- Herr Kollege Peters, ich habe Ihnen tatsächlich sehr aufmerksam zugehört. Ich habe auch gehört, wie Sie differenziert haben, und dass Sie noch einmal die größeren Städte Kiel und Neumünster erwähnt haben und das sachlich sehr richtig dargestellt haben. Ich denke aber, dass man die Regionen miteinander vergleichen kann. Daher glaube ich nicht, dass sich die Bevölkerung in Schleswig-Holstein jetzt sicher fühlt, weil Sie, Herr Peters, der Ansicht sind, dass hier in Schleswig-Holstein nichts passieren kann.
Das muss ich Ihnen leider als Replik zurückgeben. Das hilft uns in der Sache überhaupt nicht weiter.
Deswegen finde ich, dass es wichtig ist, noch einmal den Polizistinnen und Polizisten zu danken, wenn wir über Würzburg reden und das, was dort passiert ist. Es würde mich einmal interessieren, was die Grünen hier in Schleswig-Holstein dazu zu sagen haben, was eine grüne Bundestagskollegin dazu geäußert hat. Es sind Ausnahmesituationen, in denen Polizistinnen und Polizisten handeln müssen. Jeder weiß, wie schwer ein Polizist es sich macht, zur Waffe zu greifen und auf einen Menschen zu schießen. Dass sich Politiker dann in ihren Bundestagsbüros gemütlich zurücklehnen, darüber urteilen und sich auf Kosten dieser Polizisten profilieren, finde ich wirklich unanständig.
Viele Forderungen der FDP sind richtig. Manches deckt sich mit dem, was in unserem Antrag zum letzten Tagesordnungspunkt aufgeschrieben wurde. Wir müssen die Polizei auf allen Ebenen ertüchtigen. Wir müssen den Verfassungsschutz vernünftig aufstellen. Ich halte es nicht für richtig, wenn man sich lustig darüber macht, wenn andere Länder jetzt entsprechend aufrüsten. Ich glaube, dass es nicht nur für unser Sicherheitsgefühl wichtig ist, sondern auch, um tatsächlich Anschläge zu verhindern.
Ich rede dabei bewusst auch immer über technische Ausstattung. Ich weiß, dass es da hinsichtlich des Datenschutzes unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich denke aber, dass wir in einer solchen Situation etwas weniger ideologisch über Dinge wie Videoüberwachung und anderes reden sollten. Wir sollten lieber schauen, was im konkreten Einzelfall hilft, um tatsächlich Straftaten zu verhindern. Wir brauchen diese Prävention.
- Nein, wir reden hier über technische Unterstützung. Mir reicht eben nicht aus, was Herr Peters eben gesagt hat: eigentlich bräuchten wir jetzt nur ein Sozialprogramm.
Gucken wir uns das Profil des Täters in Würzburg einmal realistisch an: Da ist ganz schön viel in Bezug auf die Sozialprognose vermeintlich richtig gemacht worden. Von daher kann Ihre Antwort auf das, was da im Moment in unserem Land passiert, mit Sicherheit auch nicht richtig sein.
Ich glaube, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht dadurch beruhigen lassen, dass
Wir sind uns alle einig: Hundertprozentige Sicherheit können wir nicht garantieren. Ich halte es aber schon für unsere Pflicht, dass wir unsere Behörden und die Polizei angemessen und richtig ausstatten, um sie auf die Herausforderung, vor der wir miteinander stehen, vorzubereiten.
Der FDP-Antrag ist dafür eine sehr gute Grundlage. Herr Kollege Kubicki, Sie baten darum, dass wir das im Ausschuss vertiefen. Das wollen wir vonseiten der CDU-Fraktion gern tun. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zwar eine Rede vorbereitet, möchte aber spontan auf das eingehen, was hier gesagt worden ist.
Ich glaube, dass wir in der Sache gar nicht auseinander liegen. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir in dieser Sache und in diesen Herausforderungen, die uns gestellt werden, beieinander sind.
