Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

(Zurufe: Finanzausschuss! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Fi- nanzausschuss!)

- Ich glaube, das ist ein konstruktiver Vorschlag. Vielen Dank, Herr Garg. Das ist eine Verfassungsänderung, deshalb ist der Innen- und Rechtsausschuss richtig adressiert, aber selbstverständlich können Sie mitberatend den Finanzausschuss hinzuziehen. Das ist auch im Wege der Selbstbefassung möglich. Insofern brauchen wir nicht neu darüber abstimmen zu lassen. Ich denke, wir bekommen das auf den Weg.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 und 44 auf:

Gemeinsame Beratung

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein zur Änderung des Staatsvertrags über die Errichtung der „hsh portfoliomanagement AöR“ als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts nach § 8 b des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/5006

b) Entwicklung des Schiffskreditsportfolios der hsh portfoliomanagement AöR

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/5003

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für die Landesregierung erteile ich zunächst der Frau Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen heute den Bericht zur Entwicklung des Schiffskreditportfolios der hsh portfoliomanagement AöR sowie einen Vorschlag zur Änderung des Staatsvertrags vor. Der Bericht beinhaltet Informationen zur Bewirtschaftung des Portfolios, zu der dahinterstehenden strategischen Grundlage und zu den Charterraten der einzelnen Schiffsklassen.

Als Teil einer Gesamtlösung im Rahmen des EUBeihilfeverfahrens haben die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zugesagt, dass die HSH Nordbank bis zu einem bestimmten Forderungsvolumen notleidende Kredite an die beiden Länder übertragen darf. Im Sommer 2016 wurde deshalb ein Schiffskreditportfolio durch die Anstalt der beiden Länder übernommen.

Mit der Drucksache 18/5003 haben wir Ihnen berichtet, wie sich diese Kredite seit ihrer Übernahme durch die Länderanstalt entwickelt haben. Dabei zeigen wir alle Risiken in voller Transparenz auf, auch die Ausfallwahrscheinlichkeit.

Meine Damen und Herren, was heißt es, wenn 98 % des Portfolios eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 100 % haben? Das heißt schlichtweg, dass bei 98 % der von den Ländern übernommenen Kredite der ausstehende Betrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vollständig zurückgezahlt werden kann. Das darf niemanden verwundern,

denn schließlich handelt es sich um notleidende Kredite.

Es ist die Aufgabe der hsh portfoliomanagement AöR, diese Kredite vermögensschonend zu verwalten. Mithilfe von Gutachten prüft die Anstalt mögliche Restrukturierungen mit dem Ziel, dass die Kredite zumindest in Teilen bedient werden. Die Anstalt hat verschiedene Handlungsoptionen. Als letzte Möglichkeit kann es auch zu einem teilweisen Forderungsverzicht kommen, bevor ein Schiffsverkauf oder die Verschrottung in Betracht gezogen werden. Immer geht es darum, die wirtschaftlichste Lösung zu wählen.

Meine Damen und Herren, Sie kennen mich: Ich stelle die Lage nicht schöner dar, als sie ist. Bereits drei Monate nach Ankauf der Schiffskredite musste die AöR eine Risikovorsorge von rund 341 Millionen € bilden. Dies liegt vor allem daran, dass die Prognosen für die zukünftigen Charterraten im dritten Quartal 2016 erneut gesunken sind, in einigen Bereichen sogar drastisch um bis zu 21 %. Und noch ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wir müssen damit rechnen, dass die Anstalt mit dem Jahresabschluss 2016 eine weitere Risikovorsorge bildet.

Angesichts dieser Entwicklung wird verständlicherweise die Frage gestellt, ob das Land 2016 mit 2,4 Milliarden € zu viel für das von der Bank übertragene Portfolio gezahlt hat.

Meine Damen und Herren, wenn Sie eine Ware auf dem Markt kaufen, zahlen Sie den zu diesem Zeitpunkt geltenden Marktpreis. Für notleidende Schiffskredite gibt es aber derzeit keinen liquiden Markt und dementsprechend auch keinen Referenzpreis. Um einen neuen Beihilfetatbestand zu vermeiden, wurde deshalb vereinbart, dass die EUKommission mithilfe eines Gutachters für das zu übertragende Kreditportfolio einen theoretischen Marktwert festlegt. Zusätzlich haben die Länder den Wert noch einmal prüfen lassen, mit dem Ergebnis, dass nach Beurteilung unserer Wirtschaftsprüfer der Marktwert des Kreditportfolios zum 30. Juni 2016 mindestens auf der Höhe des Wertes der von der EU-Kommission ermittelten 2,4 Milliarden € lag.

