Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Erstens. Kein Parlament hat darüber beschlossen. Das ist eine Kritik, die ich heute Morgen schon einmal geäußert habe: dass man die nationalen Parlamente möglicherweise durch eine Zentralregierung ausbootet. Deswegen fühle ich mich hier auch bestätigt, wenn Sie sagen: Keine Parlamente haben da mitgemacht, sondern es sind tatsächlich nur die Regierungen gewesen, die für uns gesprochen haben. Ob das dann immer das ist, was wir wollen, sei dahingestellt.

Zweitens bin ich der festen Überzeugung, dass egal, ob wir nun über die Flüchtlingsfrage oder andere politische Fragen reden: Wenn man das Einstimmigkeitsprinzip nicht aufrechterhält, sondern sagt, Mehrheiten entscheiden und Malta meinetwegen

dann die gleiche Stimmkraft wie die Bundesrepublik Deutschland hat, das dann dazu führt, dass sich Länder, die sich möglicherweise mit ihren Ideen nicht dauerhaft durchsetzen können, irgendwann die Frage stellen: Macht es noch Sinn, in dem Verein zu bleiben?

Ich glaube, das Einstimmigkeitsprinzip kann immer dazu führen, dass man genötigt ist, auch einen Konsens zu finden. Das heißt, wir müssen von unseren Ansprüchen herunterkommen - genau wie andere von ihren Ansprüchen herunterkommen müssen -, um sich in der Mitte zu einigen. Das scheint mir bei der internationalen Zusammenarbeit ein Prinzip zu sein, das sehr klug ist.

In dem Moment nämlich, in dem starke Staaten, argumentativ starke Staaten, wirtschaftlich starke Staaten anderen sagen können, was sie zu tun und zu lassen haben, werden sie nicht mehr mit diesen Staaten zusammenarbeiten wollen, und ich glaube, für die Bundesrepublik Deutschland ist es besonders wichtig, dass wir mit allen anderen Staaten zusammenarbeiten. Ich glaube, da sind wir nicht weit auseinander. Deshalb bin ich der Meinung, dass es besser ist, am Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten, als es aufzugeben.

Lassen Sie eine weitere Frage oder Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer zu?

Ja, selbstverständlich.

Herr Kollege, ich habe eine Frage zu Ihrer Aussage, dass wir einmal abwarten sollten, ob die jetzige Fassung denn noch geändert wird. Ist Ihnen bekannt, dass CETA in der Fassung, in der es jetzt vorliegt, unterzeichnet werden soll, dass es auch in der jetzt vorliegenden Form vorläufig in Kraft gesetzt werden soll und die EU-Kommission keinerlei Absichten hegt, in irgendwelche Nachverhandlungen einzutreten, dass es also ganz wichtig wäre, dass wir jetzt sagen: Das Abkommen so, wie es jetzt ist, ist für uns zustimmungsfähig oder nicht?

- Lieber Kollege Breyer, erstens gibt es eine abgeschlossene Fassung. Sie ist auch in die deutsche Sprache übersetzt und veröffentlicht worden. Und es gibt gegenüber den einzelnen nationalen Regierungen, gegenüber einzelnen Vertretern vonseiten

Kanadas den Hinweis, dass sie bereit wären, noch einmal über bestimmte Dinge nachzudenken - nicht gegenüber der EU-Kommission, denn die will es nicht; das ist ja logisch. Sie hat etwas ausgehandelt, und nun sagen die Nationalstaaten: Nein, wir wollen es doch ein bisschen abgeändert haben.

Diese Bereitschaft, die die Kanadier gegenüber einzelnen Staaten geäußert haben, sollten wir nutzen, um dieses Abkommen dann auch besser zu machen. Das wäre zumindest mein Ansatz. Ob es dann besser wird als das, was wir derzeit vorliegen haben, weiß ich nicht; das werden wir sehen. Aber ich bin nicht in der Lage, als Politiker im Vorwege über etwas abzustimmen, wenn ich weiß, dass es möglicherweise noch geändert wird, weil ich dadurch auch Signale setze.

