Auch das Thema Gerichtsbarkeit ist mittlerweile zufriedenstellend gelöst. Auf die etwas fragwürdige Auslegung bei einigen Schiedsgerichtsbarkeiten in der Vergangenheit wurde bei diesem Abkommen ja gerade mit einer Stärkung staatlicher Eingriffsmöglichkeiten reagiert, und die Grenzen des Investitionsschutzes wurden sehr deutlich klargestellt.
Was die Handelsgerichtsbarkeit angeht, ist dieses Abkommen eine Blaupause für weitere Handelsabkommen. Ich verstehe, ehrlich gesagt, gar nicht, wo genau Ihr konkretes Problem liegt, Herr Kollege Voß. Das konnten Sie uns auch heute nicht so richtig erklären. Insofern werde ich aus Ihrem Antrag auch nicht schlau und weiß nicht, was Sie uns damit heute eigentlich sagen wollen.
Meine Damen und Herren, ich bin ganz bei meinem Kollegen Rainer Wiegard. Mit wem in Gottes Namen sollte Europa ein Handelsabkommen schließen, wenn nicht mit einer sympathischen, liberalen Musterdemokratie wie Kanada? Mit wem wollen wie so etwas sonst machen?
Welche Kriterien wollen wir eigentlich anlegen? Ich bin also wirklich einigermaßen irritiert. Es geht in der Tat um die Frage, ob Freihandel und Marktwirtschaft noch als Grundlage unseres Wohlstandes anerkannt werden und ob unser gesellschaftliches Modell, die liberale Demokratie, überhaupt noch belastbar ist, wenn man selbst in der Mitte - so habe ich das verstanden - des politischen Spektrums nicht mehr die Zustimmung der Grünen findet.
Insofern sind die ideologischen Gründe, die die Landesgrünen aus meiner Sicht haben, um das abzulehnen, sehr bedauerlich. Ich finde es für eine Regierungspartei nicht angemessen, dass sie bei einer solchen Stimmungsmache mitmacht.
Ich möchte abschließend in Richtung der Sozialdemokratie persönlich sagen: Sie haben sich das zwar auch nicht leicht gemacht, aber Sie haben sich zumindest konstruktiv beteiligt, weil Sie in der Regierung stehen. Die Grünen sind ja als Daueroppositionspartei im Bund in einer anderen Situation. Diese können sich einen schlanken Fuß machen und dann nachher sagen: „Na ja, jetzt sind wir doch irgendwie dafür.“ Die Sozialdemokratie dagegen hat es sich nicht leicht gemacht. Ich muss ganz ehrlich sagen, Herr Dr. Stegner, ich erkenne das an. Das, was Sigmar Gabriel für die SPD auf den Weg gebracht hat, und das, was Martin Schulz im Europaparlament auf den Weg gebracht hat - ich habe Gerüchte gehört, dass auch Sie daran beteiligt waren -, verdient unsere Anerkennung.
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne unseren ehemaligen Kollegen Jürgen Feddersen. - Herzlich willkommen!
Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat nun deren Fraktionsvorsitzender, der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine tiefe Überzeugung ist: Damit jeder seinen Weg zum Glück finden kann, darf kein Überwachungsstaat und auch keine Wirtschaftslobby unser Leben kontrollieren. Wie schon der Volksmund sagt: Geld regiert die Welt. - Wie sehr sich die Politik doch im Griff der Wirtschaft befindet, zeigt kaum etwas besser als ein Konzernabkommen wie CETA.
Da soll zugunsten internationaler Konzerne ein eigenes Sondergericht eingerichtet werden, um Staaten auf Entschädigung wegen entgangener Profite verklagen zu können, und das unter Außerachtlassung rechtsstaatlicher Standards. Herr Kollege Vogt, da finde ich es schon interessant, dass die Rechtsstaatspartei FDP ihre Grundsätze über Bord wirft und es Ihnen egal ist, wenn selbst der Richterbund beklagt, dass hier rechtsstaatliche Standards nicht im Ansatz gewährleistet werden. Da werden Verbraucherschutz-, Umweltschutzund Datenschutzstandards hinter verschlossenen Türen ausge
handelt und damit der Entscheidungsfindung der Parlamente entzogen, Herr Kollege Wiegard. Das hat doch mit demokratisch nichts zu tun, wenn über so wichtige Fragen hinter verschlossenen Türen, statt bei uns im Parlament verhandelt und entschieden wird. Das kann nicht richtig sein.
Lieber Herr Dr. Breyer, beim Thema Transparenz hat die liberale EU-Kommissarin, finde ich, die Arbeit ihrer Vorgänger doch korrigiert, und es war auch berechtigt, natürlich. Ich fand es hochinteressant, wie viele Leute eine OnlinePetition gegen CETA unterschrieben haben und wie wenige Leute auf die Unterlagen der Homepage der Europäischen Kommission zugegriffen haben. Das finde ich sehr vielsagend. Wenn Sie behaupten, das sei alles im Hinterzimmer hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden, möchte ich gern von Ihnen wissen, wo denn Verhandlungen zwischen Staaten, wo man zusammenkommen muss, stattfinden. Hat das schon einmal irgendwo auf dem Marktplatz stattgefunden?
- Herr Kollege Vogt, Sie gehören ja jetzt auch schon lang genug diesem Hohen Hause an, um zu wissen, dass wir PIRATEN ganz konkrete Vorschläge vorgelegt haben, wie man solche Verhandlung führen könnte, nämlich dass das Parlament ein Verhandlungsmandat erteilt, in dem Grundsätze und rote Linien für solche Verhandlungen festgesetzt werden. Das ist hier nicht geschehen, sondern man hat sich hinter verschlossenen Türen unter massivem Einfluss der Lobbyisten zusammengesetzt und Standards festzementiert, die für die beteiligten Parlamente nicht mehr veränderbar sind. Ich erinnere nur an das Thema Urheberrechtsschutz, zum Beispiel, wo Kopierschutzmaßnahmen und das Verbot von Privatkopien und vieles andere in das CETA-Abkommen geschrieben werden, während es gleichzeitig im Europaparlament Bestrebungen gibt, das zu liberalisieren, zu lockern und zu modernisieren. Das wird unmöglich gemacht, wenn Sie in solche internationalen Verträge solche wichtigen Fragen festzementieren. Das ist demokratisch danach nicht mehr veränderbar. Das kann nicht richtig
Ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie sagen, das Parlament wurde nicht eingebunden, es sei alles nicht demokratisch. Wie können Sie denn eine Entscheidung, die im Europäischen Parlament mit großer Mehrheit getroffen wurde, nämlich dass man CETA zustimmen soll, derart in Abrede stellen? Als Demokrat, das muss ich ganz ehrlich sagen, kann man solche Mehrheitsentscheidungen, die mit großer Mehrheit getroffen wurden, schlecht im Nachhinein, vor allem wenn man selbst Parlamentarier ist, zerreden und sagen, es sei alles undemokratisch und gegen das Parlament. Das Parlament hat zugestimmt. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis. Das ist doch eine Tatsache.
- Dann hören Sie bitte dem Fortgang meiner Rede zu, Herr Kollege Vogt. Darauf komme ich nämlich jetzt zu sprechen.
Auch wenn Konservative, Liberale und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament die Hand für diese Selbstentmachtung gehoben haben, ist es doch so, dass jeder EU-Staat noch immer dieses Abkommen stoppen kann. Bei uns bedeutet das, dass der Bundesrat das noch stoppen kann, in dem bekanntlich die rot-grünen Länder die Mehrheit haben. Tausende von Schleswig-Holsteinern fordern von diesem Landtag, von dieser Landesregierung ein Nein zu CETA, genauso wie wir es hier schon im vergangenen Jahr beantragt haben.
Die Mehrheitsfraktionen im Parlament wollten sich dazu erst überhaupt nicht positionieren und überhaupt erst nach der Wahl eine Antwort geben, wie sie zu CETA im Bundesrat abstimmen wollen. Diese Vogel-Strauß-Politik mussten wir wieder einmal erst durchbrechen,
indem wir den Wissenschaftlichen Dienst beauftragt haben zu begutachten, ob es angehen kann, dass seit Monaten sechsfach unser Antrag immer
Das Schöne ist, wir hatten auch in diesem Fall Erfolg und werden heute sehen, wenn Sie unser Nein zu CETA ablehnen, dass es ganz klar ist, dass in diesem Haus nur die PIRATEN für ein Nein zu CETA stehen.
Der rabulistische Antrag der Koalition zu diesem Thema ist nur noch peinlich. Gestehen Sie doch endlich einmal ein, dass Ihre eigenen Bedingungen, die Sie mehrfach aufgestellt haben, eben nicht erfüllt sind. Sie haben selbst das Thema Schiedsgerichte angesprochen. Hören Sie endlich auf, sich ein Ja offenzuhalten. Wenn ich den Antrag lese, sehe ich, dass Sie sich ein Ja offenhalten und das nicht ausschließen.
Sie können Maßstäbe aufstellen, so viel Sie wollen, Frau Kollegin, aber Maßstäbe sind auch dazu da, angelegt und angewendet zu werden. Wir haben seit Monaten das fertige Abkommen. Sagen Sie doch einmal, ob Ihre Bedingungen erfüllt sind oder nicht. Warum schreiben Sie es denn nicht herein? Wenn Sie nicht erfüllt sind, sagen Sie, dass Sie es ablehnen. Das ist so, als wenn Sie zu einer Würstchenbude gehen und sagen: Ich hätte gern eine Wurst, aber bitte ohne Fleisch.