Diese Überprüfung beruhte auf den im Frühsommer 2016 zur Verfügung stehenden Prognosen. Hierzu hat der Finanzausschuss nun ein umfängliches Aktenvorlagebegehren beschlossen: eine Herausforderung für unser HSH-Team im Finanzministerium, aber auch diese Herausforderung werden wir parallel zum Verkaufsprozess meistern. - Meine Damen

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

und Herren, ein herzlicher Dank an das HSH-Team. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten zurzeit verdammt viel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, als ich 2012 Ministerin wurde, bin ich nicht von einem neuen Beihilfeverfahren ausgegangen, wurde uns doch bis dahin vermittelt, dass sich die Bank stabilisiert hat und dass eine frühzeitige Reduzierung der Garantie im Jahr 2011 - und damit eine Reduzierung der Eigenkapitalwirkung - für die Bank verkraftbar sei. Auch eine baldige Dividendenzahlung wurde in Aussicht gestellt. Aber Prognosen sind eben nur Prognosen. Heute wissen wir, dass die damalige Prognose nicht eingetroffen ist. Letzte Woche hat der Finanzausschuss auch dazu Akteneinsicht beschlossen. Infolge der Reduzierung wurde bereits 2013 das Eigenkapital der Bank zu schwach. Das war der Start ins neue Beihilfeverfahren, das alle Beteiligten bisher viel Zeit und Kraft gekostet hat.

Meine Damen und Herren, keine Entscheidung ist alternativlos. Jede Entscheidung ist immer eine Abwägung, was angesichts der aktuellen Prognosen die jeweils günstigere Alternative für das Land ist. So hat sich diese Landesregierung 2013 bewusst entschieden, die Bank nicht abzuwickeln, sondern das Beihilfeverfahren zu starten. Und natürlich haben wir dabei auch die kommunale Ebene mit ihren Sparkassen im Blick gehabt, deren Anteil an der Gewährträgerhaftung für ausstehende Anleihen 2013 noch bei rund 5 Milliarden € lag. Seit Anfang 2016 liegt dieser Anteil nur noch bei einem Zehntel davon.

Meine Damen und Herren, bei Abwägungsprozessen kann es immer unterschiedliche Einschätzungen geben. Jede Landesregierung, jedes Parlament kann die Rahmenbedingungen steuern, kann Staatsvertrag, Aufsichtsrat oder Vorstand verändern. Der Garantievertrag ist nur im Einvernehmen mit der Bank änderbar, und es bräuchte vermutlich die Zustimmung der EU und des Treuhänders. Aber auch hier gilt: Die Bank gehört den Ländern. Wenn die Länder die Erkenntnis hätten, der Vorstand würde nicht in ihrem Interesse handeln, müssten sie sich für einen anderen Vorstand entscheiden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Meine Damen und Herren, bei ihrer Meinungsbildung stützen sich die Verantwortlichen jeweils auf Prognosen von Wirtschaftsprüfern und Gutachtern. Woran sollten sie sich auch sonst orientieren?

Damit komme ich zur Änderung des Staatsvertrags: Gern habe ich mein Versprechen gehalten und erfolgreich mit Hamburg über eine Kürzung der Kreditermächtigung der hsh portfoliomanagement AöR verhandelt. Mit dem Staatvertrag schlägt Ihnen die Landesregierung heute vor, den Kreditrahmen um 1,3 Milliarden € abzusenken auf dann 4,9 Milliarden €. Diese Summe setzt sich wie folgt zusammen: rund 2,43 Milliarden € Kaufpreis für das übernommene Kreditportfolio, 1,2 Milliarden € für ein möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt von der Bank zu übernehmendes Portfolio und insgesamt 1,21 Milliarden € für eine Schwankungsreserve für bilanzverlängernde Fremdwährungseffekte, eine Liquiditätsreserve und zur Stellung von Barsicherheiten für den Einsatz von Derivaten. All dies können Sie im Detail in der Drucksache 18/5006 nachlesen.

Meine Damen und Herren, die Höhe der Kreditermächtigung sagt auch weiterhin nichts über die Gesamtkosten aus. Erst wenn die Anstalt abgewickelt wird, steht die finale Belastung für den Landeshaushalt fest.

Mit der Änderung des Staatsvertrags schlagen wir Ihnen weitere kleinere, aus unserer Sicht notwendige Änderungen vor. Die Anstalt soll die Möglichkeit erhalten, Wahlrechte des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes für die Bilanzierung zu nutzen. Dies ist nach einer erfolgreichen Bundesratsinitiative von Hamburg und Schleswig-Holstein möglich geworden. Außerdem soll eine klarstellende Regelung zur Verlängerung von Krediten verankert werden.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich Ihnen einen kurzen Ausblick geben. Vor zwei Tagen ist die Verkaufsanzeige national und international erschienen. Damit liegen wir voll im Zeitplan. Alles ist darauf ausgerichtet, einen erfolgreichen Verkauf zu ermöglichen. Wir alle wissen, wie schwierig der Prozess ist und dass es eine maximale Herausforderung für uns alle darstellt, dass ein solcher Prozess rund um den Wahltermin stattfindet. Wir wissen, dass sowohl vor als auch nach der Wahl grundlegende Entscheidungen getroffen werden müssen.

Die Landesregierung steht zu den der EU-Kommission gegebenen Zusagen. Dazu gehört auch die Zusage, dass die Bank weitere notleidende Kredite mit einem Forderungsvolumen von bis zu 1,2 Milliarden € an die Länder übertragen kann.