Nun kann man natürlich sagen: Wenn ich ein radikaler Gegner bin, dann haue ich das Signal raus. Das ist Ihre Auffassung. Meine Auffassung ist: Als verantwortlicher Politiker muss ich der Gegenseite die Gelegenheit geben, Änderungen vorzunehmen, und ich habe sie erst danach zu bewerten. Daran will ich mich halten.

Nach derzeitigem Stand der Dinge würde der SSW dieses Abkommen ablehnen, aber möglicherweise kann es nach anderem Stand der Dinge - so viel Offenheit muss herrschen - anders sein; zumindest in der Theorie ist das so. Ich muss meinem Gegenüber immer auch die Möglichkeit geben, Dinge zu ändern, Dinge anzupassen und Dinge umzusetzen. Ob ich das dann wie mein Gegenüber bewerte - dass das etwas Gutes ist -, weiß ich heute noch nicht.

Vor dem Hintergrund dieser Unwissenheit, wenn man es denn so nennen will, kann ich heute noch nicht entscheiden. Das ist der Grund, warum wir Ihren Antrag an den Ausschuss überweisen wollen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Nachfrage von Herrn Dr. Breyer?

Es fängt an, mir Spaß zu machen; ich weiß aber nicht, ob es allen anderen auch so geht.

Ich verstehe Ihren Gedankengang, Herr Kollege, aber wenn jetzt die Entscheidung ansteht, ob wir in Nachverhandlungen eintreten oder nicht und ob die EU-Kommission das machen soll, dann ist doch klar, dass wir erst einmal entscheiden müssen: Wollen wir überhaupt

(Lars Harms)

nachverhandeln? Deswegen wäre es doch wichtig zu sagen, ob wir mit dem jetzigen Text einverstanden sind - dann braucht es keine Nachverhandlung - oder ob wir mit dem jetzigen Text nicht einverstanden sind dann braucht es Nachverhandlungen.

(Zurufe SPD und CDU)

- Das ist eben der Unterschied zwischen uns beiden, was die Umgangsformen angeht. In dem Moment, in dem ich sage, ich lehne etwas ratzekahl ab und will mit dir auch nicht mehr darüber reden, verprelle ich natürlich mein Gegenüber, und mein Gegenüber wird mir sagen: Mensch, Lars, ich hätte doch gerne mal mit dir gesprochen, ich wäre dir doch gern entgegengekommen. - Zumindest diese Möglichkeit, die Sie übrigens immer von uns einfordern, wenn Sie einmal irgendwelche Initiativen haben, nämlich dass wir Ihnen entgegenkommen, würde ich den Kanadiern eröffnen. Danach kann ich dann immer noch bewerten. Der Stempel darunter, die Unterschrift darunter kommen erst später.

(Wortmeldung Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir werden die Gelegenheit haben, auch mit unserer Landesregierung darüber zu reden, wie wir uns dann im Bundesrat verhalten. Der Bundesrat muss auf jeden Fall darüber entscheiden. Insofern haben wir überhaupt keine Hektik. Irgendwann wird irgendetwas vorgelegt sein. Dann kann man schwarz auf weiß lesen, was darin steht, was wirklich Sache ist. Und wenn wir wissen, was wirklich Sache ist, können wir auch darüber entscheiden. Das ist das Einzige.

Heiner, du willst nicht mehr? - Na gut, okay, dann mache ich jetzt Schluss. - Vielen Dank.

