Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Minderheitenpolitik beiderseits der deutsch-dänischen-Grenze ist sehr vorbildlich. Schutz und Förderung nationaler Minderheiten und Volksgruppen haben hierzulande einen Standard, von dem andere, auch in Europa, nur träumen können. In diesem Zusammenhang möchte ich auch daran erinnern, dass Minderheitenprobleme beispielsweise wesentlich zur Entstehung der nach wie vor nicht entschärften Bürgerkriegssituation in der östlichen Ukraine beigetragen haben. Der Ministerpräsident hat vorhin auch darauf hingewiesen. Dort haben die Kämpfe der letzten Jahre einige Tausend Menschenleben gefordert. Zu solchen Schrecken bildet unser Teil Europas wirklich den stärkst möglichen Kontrast. Es gibt viele andere Beispiele aus Europa, wo es nicht so dramatisch ist wie in der Ukraine, aber wo - das haben andere Kollegen wie Herr Andresen beispielsweise beschrieben - die Situation der Minderheiten sichtlich schlechter aussieht und sie Diskriminierungen zu erleiden haben.

Es gibt aber auch bei uns im Norden weiterhin offene Wünsche. Es gibt Anliegen, die weiter verfolgt werden müssen. Ich nenne einige Beispiele. Bei der Minderheit der Sinti und Roma ist es zum Beispiel wichtig, dass das mit der Einstellung von Bildungsberatern aus den Reihen dieser Volksgruppe in Angriff genommene Ziel, jungen Sinti und Roma durch gute Bildung bessere Lebensperspektiven zu vermitteln, konsequent weiter verfolgt wird. Der Sprachunterricht für Dänisch und Friesisch muss weiter gestärkt werden. Es ist zu hoffen, dass unser Land aus den Reihen der heutigen Flensburger Studentinnen und Studenten künftig Lehrkräfte gewinnt, die Friesisch auch unterrichten können, statt nur einen vergleichsweise kurzen Einführungskurs besucht zu haben.

Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen, dass leider die Zahl der Schülerrinnen und Schüler, die Friesischunterricht erhalten, in den letzten sechs Jahren zurückgegangen ist - von 934 auf 834 in diesem Schuljahr. Das muss man neben den eindeutig positiven Beispielen - Lars Harms hat da einiges genannt - natürlich auch in den Blick nehmen und aufpassen, dass sich dieser Rückgang nicht in den nächsten Jahren fortsetzt. Man muss da also auch gegensteuern.

Meine Damen und Herren, wir hoffen, dass die südlich der deutsch-dänischen Grenze bei uns in Schleswig-Holstein mittlerweile in zwei Sprachen eingeführten Ortsnamensschilder ein Beispiel dafür abgeben werden, dass in absehbarer Zeit auch auf

(Rasmus Andresen)

der dänischen Seite in Nordschleswig für eine gewisse Inspiration gesorgt wird, im Sinne von Wechselseitigkeit.

(Beifall CDU, Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Gewisse Störfaktoren für das Miteinander im Grenzland und damit auch für die Minderheiten ergeben sich in letzter Zeit tendenziell aus der großen, sprich nationalen Politik. Das muss hier angesprochen werden. Die von der CSU und ihrem Bundesverkehrsminister durchgesetzte deutsche Pkw-Maut veranlasst neuerdings Kopenhagener Regierungspolitiker, auch über die Einführung einer solchen Pkw-Maut in Dänemark nachzudenken. Ich denke, für die grenzüberschreitenden Verbindungen, die auch für die Minderheiten so wichtig sind, ist beides keine gute Entwicklung.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Auch der erkennbare Abbau im Bereich der deutsch-dänischen Studiengänge - Stichwort: Flensburg und Sønderborg - ist ein Rückschritt, den man beklagen muss. Ich möchte nur am Rande auf die spinnerten Grenzrevisionsträume von rechtspopulistischen Politikern wie Søren Espersen verweisen.