Der Punkt ist doch, dass tatsächlich mit dem Vorfall in Würzburg die Terrorgefahr oder die Gefahr eines Amoklaufes - ich möchte gleich auf beides fachlich eingehen - noch einmal ein Stück näher an uns herangerückt sind. Jeder hat schon viel früher gewusst, dass die Gefahr auch vor unserer Haustür ist. Ich glaube, dass nie jemand dies geleugnet hat.
Ich betone gern noch einmal: Noch nie hat eine Landesregierung innerhalb von vier Jahren die Sicherheitsbehörden so massiv modernisiert und zusätzlich ausgerüstet, wie es die jetzige Landesregierung getan hat. Das ist schlichtweg Fakt!
Ich will die Sicherheitsbehörden noch einmal lobend hervorheben. Dem will ich jetzt keinen Abbruch tun. Wir müssen genau dort weitermachen.
Das ist aber der Bereich Sicherheitsbehörden. Wir diskutieren solche Vorfälle, wie wir sie leider in letzter Zeit häufiger haben, immer innenpolitisch und nie sozialpolitisch. Das ist ein Aspekt, den ich
Es geht um junge Menschen - vorwiegend. Ich kann nicht behaupten, dass es nur junge Menschen sind, die sich radikalisieren lassen. Ich weiß es nicht. Insofern ist der Ansatz, das durch eine Studie zu hinterfragen, durchaus ein interessanter Ansatz, keine Frage.
Aber es geht - da gleichen sich im Übrigen die Muster von Amokläufern und Menschen, die sich radikalisieren lassen - um junge Menschen, die Perspektivlosigkeit erfahren, die vielleicht auf der Suche nach einer religiösen Orientierung keine Orientierung erfahren, um junge Menschen, die aus unserem Blickfeld verloren gegangen sind. Dort hat auch die Sozialkontrolle am Ende nicht mehr funktioniert.
- Wir wissen das noch gar nicht! Sie haben doch im Eingang Ihrer Rede selbst gesagt, dass wir, was den Fall Würzburg angeht, noch nicht genügend Erkenntnisse haben. Das war die Einleitung, und im gleichen Atemzug haben Sie Dinge über den jungen Mann behauptet, von denen ich mich gerade fragte, woher Sie das denn wissen.
Noch einmal zurück zum Einzelfall Würzburg. Ich kann nicht darauf schließen, dass alle Täter so sind. Es war in Nizza anders, es war in Paris anders, es war in Kopenhagen anders. Und ich will nicht ausschließen - und Sie dürfen das auch nicht tun, Herr Kubicki -, dass auch junge deutsche Männer zu Fanatikern werden. Wir dürfen das nicht ausschließen, denn dann würden wir eine Gruppe von potenziellen Täterinnen und Tätern ausblenden.
Frau Kollegin, ich will gar nichts ausschließen. Ich möchte aber etwas festhalten, was der Herr Kollege Kubicki in seinem Beitrag gerade herausgestellt hat und das uns alle so fassungslos macht: Nach allem, was wir wissen, wurde in dem Einzelfall, den wir heute zum Anlass der Dis
kussion genommen haben, alles, was dieser Staat an Integrationsleistungen, an Perspektive für solche Menschen zu bieten hat, all diese Angebote wurden angenommen. Er war in einer Pflegefamilie. Er wurde permanent entsprechend betreut. Er hat ein Praktikum mit der Perspektive auf einen Ausbildungsplatz absolviert. Das ist der Punkt, der uns so ratund fassungslos macht.
Deswegen würde ich mich nicht dagegen wehren, auch den sozialpolitischen Aspekt herauszustellen. Gerade in diesem Fall müssen wir aber weitere Antworten finden und nicht nur darauf verweisen, dass wir genauso wie Frankreich integrationspolitisch in den vergangenen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten eklatante Fehler gemacht haben. Ich glaube, das hilft an dieser Stelle nicht weiter.