(Heiterkeit SPD)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

(Vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um an anderer Stelle auch noch einmal mit dem Vorurteil aufzuräumen, hier gehe es um irgendeine Amerikafeindlichkeit: Wir waren letzte Woche in Brüssel und haben beim Europäischen Verbraucherzentrum erfahren, dass vor ungefähr vier Jahren beim Transatlantischen Dialog im Be

reich Verbraucher von den Verbraucherzentralen aus Amerika der Hinweis kam, dass hier etwas kommt, wo man ganz genau hingucken müsse. Es kam also nicht von uns, es kam aus Amerika - nur um ein bisschen mit Ihren Vorurteilen aufzuräumen.

Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil mich der Kollege Dr. Klug hier sehr aufgeregt in die AfD-, PEGIDA-, PODEMOS- und sonstige Kiste hineingestopft hat, was ich, mit Verlaub, ein Stück weit für eine Unverschämtheit halte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Zu dem Artikel 106, auf den Sie sich hier beziehen: Ich finde es vernünftig, dass Handelsfragen auf die europäische Ebene gelegt werden. Ich bin auch dagegen, dass wir ein Einstimmigkeitsprinzip haben. Aber Sie werden wohl ohne Widerspruch hinnehmen müssen, dass man das an diesem Artikel 106

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: 206!)

erst einmal üben muss und überhaupt erst einmal gucken muss, wie man ihn anwendet. Sie fachen hier so eine Debatte an: Da ist jemand gegen Demokratie, da läuft etwas hinter verschlossenen Türen.

Es ist doch exakt so, dass dieser Artikel 106

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Artikel 206! - Weiterer Zuruf: 206!)

im Verfahren erst einmal genau betrachtet werden muss. Es war so, dass 2013 die TTIP-Verhandlungen nur aufgrund einer Entscheidung des Handelsministerrates eröffnet wurden, ohne dass das Parlament beteiligt gewesen ist.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das habe ich ge- sagt!)

Das ist so ein Punkt, an dem man ganz genau gucken muss, wie man die Verträge handhabt oder weiterentwickelt. Wenn Sie eine Pro-Europa-Debatte wollen - und ich gehe einmal nach wie vor bei Ihnen davon aus, dass Sie die wollen -, dann müssen Sie die Kritik an diesem Artikel zulassen, damit wir in diesen Fragen weiterkommen.

Das Nächste: Herr Meyer, ich schätze Ihren Optimismus in Ihrer ganzen Arbeit wirklich sehr. Bei TTIP aber habe ich Bedenken. Wenn ich mir ansehe, worüber in der 14. Verhandlungsrunde letzte Woche verhandelt wurde und mit welchen Verhandlungspositionen beim Energiebereich agiert

(Lars Harms)

wurde, stelle ich fest: Im Grunde genommen wurde die ganze Energiewende infrage gestellt. Ein Thema war der Zugang zu Netzen, also die Frage, ob die deutschen Netze vorrangig für Atomenergie oder für Erneuerbare zugängig sein sollen. Ein weiteres Thema war eine Freiwilligkeit bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen im gewerblichen und industriellen Bereich.

Wenn wir so verfahren, werden wir mit den Pariser Zielen nicht weiterkommen. Von daher glaube ich, dass wir in Teilverhandlungen eintreten müssen. Wir werden vielleicht ein „TTIP light“ aushandeln müssen. Dafür müssen wir zurück auf Null. Wir schätzen die aktuelle Situation unterschiedlich ein.

Zum Schluss zu Herrn Breyer, der unbedingt heute abstimmen will, was ich überhaupt nicht verstehen kann.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Wir haben durch drei Anträge hier im Landtag eine klare Grundlage für Beschlüsse und werden aufgrund Ihres Antrags im Ausschuss weiter diskutieren. Ich denke, damit können Sie zufrieden sein. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Bei dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/4165 (neu), ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer ist gegen diesen Antrag? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung des FDP-Antrags, Drucksache 18/4253. Auch hier ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von FDP und CDU. Wer ist gegen diesen Antrag? - Das sind alle anderen Abgeordneten. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Bei dem Antrag der Piratenfraktion, Drucksache 18/4299 (neu), ist beantragt worden, diesen Antrag dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen.