Protokoll der Sitzung vom 22.02.2013

(Astrid Damerow)

sollte als öffentliche Dienstleistung vollständig in der Kontrolle der öffentlichen Hand verbleiben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Eine Notwendigkeit, dass bewährte Formen qualitativ hochwertiger und bezahlbarer Wasserversorgung denselben Regeln unterworfen werden wie private Anbieter, ist in keinem Fall zu erkennen. Durch die Aufnahme der Wasserversorgung in die Konzessionsrichtlinie besteht die Gefahr einer schleichenden Öffnung für einen reinen Wettbewerbsmarkt. Dies kann niemand von uns hier ernsthaft wollen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Die Wasser- und die Abwasserversorgung müssen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgehalten werden. Wenn wir uns die Folgen von Privatisierung an Beispielen anschauen, kann einem angst und bange werden, und das ist in keinster Weise übertrieben. Steigende Rohrbrüche durch mangelnde Vorsorge und Reparatur haben im letzten Jahr in London dazu geführt, dass bei einigen Verbrauchern überhaupt kein Wasser mehr ankam. Preissteigerungen von bis zu 400 % waren in einigen Gemeinden Portugals zu verzeichnen. Fragen Sie unsere Nachbarn in Frankreich, die in großen Teilen Probleme mit der Qualität des Wassers haben. Schauen Sie nach Berlin, wo entgegen der Versprechen der privaten Großkonzerne die Anzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erheblich reduziert, die Preise aber erhöht wurden. Dort wird endlich die Rekommunalisierung beraten.

Ich empfehle Ihnen allen, sich den Film - Herr Voß hat darauf hingewiesen - „Water Makes Money“ anzusehen. Dort können Sie mehr zu diesem Thema und auch zu den schlimmen Machenschaften einiger Privatkonzerne erfahren.

(Angelika Beer [PIRATEN]: Die jetzt vor Gericht stehen!)

- Genau. Der Bundesrat hat sich mehrfach eindeutig gegen eine EU-Initiative positioniert. Nun muss die Bundesregierung endlich in die Hufe kommen. Schon Ende letzten Jahres hat sie diese Chance vertan. Umso wichtiger sind unser heutiger Landtagsantrag und die dazugehörige Abstimmung.

(Beifall SPD und PIRATEN)

Ausdrücklich möchte ich hier den Antrag der PIRATEN loben, der genau in die gleiche Kerbe schlägt, möchte aber auch sagen, dass der CDU

und der FDP-Antrag zum Teil sozusagen ins Schwarze treffen.

Abschließend lässt sich sagen: Gut dass die Kommission sich bewegt. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Also, Hände weg von unserem Wasser!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Trinkwasserversorgung ist Kern der Daseinsvorsorge. Die Versorgung mit gutem Wasser ist lebensnotwendig. Deshalb ist auch die FDP der Auffassung, dass Gemeinden nicht durch Vorgaben der EU zur Privatisierung der örtlichen Wasserversorgung veranlasst werden dürfen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Wasserversorgung auch in Zukunft durch die Kommunen durchgeführt werden kann.

Ich verweise auf die Presseberichte, die gestern am späten Nachmittag und heute ausgegeben wurden. Die aktuelle Entwicklung hat die Debatte nach meiner Einschätzung in erheblichem Umfang überflüssig gemacht. Herr Barnier, der Binnenmarktkommissar, hat gestern einen Rückzieher gemacht. Neuerdings sollen Kommunen nicht europaweit ausschreiben müssen, wenn die Wassersparte eines kommunalen Versorgers für sich allein mindestens 80 % des Umsatzes in der Heimatgemeinde ausmacht. Auf der noch existierenden Online-Seite der „Frankfurter Rundschau“ kann man nachlesen, dass es in Deutschland nur fünf Stadtwerke geben soll, die diese Vorgabe nicht erfüllen und weiterhin EUweit ausschreiben müssten. Laut dieser Quelle soll die Vereinigung der kommunalen Unternehmen diese Information herausgegeben haben.

Es wäre also für die Sache vielleicht hilfreich gewesen, wenn man sich dazu hätte entschließen können, dieses Thema noch einmal in den Ausschuss zu überweisen und darüber zu diskutieren.

