Protokoll der Sitzung vom 24.02.2017

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Kollege Kumbartzky, Sie haben zum Energiewende- und Klimaschutzgesetz gesagt, das sei ein zahnloser Tiger, und wir überzögen das Land mit Planwirtschaft. Was denn jetzt? Eines von beidem. Entweder ist es ein zahnloser Tiger, oder es greift stark in die Planungsrechte ein. Ich würde sagen: Es ist weder ein zahnloser Tiger, noch ist es Sozialismus in Reinkultur, sondern es sortiert die Aufgaben der Zukunft neu.

Über die Windkraftplanung und über den Ausbau der Erneuerbaren habe ich gerade gesprochen. Es ist so gesehen auch ein Deckel nach oben. Die 37 TWh, die wir anstreben - 2 % der Landesfläche -, sind eben nicht 6 % oder 4 % Landesfläche, sondern das, was im Bundesdurchschnitt möglich und erreichbar ist bei dieser schwierigen Konfliktlage, die mit dem Ausbau von so großen Infrastrukturprojekten immer einhergeht.

Was den Wärmeausbau angeht, geben wir den Kommunen, wie eben schon beschrieben, die Rechte, im eigentlichen Kerngebiet der Energiewende in den nächsten Jahren vorranzukommen. Es sind Rechte, die sie wahrnehmen können. Wir übertragen die Möglichkeit auf die Ämter, Aufgaben der Klimaschutzplanung für die kleinen Kommunen stellvertretend zu übernehmen. Es ist mehr als fair -

Herr Minister, der Kollege Rickers möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen oder eine Bemerkung an Sie richten. Lassen Sie diese zu?

Selbstverständlich.

Herr Minister, Sie haben behauptet, ich hätte § 7 anders gedeutet als Sie. Natürlich werde ich das anders getan haben. Ich habe mir die Begründung der einzelnen Paragrafen im Gesetzentwurf angesehen. Dort steht: „Durch die Verpflichtung sowohl von Energieunternehmen als auch von öffentlichen Stellen soll sichergestellt werden, dass eine umfassende Anzahl an Daten tatsächlich bereitgestellt und übermittelt werden können.“ Wenn das keine Verpflichtung ist, weiß ich nicht, was Verpflichtung sonst heißt. Da geht es los - da können Sie anderer Meinung sein -, was die Kommunen an Aufgaben bestreiten sollen. Das ist eindeutig keine Freiwilligkeit.

- Ja, Herr Kollege Rickers, aber das ist nicht das, was Sie gesagt haben. Selbstverständlich steht in dem Gesetz drin, dass es jetzt ein Recht auf Auskunft gibt und dementsprechend auch eine Verpflichtung der Energieunternehmen, die Daten der Energieversorgung transparent zu machen.

(Heiner Rickers [CDU]: Und der öffentlichen Stellen!)

- Ja, selbstverständlich. Aber Sie haben gesagt, wir zwängen die Kommunen dazu, Wärmepläne vorzulegen. Lesen Sie im Protokoll nach.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist aber nicht das, was da steht. Sie eiern hier in Ihrer Argumentation völlig herum. Es ist richtig: Es gibt eine Verpflichtung, eine Möglichkeit, sich die Daten für den Wärme- und Kältebereich geben zu lassen. Wie sollen die Kommunen denn Pläne vorlegen, wenn sie diese Daten nicht vorher bekommen? Das ist völlig unstrittig, das ist auch geklärt, das tut auch keinem weh. Aber es ist nicht das, was Sie uns eben vorgehalten haben, Herr Rickers.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: die Selbstverpflichtung der Landesregierung. Man muss schon bewusst so tun, als hätte man davon keine Ahnung. Sie wissen, dass sich jede öffentli

(Minister Dr. Robert Habeck)

che Ausschreibung auf Kriterien stützen muss. Wenn wir nicht über dem Soll der Energieeinsparverordnung liegen, müssen wir immer billiger bauen. Das heißt, das Gesetz ist die Grundlage dafür, dass wir als Landesregierung überhaupt in den eigenen Landesliegenschaften vorbildlich sein können. Da zu sagen, dass sei ein zahnloser Tiger, ist völliger Quatsch. Das ist die Grundlage für jede Ausschreibung, die in Zukunft erfolgen soll. Wer, wenn nicht eine Landesregierung, sollte mit gutem Beispiel vorangehen?

