie hinwollen. Daher ist es richtig, dass das in dem Gesetz entsprechend geordnet ist. Natürlich gehören dazu aber auch Schablonen. Dazu gehört die Assistenz im Wahllokal. Es braucht bei all diesen Fragen eine Sensibilisierung dafür, dass es notwendig ist, dass wir dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung ihr Menschenrecht auf Teilnahme an Wahlen umsetzen können.

(Dr. Kai Dolgner)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde das nicht als Kritik bezeichnen, aber ich sage, wir unterhalten uns hier ausschließlich über das aktive Wahlrecht. Es muss uns irgendwann auffallen, dass wir in unseren eigenen Parteien, in unseren eigenen Strukturen dafür sorgen müssen, dass mehr gesellschaftliche Teilhabe - in dem Fall in Parteien - auch von Menschen mit Behinderung möglich ist. Es ist wichtig, dass das passive Wahlrecht auch in den Vordergrund gerückt wird. Nicht nur die Anlagen müssen entsprechend barrierefrei sein, sondern es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderung diese Chance tatsächlich ergreifen und sich selbstverständlich in Parlamente wählen lassen können. Ich glaube, das ist eine zwingende Notwendigkeit für die Zukunft. Der erste Schritt für das aktive Wahlrecht ist sehr gut und richtig. Wir sollten diesem Gesetzentwurf möglichst breit zustimmen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, ich schließe die Beratung.

Bevor wir in die Abstimmung eintreten, gebe ich folgende geschäftsleitende Bemerkung: Der Innenund Rechtsausschuss hat darum gebeten, zunächst über den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung Drucksache 18/3539 abstimmen zu lassen. Für den Fall, dass der Gesetzentwurf nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht, wurde darum gebeten, die Abstimmung zu unterbrechen. Das sage ich Ihnen nur der Form halber. - Ich sehe keinen Widerspruch, wir werden so verfahren.

Wir kommen zur Abstimmung: b) Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und des Landesverfassungsgerichtsgesetzes, Drucksache 18/3539. Für die Verabschiedung ist wegen der nach Artikel 47 Absatz 2 der Landesverfassung erforderlichen Zweidrittelmehrheit die Zustimmung von mindestens 46 Abgeordneten erforderlich. Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Ich komme zur Abstimmung zu a) Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3537, und Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN, Drucksache 18/3588.

Ich rufe zunächst den Antrag der Fraktion der PIRATEN auf. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von FDP, CDU, die Kollegen des SSW, die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Das sind die Abgeordneten der Piratenfraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag gegen die Stimmen der Piratenfraktion abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf Drucksache 18/3537 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer dem seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der Piratenfraktion.

(Zurufe)

- Entschuldigung, also die Abgeordneten von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie die Piratenfraktion stimmen dem zu. Wer lehnt die Ausschussempfehlung ab? - Wer enthält sich? - Das sind die Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU. Damit ist dieser Antrag in der Fassung der Drucksache 18/4276 (neu) angenommen.

Abstimmung zu c), Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN, Drucksache 18/3559. Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des SSW, der CDU und der FDP. Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? - Das sind die Mitglieder der Fraktion der PIRATEN. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen der Piratenfraktion bei Ablehnung aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Schließlich kommen wir zu d), Bericht der Landesregierung, Drucksache 18/3902. Hier ist kein Antrag gestellt worden. Ich stelle anheim, diesen Antrag zur abschließenden Beratung an den Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dies so beschließen möchte -

(Zurufe: Kenntnisnahme!)

- Sie können ihn zur Kenntnis nehmen, Sie können ihn überweisen, wie Sie das mögen.

(Zurufe)

Gut, dann haben wir ihn zur Kenntnis genommen, weil er zu Beginn des Tagesordnungspunkts vorge

(Wolfgang Baasch)

tragen wurde. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung eines Prüfungsrechtes des Landesrechnungshofes im Rahmen der Eingliederungshilfe

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 18/4218

Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses Drucksache 18/4293

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich erteile dem Berichterstatter des Finanzausschusses, Herrn Abgeordneten Thomas Rother, das Wort.