- Aber es macht schon Sinn, strukturell zu denken und nicht bezogen auf den Einzelfall. Wir haben einen Einzelfall, der auch weiter analysiert werden muss. Trotzdem müssen wir strukturell auf die Problematik schauen. Wir können nicht nur auf Würzburg schauen. Wir müssen insgesamt die Fragen auch strukturell beantworten.
Den Ansatz, den Herr Kubicki wählt, finde ich durchaus interessant. Wir können aber nicht immer nur bezogen auf den Einzelfall argumentieren, sondern wir müssen insgesamt hinschauen. Wir dürfen auch nicht einfach nur eine Gruppe von Menschen, nämlich die Flüchtlinge, wieder in den Fokus nehmen, sondern wir müssen insgesamt zusehen, dass kein junger Mensch irgendwo verlorengeht. An irgendeiner Stelle wird auch dieser Mensch verlorengegangen sein; denn sonst hätte er es nicht gemacht, oder wir hätten es verhindern können.
Ich will noch einmal auf die Strategie der FDP eingehen, die ich nicht nachvollziehen kann. Wenn wir Sicherheitsbehörden so gut ausstatten wollen, dass wir durch Telekommunikationsüberwachung solche Taten beziehungsweise Verdachtsmomente für solche Taten früher erkennen, verstehe ich Ihre Ablehnung nicht. Im gleichen Atemzug fordern Sie jedoch eine bessere Ausstattung durch Schutzwesten, Helme und Schusswaffen,
lekommunikation, weil dadurch Taten eher verhindert werden können als wenn man - ich drücke mich jetzt vereinfachend aus - den Kollegen einfach einen Helm aufsetzt und sagt: Dann müssen wir mit der Tat leben. - Insofern passen Ihre Strategie und Ihr politischer Ansatz nicht zueinander.
Zurück zur Problematik. Ich habe das vorhin schon angerissen. Wir stehen heute vor der Frage - in den Pressemeldungen werden oft beide Begriffe genannt -, ob es ein Amoktäter oder ein Terrorist ist. Beides sind unterschiedliche Ansätze. Ich habe es vorhin schon gesagt.
Der Amoktäter ist jemand, der sich in einem psychischen Ausnahmezustand befindet, der wahllos, meistens kurzfristig, überläuft und eine Tat ziemlich ziellos vornimmt. Der Terrorist hingegen tut das in der Regel nicht. Wir sind in der Vergangenheit immer davon ausgegangen, dass diese Menschen sehr lange zuvor Kontakt zum IS aufnehmen, möglicherweise sogar dorthin fahren und radikalisiert zurückkommen. Wir wissen, dass sie mittlerweile nicht mehr dorthin fahren müssen. Das erfolgt alles über das Internet.
Die Taten in Nizza und Würzburg stellen die Fachleute deshalb vor besondere Fragen, weil sie festgestellt haben, dass sie sich offenbar so schnell radikalisiert haben wie noch nie zuvor. Das ist im Moment eine Vermutung. Die Ermittlungen laufen. Ich glaube, das ist das neue Phänomen, und dem müssen wir uns sicherlich stellen. Warum geht es so schnell? Ist es nicht vielleicht eher so, dass wir gewisse Einzeltäter haben, die zur Fangemeinde des IS gehören und der IS immer rückwirkend sagt, dass sei deren Tat gewesen?
Insofern muss dieses Phänomen sehr genau analysiert werden. Wir müssen überlegen, wie wir an diese jungen Menschen herankommen, damit diese jungen Menschen nicht dorthin laufen und nicht ihren einzigen Ausweg darin sehen, suizidal Täter zu werden. Sie gehen ja suizidal in diese Tat hinein. Sie wissen ja ganz genau, dass sie das nicht überleben. Das sind junge Menschen, die überhaupt keine Perspektive mehr in ihrem Leben sehen.
Deshalb mahne ich an, dass wir dieses Thema nicht immer nur unter sicherheitspolitischen Aspekten diskutieren, sondern unseren Blick viel weiter öffnen.