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir abschließend noch einen Blick auf die gesamtpolitische Situation. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass die Energiewende und die Klimaschutzanstrengungen diese Aufgabe der politischen Generation sind. Wenn wir da versagen, werden wir nicht nur abschmelzende Eisberge und vielleicht den Verlust von Eisbären hinnehmen müssen, sondern Flucht, Krieg, Vertreibung und die Auseinandersetzung um knappe Ressourcen in einem nicht vorhersehbaren und nicht bekannten Ausmaß produzieren. Das heißt, wir müssen tun, was wir tun können.

Auf der anderen Seite, neben dieser ethischen Verpflichtung, ist es eine große Chance, mehr Wertschöpfung nach Schleswig-Holstein zu bringen. Wir bekommen jedes Jahr 2,5 Milliarden € EEGUmlage nach Schleswig-Holstein. Bei der Struktur der Energiewende mit Bürgerwindparks gilt, dass Geld zu den Bürgern fließt, Geld, das die Gemeindeumlage stabilisiert, Geld, das wieder ausgegeben wird. Dass wir Profiteure der Energiewende sind, dass dort eine neue Industrie wächst und eine neue Beteiligungsform möglich ist, ist doch ein riesiger Vorteil für uns.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ja, das ist ein konfliktreiches Unterfangen. Netzausbau, Stromtrassen, die in die Landschaft eingreifen, und Windkraftanlagen sind konfliktreiche Unterfangen. Glauben Sie mir: Es lässt sich kaum an drei Händen abzählen, wie viele Nächte wir dazu mit Bürgerinitiativen zugebracht haben. Aber das richtige Maß zu finden, ist eine edle Aufgabe für jede Landesregierung. Ich hoffe, dass jede Landesregierung in der Zukunft auch dabei bleibt. Das Energiewende- und Klimaschutzgesetz gibt die Leitlinien vor, wie die Diskussion in Zukunft zu erfolgen hat. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, bevor wir in den Redebeiträgen fortfahren, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam auf der Tribüne die Vorsitzende der Bürgerinitiative Gegenwind, Frau Kirchhof, zu begrüßen. - Herzlich willkommen im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Dann teile ich Ihnen mit, dass die Landesregierung die vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überzogen hat. Diese Redezeit steht nun allen Fraktionen ebenfalls erneut zur Verfügung. - Zunächst einmal macht davon der Kollege Patrick Breyer von der Piratenfraktion Gebrauch.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Energiewendeminister, Sie und Ihre Politik sind gerade dabei, dafür zu sorgen, dass die Energiewende in unserem Land keine Zukunft hat. Sie sind dabei, die Akzeptanz der Bürger zu verspielen. Mit einem rücksichtslosen Ausbau bringen Sie die Menschen gegen die Windenergie insgesamt auf. Sie sehen an den aktuellen Meinungsumfragen, dass, wenn man so rücksichtslos vorgeht, wie Sie es tun, inzwischen schon jeder zweite in Schleswig-Holstein überhaupt keine Windenergie mehr in unserem Land haben möchte. Ich sage Ihnen: Wenn Sie so weitermachen, wird die Zahl steigen, werden Forderungen kommen und Parteien gewählt werden, die die Energiewende insgesamt gefährden.

Ich glaube, jedem ist klar, dass es offensichtlicher Unsinn ist, Windenergieanlagen dort abbauen zu wollen, wo sie seit Jahren und Jahrzehnten akzeptiert sind, zum Beispiel Bürgerwindparks in Nordfriesland. Es geht in einer dreistelligen Zahl um Anlagen, die die Abstände zur Wohnbebauung einhalten und keinen harten Tabukriterien unterliegen, während Sie gleichzeitig neue Anlagen dort planen wollen, wo Bürgerentscheide eine Ablehnung von 80 % oder 90 % in der Standortgemeinde ergeben haben.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, jedem ist klar, dass es keinen Sinn macht und offensichtlicher Unsinn ist, den Bürgerwillen so zu missachten.

(Minister Dr. Robert Habeck)

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Wir haben sehr wohl genügend akzeptierte Flächen, um die Energiewende im Einklang mit dem Bürgerwillen auch durchzuführen. Das funktioniert auch nur so.