Meine Damen und Herren, die HSH Nordbank ist für niemanden von uns ein gutes Wahlkampfthe

(Ministerin Monika Heinold)

ma. Lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Denn außer den PIRATEN haben wir alle Verantwortung für die Bank getragen. Wie bisher wird die Landesregierung transparent berichten. Wir werden Fragen beantworten. Das Akteneinsichtsbegehren wird zügig und vollumfänglich umgesetzt. Staatssekretär Dr. Nimmermann und ich sind jederzeit für Sie erreichbar.

Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass der gewählte Weg für das Land der beste ist, um die Altlasten zu bewältigen, so, wie mit Sicherheit auch die Vorgängerregierungen Alternativen geprüft und ihre Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen haben, 2009 wie 2011. Und immer haben sich die Regierungen - 2009 wie 2011 - auf externe Expertise, auf Prognosen und natürlich auch auf Prognosen der Bank gestützt.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei allen Mitgliedern des Finanzausschusses dafür, dass wir uns stets die Zeit nehmen, die wir brauchen, um uns intensiv und sachlich mit dieser komplizierten Materie zu beschäftigen. Schließlich geht es um das Vermögen unseres Landes. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich finde es sehr schön, dass Sie vom Landesvermögen sprechen. Es geht schon längst nicht mehr um ein Vermögen, sondern es geht um Schadensbegrenzung. Ein Vermögen haben wir definitiv nicht mehr, es sei denn, Sie sagen, 16 Milliarden €, die unserem Ministerpräsidenten zufolge unseren Kassen mindestens zukommen, seien ein Vermögenswert.

Ich stimme Ihnen zu - das haben wir schon mehrfach erörtert -: Wenn man, wie Sie damals, die Erwartung und Hoffnung hatte, man könne die Bank im Ganzen oder in zwei Teilen lukrativ verkaufen,

hätte man den Weg beschreiten können, den Sie beschritten haben. Ich habe damals schon gesagt, dass ich diese Hoffnung und Erwartung nicht hatte. Daher wäre eine andere Vorgehensweise mit Sicherheit bedenkenswert und aus unserer Sicht auch sinnvoller gewesen. Aber darauf will ich mich momentan gar nicht kaprizieren.

Wenn Sie jetzt sagen, die HSH Nordbank dürfe nicht Wahlkampfthema werden, so müssen Sie diese Aufforderung an Ihren Ministerpräsidenten richten, der im „Hamburger Abendblatt“ hat vernehmen lassen, dass nun der Bund und die Europäische Kommission, auf welcher Rechtsgrundlage auch immer, für eine Verbindlichkeit von Hamburg und Schleswig-Holstein, die wir aus eigener Kraft nicht mehr leisten können, einstehen müssten. Ich fand, das war eine bemerkenswerte Stellungnahme, die auch sofort aus Hamburger Sicht zurückgewiesen wurde, weil es dafür tatsächlich keine Rechtsgrundlage gibt. Abgesehen davon hat er auch dazu aufgefordert, dass, wer bei der größten Krise, die der Landeshaushalt zu verarbeiten haben wird, verantwortlich für das Land handeln wolle, der die Parlamentarier und die Öffentlichkeit am besten in Ruhe lasse, jedenfalls nicht darüber rede. - Was erwarten Sie eigentlich von einem Parlament, wenn nicht die Frage: Was passiert mit den Schulden der Vergangenheit, mit den Fehlern der Vergangenheit? Was passiert in dem momentanen Prozess, von dem wir glauben, dass in diesem ebenfalls eine ganze Reihe von Fehlern begangen wird?

Da der Ministerpräsident bedauerlicherweise krankheitsbedingt nicht anwesend ist - ich wünsche ihm gute Besserung -, muss ich mich ein wenig mit dem Kollegen Stegner beschäftigen, der heute erklärte, man wolle über das Akteneinsichtsgesuch feststellen, was die Regierung 2009 beziehungsweise 2012 hätte veranlassen können.

Um auch insoweit mit Fake News, die aus Ihrem Haus - übrigens auch von Ihrem Staatssekretär und auch im Finanzausschuss - verbreitet werden, aufzuräumen: Im Jahr 2011/2012 hätte für die damalige Landesregierung gar keine Möglichkeit bestanden, rechtlich die Garantieabsenkung der HSH Nordbank zu verhindern, abgesehen davon, dass aus unserer Sicht die Reduzierung des Risikos des Landes Schleswig-Holstein um 3 Milliarden € etwas Positives ist, während die Erhöhung eines Risikos oder die Zufuhr von Kapital, das wir nicht wiederbekommen, doch etwas Negatives ist, jedenfalls aus Sicht des Landeshaushalts.

Weil, wie ich gehört habe, Herr Nimmermann dies auch Journalisten immer wieder erklärt, möchte ich

(Ministerin Monika Heinold)

Ihnen § 10 des Garantievertrags - darauf kommt es ja an - einmal vorlesen. Er lautet wie folgt: