Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Für Flüchtlinge darf es das gar nicht geben! Das ist ein völli- ger Nonsenssatz! - Zuruf Volker Dornquast [CDU])

Wer den Kommunen, die die Anwendung von Recht und Gesetz einfordern, vorwirft, sie wollten Internierungslager einrichten, hat sich als Kommunalminister in diesem Land disqualifiziert.

(Beifall CDU und FDP)

Dieses Thema ist keineswegs neu für Sie. Hier im Landtag reden wir seit Langem regelmäßig über das Chaos, das Sie beim Thema Rückführung anrichten. Geändert hat sich überhaupt nichts. Die Landesregierung tut regelmäßig so, als sei die Förderung der freiwilligen Ausreise das Allheilmittel. Wir sind uns sogar einig, dass freiwillige Ausreise Vorrang vor Abschiebung haben muss. Ich erwarte von der Landesregierung aber auch, dass sie im Blick behält, wie erfolglos dieses Prinzip ist.

Wenn ich dann die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage des Kollegen Kubicki lese, freiwillige Ausreisen von Asylbewerbern während des Asylverfahrens würden statistisch nicht erfasst, frage ich mich: Merken Sie noch, was Sie da tun? Mehr als 200 Personen haben sich 2016 der Abschiebung durch Untertauchen entzogen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir wissen nicht, wo die sind!)

Ihre lapidare Antwort auf die Frage, ob Sie wissen, wo sich diese Personen aufhalten, lautet: nein.

Gibt Ihnen der Fall des Attentäters von Berlin überhaupt nicht zu denken? Auch diesen Attentäter haben die Behörden aus den Augen verloren. Da muss man doch darüber nachdenken, warum sich diese Personen der Abschiebung entziehen können. Diese Landesregierung lässt sehenden Auges zu, dass Abzuschiebende untertauchen. Ich halte das für verantwortungslos.

(Beifall CDU und FDP)

Wie absurd es in Schleswig-Holstein zugeht, zeigt ein Fall aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dort sollte nach den Dublin-Regelungen im November 2016 ein Asylbewerber aus Eritrea nach Italien zurückgeführt werden. Die Mitarbeiter haben ihn vorgefunden, wegen Fluchtgefahr wurde Abschiebehaft angeordnet. Dank SPD, Grünen und SSW gibt es diese aber in Schleswig-Holstein nicht. Also ging es mit zwei Polizisten fünf Stunden lang ins 500 km entfernte Eisenhüttenstadt. Dort wollte man den Abzuschiebenden wegen vermeintlicher Suizidgefahr nicht aufnehmen. Deshalb ging es mit den zwei Polizisten weiter nach Düren in Nordrhein-Westfalen, das waren noch einmal 700 km.

Weil wir in Schleswig-Holstein keine Abschiebehaft haben, mussten diese Menschen 1.200 km fahren. Nach 1.200 km übrigens wäre man schon in Bozen, also in Italien, gewesen - genau dahin hätte diese Person abgeschoben werden sollen.

(Daniel Günther)

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Anke Erd- mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Am Ende ist es dazu nicht gekommen. Das nennen Sie humane Flüchtlingspolitik? - Wie absurd ist das denn?

Herr Abgeordneter Günther, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters?

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Mäßigen Sie sich bitte, Frau Abgeordnete.

Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu. Der Kollege Peters ist ja gleich im Anschluss dran.

(Zurufe - Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist die Entscheidung des Abgeordneten, der hier redet, ob er Zwischenfragen zulässt. Herr Abgeordneter Günther, Sie haben das Wort.

Auch bei den Asylbewerbern aus Afghanistan muss es natürlich wieder einen schleswig-holsteinischen Sonderweg geben. Es reicht Ihnen nicht, dass Sie sich an der Sammelabschiebung des Bundes im Dezember 2016 nicht beteiligt haben und dass Sie sich im ganzen letzten Jahr Rückführungen nach Afghanistan verweigert haben. Sie planen zusätzlich noch einen Abschiebestopp.

Es ist eine Tatsache, dass in Schleswig-Holstein mehr als 700 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan vollziehbar ausreisepflichtig sind. Natürlich muss es das Ziel des Rechtsstaates sein, die Ausreisepflicht auch durchzusetzen. In guter Zusammenarbeit mit der internationalen Organisation für Migration, die vor Ort die zurückgeführten Menschen unterstützt, hat der Bund mit seinen Maßnahmen gezeigt, dass Abschiebungen nach Afghanistan möglich sind.

Es sind nicht nur CDU-geführte Länder, die sich an diesen Maßnahmen beteiligen. Das rot-grüne Hamburg, außerdem haben sich Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beteiligt. In SchleswigHolstein hingegen traut man dem SPD-geführten Außenministerium nicht, das übrigens von dem Mann geleitet wird, der demnächst unser Bundes

präsident werden soll. Dem trauen Sie nicht über den Weg, Herr Kollege Stegner?