Das ständig zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts, Frau Kollegin, betrifft die bisherige Rechtslage, nicht Gesetze, die wir ändern wollen. Es ist auch kein höchstrichterliches Urteil. Das Oberverwaltungsgericht wäre nicht zuständig, wenn wir ein Gesetz zur Durchsetzung des Bürgerwillens beschließen, wie wir es beantragt haben und wie es Gegenstand der Volksinitiative ist, die Sie, Herr Minister, angesprochen haben. Sondern darüber entscheiden würde ein Verfassungsgericht. Das hat bisher noch kein Urteil gesprochen.

Deswegen: Wenn Sie uns hier vorwerfen, ein verfassungswidriges Gesetz zu verfolgen, tun Sie genau das, was der Kollege Dr. Dolgner immer mir vorwirft, nämlich meine Wahrheit als die absolute zu setzen. Woher wollen Sie denn wissen, ob das Gesetz verfassungswidrig ist oder nicht? Es hat doch noch gar keiner darüber entschieden.

Es ist doch anmaßend, das zu behaupten, solange sich Juristen streiten und die Wahrheit, die das Innenministerium verkündet, als absolut zu setzen. Natürlich ist das die Meinung des Innenministeriums. Aber wie gut das Innenministerium so etwas prognostizieren kann, haben wir doch gerade erst beim FAG gesehen, wo das Innenministerium völlig falsch gelegen hat und seine Auffassung vom Gericht aufgehoben worden ist.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch wirklich wieder fake! - Weitere Zurufe)

- Da ist das Gesetz zum Teil sehr wohl für verfassungswidrig erklärt worden, Herr Ministerpräsident. Es steht nicht im Einklang mit der Verfassung.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch etwas anderes!)

Und Sie selbst, Herr Minister Habeck, haben sich doch noch vor wenigen Monaten hier hingestellt und gesagt: „Wir müssen prüfen, ob die von der DEA geplanten Ölsuchaktionen im Wattenmeer nicht als wissenschaftliche Bohrungen genehmigungspflichtig sind“, nur um hinterher dann auf der Grundlage eines anderen Rechtsgutachtens hier das Gegenteil darzulegen - was im Übrigen richtig ist.

Also tun Sie bitte nicht so, als ob Rechtsmeinungen eine absolute Wahrheit wären. Die Bürger erwarten - und das unterscheidet uns von Ihnen -, dass Sie Auslegungsspielräume, wenn es verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt, die nicht abschließend geklärt sind, zugunsten der Bürger, bürgerfreundlich, nutzen und nicht industriefreundlich.

(Beifall PIRATEN)

Das ist der Vorwurf, den wir an Ihre Politik richten, dass Sie immer wieder den Weg des geringsten Widerstands gehen und industriefreundlich nach möglichst hoher Rechtssicherheit entscheiden - angefangen bei den Unterlagen und den Anträgen der Bergbauunternehmen, die Sie lange Zeit mit der Begründung der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht herausgeben wollten und jetzt immer noch auf eine Teiltransparenz setzen.

Wir PIRATEN stehen dafür, dass bei der Energiewende der Bürgerwille durchgesetzt werden muss, und dass die Energiewende nur im Einklang mit dem Bürgerwillen gelingen kann, sonst gibt es keine Energiewende in unserem Land. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Teil a) des Tagesordnungspunkts: Gesetzentwurf der Landesregierung zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schleswig-Holstein, Drucksache 18/4388. Ich lasse über diesen Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer lehnt das Gesetz ab? - Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion. Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zur Abstimmung zu Teil b) des Tagesordnungspunkts, Gesetzentwurf zur Änderung des Landesplanungsgesetzes, Drucksache 18/5161. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

(Dr. Patrick Breyer)

Und wir kommen schließlich zu Teil c) des Tagesordnungspunktes, Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/5128. Hier ist beantragt worden, diesen Antrag dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Das hat doch keiner beantragt! In der Sache abstimmen! - Weitere Zurufe)

- Gut, dann frage ich noch einmal. Mir liegt eine andere Information vor. Es gibt also keinen Wunsch auf Ausschussüberweisung? - Nein, wir machen das einfach so: Wir lassen über die Ausschussüberweisung abstimmen, Sie überlegen sich, wie Sie abstimmen wollen und können dann immer noch in der Sache abstimmen.