All das zeigt, dass wir es vermehrt mit Störfaktoren zu tun haben, die die Grenzregion praktisch aufseiten aller Beteiligter überhaupt nicht will: minderheitenbelastenden Faktoren, die von außen durch die jeweilige nationale Politikszene dieser Region aufgenötigt und zugemutet werden. Insofern ist es ein Lichtblick, wenn Hans Heinrich Hansen, der ehemalige Chef der Nordschleswiger und der EUMinderheitenorganisation FUEN, nach einem Gespräch mit der EU-Kommission in Brüssel kürzlich davon berichten konnte, dass Brüssel nun in Sachen Minderheitenpolitik nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs einzulenken scheint, in Hinsicht auf die Berücksichtigung entsprechender Initiativen auch auf der Ebene der Europäischen Union. Damit stellt Brüssel die minderheitenpolitischen Signale auf „Freie Fahrt“ in einer Zeit, da es aus der nationalen Politik zum Teil unerfreuliche Hindernisse gibt.

Ministerpräsident Albig begann seine Regierungserklärung zu Beginn dieser Wahlperiode am 13. Juni 2012 mit dem Satz

„Hohes Haus! Europa schaut heute auf uns und auf das, was wir miteinander auf den Weg bringen.“

Herr Ministerpräsident, dieser Anspruch mag ein klein wenig überdimensioniert gewesen sein. Ich

habe durchaus Zweifel, ob Europa tatsächlich damals oder auch später immer so intensiv auf Schleswig-Holstein geschaut hat. In Sachen Minderheitenpolitik hätte es das aber durchaus tun können, ohne dass uns dieses peinlich gewesen wäre.

(Beifall FDP)

Und - eine allerletzte Anmerkung - das gilt weiß Gott nicht für alle Politikfelder der Landespolitik. Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne in der Minderheitenpolitik auch weiter positiv zusammenarbeiten. - Danke schön.

(Beifall FDP und Karsten Jasper [CDU])

Für die Piratenfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Fraktion der PIRATEN an alle ein ganz herzliches Willkommen. Es ist toll, dass wir hier in diesem Haus so zusammen sind.

Es ist viel gesagt worden, was ich nicht wiederholen möchte, sondern ich möchte einige Akzente anders setzen. Es ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit: Mit der einstimmigen Aufnahme der Sinti und Roma in unsere Verfassung ist ein ganz wesentlicher, aber auch nicht der letzte Schritt getan worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in Zeiten, in denen nationalistische und rechtsextreme Parteien erstarken - das ist hier gesagt worden -, ist es wichtig, dass wir uns zu unseren Minderheiten bekennen, aber nicht nur bekennen, sondern sie auch schützen und unterstützen und uns gemeinsam mit ihnen den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicher sind wir in diesem Bereich Vorreiter in Deutschland. Das ist gut so. Ich danke auch der Landesregierung und allen Kollegen der anderen Parteien. Es ist eben leider keine Selbstverständlichkeit, weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern. Angesichts der Wiederkehr von Antiziganismus, Rassismus, Islam- und Ausländerfeindlichkeit ist der Schutz nationaler Minderheiten leider keine Selbstverständlichkeit. Ich verstehe es daher als unsere Pflicht, den interkulturellen Dialog und die mul

(Dr. Ekkehard Klug)

tiethnische Toleranz nicht nur in Schleswig-Holstein weiter zu fördern und zu stärken.

Wenn ich auch auf diesen wirklich lesenswerten Minderheitenbericht eingehe und dort insbesondere auf das fünfte Kapitel, dann zeigt dieser Teil sehr deutlich auf, welche Herausforderungen und Hürden noch vor uns liegen und was in der kommenden Legislaturperiode angepackt werden muss.

Packen wir es an, unabhängig von der zukünftigen Regierungskonstellation. Die Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt, dass dieser breite politische Konsens halten wird. Es wird dann vielleicht eine Fraktion geben, die versucht, ihn zu brechen, aber die dürfte kein Gehör finden.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist erfreulich, dass zum Beispiel private Medien das Friesische berücksichtigen. Es stellt sich aber ebenso die Frage, warum die mit Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Institutionen unsere Minderheiten immer noch ignorieren.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN, SSW und Beifall Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Immerhin wurde erreicht, dass zukünftig im ZDFVerwaltungsrat der Vertreter Schleswig-Holsteins die Interessen der Regional- und Minderheitensprachen vertreten wird. Damit wird endlich eine schon längst bekannte Forderung des Europarats umgesetzt. Aber es reicht nicht. Gerade in Schleswig-Holstein, dem Land mit den meisten Regionalund Minderheitensprachen, ist die Sprachenpolitik der wichtigste Eckpfeiler einer erfolgreichen Minderheitenpolitik. Aus diesem Grund ist auch der Vorstoß unserer Minderheitenbeauftragten Renate Schnack, Dänisch, Friesisch und Plattdeutsch als Amtssprache einzuführen, für die Minderheiten und für unser Bundesland ein wichtiger und vorbildlicher Schritt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir PIRATEN, die sich für mehr Bürgerrechte und Beteiligung aussprechen, setzen - wie auch die anderen Fraktionen - auf die Unterstützung der Bürgerinitiative Minority SafePack. Wir haben gerade heute den Bericht über das gestrige Treffen gehört. Die EU-Kommission hat ja zunächst die Annahme verweigert, ohne sich überhaupt inhaltlich zu positionieren. Heute können wir lesen: Ja, sagt Hans-Heinrich Hansen, es gebe jetzt ein Angebot der EU-Kommission. Nein, über den Inhalt möchte er jetzt noch nichts sagen. - Das ist ja auch klar. - Nur so viel: Man