(Beifall CDU)

Wir wissen aber, dass einige Fraktionen im Hause aus bekannten Gründen - wegen eines zeitnah bevorstehenden Ereignisses -, aus politischen Gründen, einen gewissen Theaterdonner nutzen wollen. Sei es drum, dann machen wir das. Unser Ent

(Sandra Redmann)

schließungsantrag hat es auch gezeigt: Wir sind der Auffassung, dass der Entwurf der EU-Richtlinie falsch war.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] und Dr. Pa- trick Breyer [PIRATEN])

Wir sind der Meinung, dass den ursprünglichen Plänen der EU Einhalt geboten werden muss und dass es Änderungen bedarf. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass geprüft werden muss, ob die Richtlinie auch in der jetzt entschärften Form eine Gefährdung der interkommunalen Zusammenarbeit im Bereich der Wasserversorgung mit sich bringen würde. Das ist ein Kritikpunkt, den unser Parteifreund Michael Theurer, Abgeordneter der FDP im Europaparlament, seinerzeit in der Debatte als zentralen Kritikpunkt deutlich gemacht hat. Es gibt sicherlich weiterhin Klärungs- und Beratungsbedarf.

Meine Einschätzung bleibt aber: Das allergrößte Problem ist entschärft worden. Im Übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, dass meine Ratsfraktion gestern in der Kieler Ratsversammlung einen Prüfauftrag dahin gehend beantragt hat, ob die Wasserversorgung in Kiel rekommunalisiert werden kann.

(Beifall FDP, PIRATEN und SSW)

Wie Sie wissen, wurde 2001, das ist jetzt zwölf Jahre her, der ursprüngliche kommunale Eigenbetrieb, die Wassersparte, eingegliedert, und zwar in die in privater Rechtsform als Aktiengesellschaft strukturierten Stadtwerke. Wie Sie wissen, ist es möglich, dass man Anteile an Stadtwerken verkauft. Mit anderen Worten: Die damals getroffene Entscheidung, die mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen und CDU damals in der Kieler Ratsversammlung getroffen worden ist, steht jetzt auf Antrag der FDP in der Kieler Ratsversammlung zur Überprüfung an. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht dem europäischen Vergaberecht unterliegt, will die EU-Kommission nun diese Lücke schließen. Der dafür ausgearbeitete Richtlinienentwurf verfolgt unter anderem das

Ziel der EU-weiten Ausschreibungspflicht von Dienstleistungskonzessionen. Hierunter fällt auch die Trinkwasserversorgung. Was von den einen als notwendiges Regelungswerk gesehen wird, wird von den anderen als ein weiterer Schritt zur Liberalisierung mit negativen Folgen gesehen.

Die Liberalisierung der Märkte - ob im Bereich Gas, Strom, Post oder Verkehrsbetriebe - hat in weiten Teilen nicht gehalten, was im Vorwege angekündigt wurde. Zugegeben, es gibt Bereiche, in denen eine Privatisierung durchaus sinnvoll und im Interesse der Kunden sein kann. Zu Beginn wurde die Liberalisierung der Märkte auch als Heilinstrument zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verkauft. Vermeintlich kostspielige Aufgaben in öffentlicher Trägerschaft lassen sich an Private übertragen, die diese dann kostengünstiger und effektiver regeln sollen.

In den Ballungsgebieten mag die Rechnung manchmal aufgehen, aber sobald wir in die dünner besiedelten Bereiche kommen oder sobald zusätzliche Leistungen erforderlich sind, stellen wir fest, dass die Privaten häufig doch nicht günstiger sind als die öffentlichen Betreiber. Was als marktwirtschaftliches Instrument im besten Kundensinne verkauft wurde, hat sich zum Teil selbst entzaubert. Nun erleben wir vielerorts, dass Bürgermeister und Landräte ihre Privatisierungsmaßnahmen rückgängig machen und die Stadtwerke oder Verkehrsbetriebe wieder kommunalisieren. Aktuell erleben wir bei uns im Land eine Rekommunalisierung im Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe für Strom und Gas.

