Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Natürlich hätten Sie die Möglichkeit gehabt. Sie haben die Mehrheit, um das umzusetzen und Ihre Versprechen einzulösen. Da steht Ihnen kein Herr Erdogan im Weg, der da angeführt werden könnte.

Ich komme jetzt zum Ausländerrecht, denn Kollegin von Kalben hat ein zweites Argument genannt, warum man Vereinbarungen nicht umgesetzt habe. Sie hat sich nämlich hinter diversen Gerichtsurteilen versteckt. Das gibt mir Gelegenheit, das zu widerlegen.

In Bezug auf das Urteil zum Ausländerrecht: Im Koalitionsvertrag war eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes vereinbart, um ein solches Ausländerwahlrecht einführen zu können. Das wäre möglich gewesen. Kein Gerichtsurteil steht dagegen. Sie haben es aber nicht getan.

Immer wieder kommen Sie mit dem Argument, dass Punkte, die wir kritisieren, die fehlenden Mitbestimmungsrechte bei der Windenergieplanung durch die Bürger oder auch, dass Sie kein Frackingverbot in Schleswig-Holstein einführen wollen, mit der Verfassung nicht vereinbar seien.

Dazu will ich Ihnen noch einmal eines sagen. Wenn Juristen zu bestimmten Fragen unterschiedliche Meinungen vertreten, dann, so glaube ich, will keiner, dass sie gegen ihre eigene Überzeugung entscheiden. Aber die Bürger erwarten, wenn es um eine offene Frage oder um eine ungeklärte Frage geht, dass sie sich dann der bürgernahen und bürgerfreundlichen Auslegung anschließen und diese im Zweifel dann auch vor Gericht überzeugend verteidigen und nicht aus Angst vor einem Risiko von vornherein die Finger davon lassen. Gerade gestern haben wir im Fall Friesenhof beklagt, dass dort ein Prozessrisiko angeführt wurde, um nicht das Beste für die Kinder zu tun. Genauso ist es, wenn Sie davor zurückschrecken, es auch nur zu versuchen, dem Bürgerwillen, dem Gemeindewillen, im Abwägungsprozess der Landesplanung Gewicht zu geben.

(Zuruf SPD)

Es ist doch offenbarer Unsinn, Windkraftanlagen dort zu bauen, wo die Menschen dagegen Sturm laufen, sie aber dort nicht zu bauen, wo sie seit Jahren akzeptiert sind, wie zum Beispiel in Nordfriesland.

(Dr. Patrick Breyer)

Gerade das vieldiskutierte Urteil zum Finanzausgleichsgesetz zeigt doch, dass auch diese Landesregierung in ihrer Einschätzung zur Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen nicht die Wahrheit gepachtet hat. Also sollten wir das doch auch niemandem vorwerfen, dass er in ungeklärten Fragen verschiedene Meinungen vertritt.

Sie haben erklärt, die Weichen der Koalition seien auf Grün gestellt worden. Da frage ich mich aber schon, von welchen Weichen wir hier reden. Es ist doch Ihre Koalition, die dafür zuständig ist, dass bis heute in der Nordsee giftiger Hafenschlick verklappt wird, ein Kuhhandel von Hamburg gegen eine Zahlung. Es ist Ihr Energiewendeminister, der politisch tatsächlich neue Ölbohrungen unterstützt und verteidigt, gar als moralisch geboten - was ich für eine unglaubliche Bankrotterklärung halte, wenn er so etwas sagt. Sie sind dafür zuständig, dass giftiger Bohrschlamm bei uns seit Jahren herumliegt, ohne untersucht zu werden, und dass das geheimgehalten wird. Sie haben dem Fracking-Ermöglichungsgesetz im Bundesrat zugestimmt.

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Sie setzen die Hinterland-Anbindung der umweltschädlichen Fehmarnbelt-Querung um und haben diese sogar zum Haushaltsplan und zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Sie stimmen gegen ein Nein zu CETA - das werden wir morgen sehen -, obwohl dies eine Gefahr für Umweltstandards in Europa bedeutet. Sie fahren die Energiewende vor die Wand, wenn Sie die Akzeptanz der Bürger verspielen.

Was das für grüne Weichen sein sollen, weiß ich nicht. Vielleicht liegen die außerhalb von Schleswig-Holstein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn Sie keine Ahnung haben, sollten Sie auch nichts sa- gen!)

Nun zum Thema Transparenz-Ranking. Sicherlich ist es so, dass auf der Grundlage des bisherigen Informationszugangsgesetzes Schleswig-Holstein einen zweiten Platz errungen hat. Darauf können wir stolz sein. Aber wer das Ranking aufgestellt und die Analyse vorgenommen hat, das ist Arne Semsrott von der Organisation FragDenStaat. Er hat auf Mediennachfrage ausdrücklich betont, diese Note beziehe sich auf das jetzt geltende Gesetz und nicht auf die Änderungen, die Sie anstreben. Was er von dieser Änderung hält, ob das im Bereich der Note eins spielt oder sogar zu einem Abrutschen führt - wie ich sage -, das können Sie in seiner Stellungnahme an den Innen- und Rechtsausschuss

nachlesen. Er hat nämlich Ihre Novelle auseinandergenommen und vernichtend beurteilt. Deswegen werden wir durch Ihre Novelle im TransparenzRanking abfallen und nicht aufsteigen.

Es ist ja auch nicht nur in dem Bereich so, dass Transparenz abgebaut wird, sondern die Landesregierung hält zum Beispiel die Standorte der Bohrschlammproben geheim. Sie verweigert auch die Herausgabe von Arbeitsplänen von Ölunternehmen, die in Schleswig-Holstein bohren wollen. Sich hier also „Transparenz“ auf die Fahnen zu schreiben, ist nicht zu verstehen.