könne sagen, dass die EU-Kommission Rücksicht darauf nehme, dass die Nähe zum Bürger auch ernst genommen werde. - Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber auch ein wichtiges Signal in Richtung EU, die vor großen Problemen und schwierigen Entwicklungen steht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb an die FUEN und alle anderen, die beteiligt waren: Herzlichen Glückwunsch zu dem Mut, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, um die Kommission zu zwingen, endlich in der Minderheitenpolitik Farbe zu bekennen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Ich möchte noch einmal etwas zu den Sinti und Roma sagen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es nur ganz wenige Jahre her ist, dass es eine unglaubliche Hetzkampagne gegen unsere Sinti und Roma gegeben hat. Wir alle erinnern uns an die Plakate der NPD „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“. Ich fand es toll, dass wir uns hier parteiübergreifend mit vielen unabhängigen Initiativen dagegen starkgemacht und das verurteilt haben.

Diese Einigkeit war aber auch das Signal dafür, dass alle in Schleswig-Holstein lebenden Sinti und Roma in den politischen und gesellschaftlichen Dialog einbezogen werden müssen und gemeinsame Projekte mit dem Landesverband wie das Modellvorhaben Maro Temm weiter gefördert und ausgebaut werden müssen und nicht nur auf Kiel konzentriert bleiben dürfen.

Denn Minderheitenpolitik beschränkt sich nicht nur auf uns in Schleswig-Holstein. Wenn wir Vorbild sein wollen, dann müssen wir auch verstärkt in Europa dafür kämpfen.

Es ist bekannt, aber ich möchte es trotzdem noch einmal unterstreichen, dass wir aus diesen Gründen als PIRATEN dafür eintreten, dass es in der EUKommission endlich einen Minderheitenbeauftragten geben muss. Denn nur so wird sichergestellt, dass Fehlurteile und ablehnende Bescheide wie bei der Bürgerinitiative durch die EU-Kommission zukünftig verhindert werden können.

Institutionen wie das in Flensburg ansässige European Centre for Minority Issues sind nicht nur eine wichtige Lobby für die nationalen Minderheiten. Ihre Studien und Analysen - gerade die letzten, die vorgestellt worden sind - sind wertvoll und wichtig, um die Situation der Minderheiten nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa und darüber hinaus zu verstehen und auch zu verbessern.

(Angelika Beer)

Zum Schluss möchte auch ich allen noch einmal für die wundervollen fünf Jahre danken. Ich bin immer gern gekommen, und ich hoffe, ihr seid auch immer gern in den Landtag zu unseren Gremiensitzungen gekommen.

Liebe Renate Schnack, was du an Kraft, Begeisterung und in den letzten Jahren auch an Überzeugung erreicht hast, ist beispielhaft. Auch deshalb möchte meine Fraktion sich noch einmal ganz herzlich bei dir und allen anderen bedanken.

Wir haben einen Wunsch für die Zukunft, den ich jetzt noch einmal in den Vordergrund stellen möchte: Ich wünsche mir für die nächste Legislaturperiode, dass nicht nur das Parlament über den Minderheitenbericht diskutiert, sondern dass die Beauftragten in den jeweiligen Bereichen und auch die Betroffenen hier Rederecht erhalten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SSW und Bei- fall Dr. Heiner Garg [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt worden. Ich schlage Ihnen vor, den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis zu nehmen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist der Tagesordnungspunkt damit erledigt. Vielen Dank dafür.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf:

Schlussbericht des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode

Bericht und Beschlussempfehlung des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Drucksache 18/5272