Die Aufgabenübertragung an Private im Bereich der Daseinsvorsorge sehen wir als SSW allgemein sehr kritisch. Bei der Daseinsvorsorge gibt es Bereiche, die man auf keinen Fall dem Markt aussetzen darf. Daher erteilen wir einer Privatisierung der Wasserversorgung eine ganz klare Abfuhr.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen nicht, dass der Markt alles regelt; schon gar nicht, wenn es dabei um die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser geht. Die Trinkwasserversorgung ist mehr als nur Daseinsvorsorge. Trinkwasser ist die Grundvoraussetzung für Leben. Aus diesem Grund wurde von den Vereinten Nationen der Anspruch auf Zugang zu sauberem Wasser zum Menschenrecht erklärt.

Trinkwasser ist kein handelbarer Rohstoff, es ist ein öffentliches Gut. Die Trinkwasserversorgung darf nicht mit der Versorgung von Gas oder Elektrizität

(Dr. Ekkehard Klug)

gleichgestellt werden. Wasser lässt sich nicht genauso handeln wie Strom, sondern ist ortsgebunden. Aufgrund der hohen Qualität des Trinkwassers in Deutschland haben wir kein Interesse daran, Wasserim- und -exporte zu ermöglichen, denn dann müsste das Wasser auf unnatürlichen Wegen haltbar gemacht werden. Wir haben also wirklich etwas zu verlieren, wenn wir den europaweiten Liberalisierungsbestrebungen nachgeben würden.

Die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung sind Kernbereiche der Daseinsvorsorge, für die der Staat Sorge zu tragen hat. Würden diese Bereiche völlig liberalisiert, so würden sie komplett der demokratischen Kontrolle entzogen werden. Das würde gleichzeitig einen wesentlich höheren Regelungs- und Kontrollaufwand nach sich ziehen. Wir hätten somit nichts gewonnen.

Es gibt genug schlechte Beispiele dafür, wie die Privatisierung der Trinkwasserversorgung aussehen kann. Städte wie London, Grenoble oder Potsdam, um nur drei zu nennen, denn andere Städte wurden schon genannt, haben ihre leidigen Erfahrungen mit privaten Wasserversorgern gemacht. Die versprochenen positiven Effekte sind nicht nur nicht eingetreten, sondern die Privatisierung hat sich im Nachhinein als kostspielig für die Städte und die Kunden herausgestellt. So hat man in Potsdam mittlerweile die Verträge mit einem französischen Wasserversorger gekündigt, weil die Preise seinerzeit explodiert sind. In London hat man die Erfahrung gemacht, dass der private Betreiber keine langfristigen Investitionen in die Infrastruktur getätigt hat. Leckagen in den Leitungen erhöhen den Wasserverlust, die Pump- und Fördermenge muss erhöht werden, die Kosten steigen, und es steigt auch die Gefahr der Wasserverunreinigung.

Die Liste der Städte, die ihre Erfahrungen mit privaten Wasserversorgern gemacht haben, ist sehr lang. Leidtragende waren am Ende immer die Kunden. Daher ist die marktwirtschaftlich beste Lösung für die Kunden eben nicht die Privatisierung, sondern der öffentliche Betrieb.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Ich denke, es ist wichtig, dass wir heute zu einer Abstimmung kommen. Ich meine aber, dass sich sowohl der Europaausschuss als auch der Innenund Rechtsausschuss und der Umweltausschuss im Rahmen der Selbstbefassung noch einmal mit diesem Thema beschäftigen sollten und dass wir dieses Thema auf der Tagesordnung belassen sollten. Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. - Zunächst hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Sandra Redmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie muss die FDP-Fraktion etwas mit den Ohren haben. Das ist gestern schon bei Frau Klahn aufgefallen.

(Heiterkeit SPD - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Theaterdonner!)

- Ich helfe euch ja auch.

Ich habe genau erklärt, warum wir abstimmen sollten, Herr Dr. Klug. Die Diskussion ist jetzt im Gang. Jetzt, da Bewegung auf EU-Ebene in die Sache kommt, müssen wir uns ganz klar mit einem Landtagsantrag einmischen. Das ist kein Theaterdonner, Herr Dr. Klug, sondern so etwas nennt man parlamentarische Arbeit.

(Beifall SPD - Zuruf Dr. Ekkehard Klug [FDP])