Bei CETA ist ganz eindeutig, was drin ist, und dass Ihre eigenen Kriterien dort nicht erfüllt sind. Trotzdem erteilen Sie dem keine Absage. Deswegen ist es wie bei dem gesamten Koalitionsvertrag - wir hatten es gestern schon debattiert -, dass sich die Grünen offenbar nicht durchsetzen können, nicht durchsetzen wollen und dass im Endeffekt im Bundesrat Herr Albig abstimmt, wie er will. Das haben wir schon bei der Pkw-Maut gesehen. Es ist kein Verlass, dass CETA unter dieser Küstenkoalition hier nicht zugestimmt wird. Ein eindeutiges, ein klares Nein zu CETA und zu einem Handel frei vom Verbraucherschutz und zu demokratischer Kontrolle gibt es nur mit uns PIRATEN.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verhandlungen über CETA zu bewerten, ist gar nicht so einfach. Dies liegt nicht so sehr in Freihandelsabkommen an sich begründet, sondern in der besonderen Situation, dass wir derzeit die Zustände haben, die sich weder die Befürworter noch die Gegner von CETA wünschen. Derzeit haben wir keine klaren Regelungen und keine gemeinsamen Rechtsgrundlagen in Bezug auf den Handel zwischen Kanada und der EU.
Gibt es Streitigkeiten, können derzeit Investoren vor dem Schiedsgericht des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington klagen. Hier entscheiden nicht zwingend Richter, und in diesem nicht-öffentlichen Verfahren gibt es auch keine Berufungsmöglichkeit. Ob dieses Gremium auf Basis von kanadischem oder europäischem Recht entscheidet, ist auch ungewiss. Das ist alles das, wovor wir eigentlich gewarnt werden.
Dieser Mechanismus sollte ursprünglich auch bei CETA beibehalten werden. Erst nachdem Bürgerinitiativen sich massiv dagegen gewandt und für Öffentlichkeit der Verhandlungen gesorgt haben, hat es hier Bewegung gegeben. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im letzten Jahr mitgeteilt, dass für CETA ein eigenes Schiedsgericht eingerichtet werden soll, das paritätisch mit Richtern besetzt wird. Dieses Schiedsgericht soll öffentlich tagen, und es würde dann auch dort eine Berufung möglich sein. Das ist ein riesiger Erfolg der Kritiker.
Ähnliches gilt für den Zustimmungsvorbehalt des EU-Parlaments, der ja schon ausgeübt worden ist, und der nationalen Parlamente, die vorher nicht vorgesehen waren. Ursprünglich sollte das Abkommen ein Abkommen der Regierungen sein, jetzt werden auch die Parlamente einbezogen. Der Erfolg ist sogar umso größer, als auch unser Bundesverfassungsgericht am 12. Januar dieses Jahres vorgegeben hat, dass CETA nicht ohne zeitliche Begrenzung gelten darf und entsprechend kündbar sein muss. Ohne diese Bedingung zu erfüllen, darf das Abkommen nicht unterschrieben werden. Man kann also sehen, die Arbeit der kritischen Menschen hat sich gelohnt.
Trotzdem ist das Abkommen aber immer noch nicht reif für eine Zustimmung. Der Landtag hat in seinen Beschlüssen eine Vielzahl von Bedingungen genannt, die zu einem Teil auch erfüllt werden. Zum anderen Teil werden sie aber immer noch nicht erfüllt.
Zwar ist die Daseinsvorsorge aus dem Abkommen ausgenommen, wenn die Staaten diese selbst erledigen. Das sieht eine Liste in Anlage 2 zum Abkommen so vor. Aber diese sogenannte Negativliste schließt nicht aus, dass doch noch einmal ein Bereich vom Abkommen umfasst wird, von dem wir heute noch gar nicht wissen, dass dieser einmal zur Daseinsvorsorge zählen wird. Deshalb ist es immer noch notwendig, dass in einer Positivliste genau aufgezählt wird, für welche Bereiche das Abkommen gelten soll, wodurch dann alle anderen Bereiche automatisch ausgeschlossen wären. Auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe dürfen zwar sozial-ökologische Kriterien angewendet werden. Aber nur, wenn sie kein „unnötiges Handelshemmnis“ darstellen. Diese Einschränkung macht die Kriterien angreifbar, da dieser Begriff nicht definiert ist.
Unklar bleibt auch, welche Sanktionen es geben soll, wenn Investoren die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verletzen sowie unsere Sozial- und Umweltstandards nicht einhalten. Kein Wunder, dass der DGB zu dem Schluss kommt, dass diese Regelungen immer noch unzureichend sind.
Ein dritter Punkt ist das sogenannte Vorsorgeprinzip. In Europa müssen Lebensmittel oder Medikamente auf ihre Ungefährlichkeit hin getestet werden, und erst bei einer erwiesenen Ungefährlichkeit dürfen diese zugelassen werden. In Kanada ist es genau andersherum: Hat man nicht bewiesen, dass ein Produkt schädlich ist, gilt es erst einmal als unschädlich. Wir sehen hierin ein Sicherheitsrisiko und wollen deshalb am Vorsorgeprinzip festhalten.