Wenn hier so viel von sozialer Gerechtigkeit die Rede gewesen ist, dann frage ich: Wie sozial gerecht müssen es die Bürger eigentlich empfinden, dass Sie daran festhalten, dass Minister bereits ab 62 Jahre in Rente gehen können? Während jeder normalsterbliche Arbeitnehmer, jeder Beamte künftig bis zum Alter von 67 Jahren warten muss, soll für Minister ausdrücklich etwas anderes gelten, anders als im Bund, anders als in vielen Bundesländern. Das ist soziale Gerechtigkeit für die SPD?

Sie unterstützen CETA, ein Abkommen, gegen das die Gewerkschaften Sturm laufen. Und das soll soziale Gerechtigkeit sein?

Sie sind verantwortlich dafür, dass Praktikanten teilweise monatelang unbezahlt in unseren Ministerien ausgebeutet werden. Auch das verstehen wir nicht unter sozialer Gerechtigkeit.

Sie sind dafür verantwortlich, dass es in SchleswigHolstein so wenige Sozialwohnungen gibt wie noch nie in den letzten zehn Jahren unseres Landes. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.

Deswegen will ich noch einmal festhalten: Die heutige Debatte war, wie ich denke, goldrichtig, weil sie sich zumindest in ihren lichten Momenten nicht darum gedreht hat, was wer will oder verspricht, sondern was Sie können und was Sie eingehalten haben. Insoweit haben wir gelernt, dass es um die Einhaltung des Koalitionsvertrages in vielen Punkten schlecht bestellt ist, dass man sich nicht darauf verlassen kann. Das bestätigt uns PIRATEN in dem, was wir immer sagen, nämlich niemand darf sich darauf verlassen, was versprochen wird oder was in Programmen steht. Niemand sollte den Plakaten vertrauen. Auch unseren nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD)

Vertrauen Sie keinem Plakat, sondern informieren Sie sich selbst. Bilden Sie sich eine eigene Meinung, und schauen Sie sich an, was gemacht wird,

(Dr. Patrick Breyer)

und nicht nur, was versprochen wird. Dann werden wir am 7. Mai 2017 eine gute Wahl haben. - Danke schön.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Kollegin Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Stegner, ich möchte gern noch einmal Ihre Äußerungen zur Bildungspolitik und zu den Haushaltsgrundlagen dieser Bildungspolitik aufgreifen.

Sie vergleichen ja immer so gern Ihre Regierungsarbeit mit der Regierungsarbeit der letzten Landesregierung.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Genau!)

Das Problem ist, dass diese Regierung eine komplett andere Haushaltsgrundlage hatte und hat, als sie die Vorgängerregierung hatte.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Mir kommen die Tränen!)

- Nein, Sie brauchen sich jetzt kein Taschentuch zu holen, sondern ich will nur einfach einmal Äpfel mit Äpfeln vergleichen, nämlich das, was die CDUFraktion in dieser Zeit mit den Mitteln, die auch Sie zur Verfügung hatten, im Bildungsbereich gemacht hätte.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie reden im Kon- junktiv!)

- Hätte, natürlich. Hier sind Anträge vorgelegt worden, es sind Anträge, die Sie zum Teil auch abgelehnt haben. Sie haben doch den Hochschulen die BAföG-Mittel vorenthalten.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Weil Sie die Mittel nicht freigegeben haben! Reden Sie doch nicht immer im Konjunktiv!)

- Ja, Herr Dr. Stegner, wir hätten es den Schulen und den Hochschulen gegeben.

(Zurufe SPD: Oh!)

Nein, nicht eins plus eins ist drei.

Obendrein muss man auch einmal sagen, meine Damen und Herren: Schauen Sie doch einmal nach, was denn die Oppositionsfraktionen durchgängig, jeder in unterschiedlichen Bereichen, im Bildungs

bereich mit den zweieinhalb Milliarden Euro, die Sie zur Verfügung hatten, gemacht hätten. Wäre es unsere Bilanz heute gewesen, gäbe es in diesem Land 500 Lehrerplanstellen mehr.

(Beifall CDU)

Das heißt, wir hätten diese Lehrerstellen vollständig für eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung an die Schulen gegeben. - Herr Dr. Stegner, das müssen Sie sich anhören, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Unter der Verantwortung der CDU hätte das Land definitiv eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung darstellen können.

(Beifall CDU - Lachen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es hätte den Universitäten BAföG-Mittel zur Verfügung gestellt. Dies hätten auch Sie machen können. Sie haben sich dem verweigert. Deswegen bitte ich Sie, hier Äpfel mit Äpfel und nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Jetzt hat Herr Kubicki das Wort, wenn ich das richtig gesehen habe.

Liebe Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Da wir ja nicht nur über die Antwort auf die Große Anfrage gesprochen haben, sondern auch über die Bilanz dieser Regierung und des Parlaments, möchte ich etwas aufgreifen, was mir persönlich am Herzen liegt. Herr Kollege Dr. Stegner, das ist wahrscheinlich auch altersbedingt.

Ich habe heute Morgen in den „Lübecker Nachrichten“ eine Berichterstattung über die PIRATEN gelesen, die mir fast die Schuhe ausgezogen hat. Die Überschrift lautete „PIRATEN ziehen Bilanz: ‚Viel bewegt, oft enttäuscht‘“. Ich will hier auf den inhaltlichen Teil zu sprechen kommen.