Es sind genau diese Sonderwege, die SchleswigHolstein in die Isolation treiben. Es war DIE LINKE, die im Dezember 2016 einen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert hat. Da ist es kein Wunder, dass Herr Albig sich der LINKEN jetzt als Koalitionspartner andient.

(Zuruf Thomas Hölck [SPD])

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten Antworten von uns. Von Ihnen bekommen sie Orientierungslosigkeit und Phrasen.

(Beifall CDU und FDP - Zurufe)

Diese Landtagssitzung könnte den Bürgerinnen und Bürgern in Schleswig-Holstein endlich wieder Klarheit bringen. Dazu müssten Sie dem Antrag der FDP eins zu eins zustimmen. Wir als CDU-Fraktion werden das tun.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal hat es ja einen Vorteil, wenn man erst die PIRATEN, dann die FDP und dann die Union anhören kann. Man stellt fest: billige Polemik, keine Fakten und keine Ahnung vom Thema. Die einen und die anderen haben insofern Unrecht, und die Küstenkoalition liegt mit ihrem Kurs richtig.

(Beifall SPD - Volker Dornquast [CDU]: Das war lustig!)

Ich will Ihnen das gern darlegen: Deutschland ist ein reiches Land.

(Christopher Vogt [FDP]: Noch!)

Unsere Wirtschaftsdaten sind robust. Der Wohlstand in Deutschland ist groß, und doch kann man bei manchen Parteien den Eindruck bekommen, unser drängendstes Problem wäre das einer möglichst schnellen Abschiebung von Flüchtlingen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Stegners alterna- tive Fakten!)

Herr Kollege Kubicki, niemand stellt hier den Rechtsstaat infrage. Der Rechtsstaat ist ohne Frage handlungsfähig. Wir haben immer betont: Recht

(Daniel Günther)

und Gesetz gelten für alle Menschen - sowohl für diejenigen, die hier schon lange leben, als auch für diejenigen, die zu uns kommen. Dies gilt im Fördernden wie im Fordernden. Das stellt bei uns Sozialdemokraten und auch bei Grünen und SSW niemand infrage.

Ich sage Ihnen aber auch: Wir werden innerhalb dieser Regelungen und deren Auslegung der Humanität immer den größtmöglichen Spielraum einräumen. Das ist die gute Tradition der NordSPD. Die Küstenkoalition hat dies von Anfang an so gehalten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Wortmeldung Wolfgang Kubicki [FDP])

Davon bringt uns Ihre Polemik nicht ab, auch wenn Sie glauben, dass Sie damit punkten können, dass man an die niederen Instinkte der Menschen appelliert.

(Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist das!)

Es überrascht mich übrigens schon ein wenig, dass Sie in Ihrem Antrag manches fordern, das es längst gibt, Herr Kollege Kubicki. Anders als bei der Union gehe ich davon aus, dass Sie es auch wissen. Ihr Kollege Dr. Klug, der hier so schön geredet hat, hat doch in einer Kleinen Anfrage vor einigen Wochen nach verschiedenen Aspekten der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige gefragt. Und jetzt tun Sie so, als ob es so etwas gar nicht geben würde. Worüber reden Sie in Ihrer Fraktion eigentlich, frage ich mich, wenn Sie im Landtag solche Reden halten?

Ich habe immer gesagt, und dabei bleibe ich auch: Nicht alle Menschen, die zu uns kommen, werden auch hier bleiben können. Im letzten Jahr waren das übrigens 2.944 Menschen, die entweder in ihre Heimat oder ein Drittland zurückgeschickt wurden. Dabei setzen wir primär auf die freiwillige Rückkehr. Dafür sind wir übrigens nicht nur im Prinzip oder in Reden, sondern auch in der Tat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dafür gibt es auch gute Gründe, nicht nur humanitäre, sondern auch finanzielle.

Die Zahl der freiwilligen Ausreisen steigt. Hiervon haben im letzten Jahr 1.914 Menschen Gebrauch gemacht. Zum anderen wurden auch aus SchleswigHolstein Flüchtlinge abgeschoben. Dies erfolgte 2016 in 902 Fällen - in Sicherheit und Würde und so humanitär wie möglich. Das können Sie kritisie

ren - von morgens bis abends, sieben Tage lang -, wir werden das beibehalten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir finden es nicht human, wenn Familien nachts aus ihren Betten gerissen werden, Kinder mit Waffen bedroht und nicht reisefähige Kranke brutal aus dem Land gebracht werden. Wenn Sie also Ihre Anträge der Realität anpassen würden, dann könnten wir darüber reden, sonst sind sie für uns nicht zustimmungsfähig.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)