Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Während wir von breiten Teilen der Bevölkerung immer stärker verlangen, dass sie kleinste Details ihres Lebens offenbaren, gibt es im Parlament allein gegen diese Vermutung immer größeren Widerstand.

Hier, meine Damen und Herren, geht es darum, dass 69 Menschen legislative Macht über 2,8 Millionen Menschen ausüben. Ich persönlich halte allein die Gefahr einer Beeinflussung für so gravierend, dass der Bürger sie kennen muss. Natürlich gehört auch der Umfang der Arbeitszeit zu der Frage, ob ein Abgeordneter seinem Mandat gerecht werden kann.

(Beifall PIRATEN - Zuruf Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Wer neben dem Mandat noch eine Vollzeittätigkeit ausüben will, dem ist das aufgrund des freien Mandats zu erlauben. Nur müssen es die Bürger wissen, um die Leistung dieses Abgeordneten wenigstens im Nachhinein beurteilen zu können.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Die Bewertung des zeitlichen Umfangs einer Nebentätigkeit oder die Bewertung der Höhe der Nebeneinkünfte ist natürlich Sache der Bürger. Aber dazu braucht er hinreichende Informationen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Es ist nicht an uns zu entscheiden, welche Nebentätigkeiten okay sind und welche nicht. Es ist an uns, die mögliche große Bandbreite der Informationen zur Verfügung zu stellen.

Das Problem ist, dass wir heute immer mehr Pflichtangaben auf einer Tiefkühl-LasagnePackung haben, aber nicht in unserem Abgeordnetenhandbuch.

(Ministerin Anke Spoorendonk)

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Ich habe schon einmal eine gegessen; die war gar nicht schlecht.

Ist die Entscheidung über den Kauf einer Tiefkühllasagne wirklich wichtiger als die Entscheidung, welche Person mich im Parlament vertritt? Ich denke nicht. Hohe Ämter mit großer Macht erfordern auch die meiste Information. Das ist hier nicht gewährleistet. Freiwillige Informationen genügen dabei ebenso wenig wie offenbar freiwillige Angaben auf Lebensmittel. Bei diesen kann der Verbraucher übrigens entscheiden, ob er ein Produkt kauft oder ein anderes nimmt, auf dem diese Angaben enthalten sind. Bei den Parteilisten vermisse ich immer noch diese Angaben. Außer Nichtwählen bleibt derzeit keine Alternative.

(Unruhe)

Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen, was wir eigentlich von Ihnen wissen wollen. Das ist gar nicht so schlimm.

Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Abgeordnete Uli König von der Piratenfraktion. Ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner am Rednerpult. Sie haben sicherlich ausreichend Gelegenheit, anschließend noch Ihre Bemerkungen zu machen.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Der Herr König redet jetzt noch 1 Minute und 20 Sekunden.

Was wollen wir eigentlich von Ihnen wissen? Was macht der Abgeordnete nebenbei? Führt er einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb weiter, oder berät er Firmen, die sich für eine Glücksspiellizenz in Schleswig-Holstein bewerben wollen? Wie viel Zeit wendet der Abgeordnete für seinen Nebenjob auf? Sind es wenige Stunden im Monat, oder ist es ein Vollzeitjob? Gibt es da einen Interessenkonflikt bei Abstimmungen? Ist der Abgeordnete neutral und stimmt im Sinne des Bürgers ab, oder beeinflusst ihn einer seiner geschäftlichen Kontakte?

Es wird bei unserem Antrag sichergestellt, dass gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte und Verschwiegenheitspflichten nicht tangiert werden. Betroffene müssen aber Branchen nennen, in denen ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmten.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Petra Nicolaisen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach einer Offenlegung der Nebeneinkünfte euro- und centgenau folgt einer wiederkehrenden Argumentationskette und impliziert einen unterschwelligen Vorwurf. Der vom Volk gewählte Abgeordnete muss nachweisen, dass er sein Mandat nicht interessengesteuert oder fremdbestimmt, sondern frei ausübt. Der vom Volk gewählte Abgeordnete muss nachweisen, dass er seine Arbeitskraft auch wirklich dem Mandat widmet und diese nicht lediglich als zusätzliche Einnahmequelle nutzt.

(Beifall PIRATEN)

Der Abgeordnete muss also seine „Unschuld“ beweisen, eine in unserem Staat ungewöhnliche Verteilung der Beweislast,

(Beifall Lars Harms [SSW])

die - besonders dies empfinde ich an der Argumentation als bedenklich - dem Bürger suggeriert: Abgeordneten muss man misstrauen.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Dies kann nicht zielführend sein.

Meine Damen und Herren, ich leugne nicht, dass Bürger ein Informationsbedürfnis im Hinblick auf ihre Volksvertreter haben. Natürlich ist es erforderlich, dass der Bürger die Möglichkeit hat, das politische Wirken von Abgeordneten nachzuvollziehen, um zu einer am Ende vielleicht wahlrelevanten Meinung zu kommen. Ob allerdings die im vorliegenden Antrag aufgestellte Forderung quasi nach absoluter Durchsichtigkeit diesem Bestreben nutzt, das wage ich zu bezweifeln.

Das Abgeordnetenmandat stellt aufgrund seiner Funktion ein besonders ausgestaltetes Konstrukt dar. Der Abgeordnete ist frei, auch in der Entscheidung, wie er sein Mandat ausübt. Ich gehe davon aus, dass alle hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen mit dieser Freiheit verantwortungsvoll umgehen und sich bewusst sind, dass die ihnen

(Uli König)

übertragene Aufgabe einen besonderen Einsatz fordert.

Der Umfang der nach dem Entwurf zu veröffentlichenden Informationen geht aus meiner Sicht deutlich über das hinaus, was aus Sicht des Bürgers zur Meinungsbildung erforderlich ist. Man mag im Einzelfall darüber streiten können, welche veröffentlichten Informationen der Transparenz dienen. Der komplett gläserne Abgeordnete darf jedoch nicht das Ziel sein.

(Beifall CDU)

Denn dies führt dazu, dass die Bewertungskriterien verschoben werden. Es besteht das große Risiko, dass nicht mehr die politische Arbeit des Abgeordneten zur Entscheidungsgrundlage wird, sondern die Bewertung sonstiger Parameter. Der Eindruck, den diese Debatte, wie sie teilweise geführt wird, vermittelt, ist der, dass ein Abgeordneter umso besser sei, je weniger er neben dem Mandat tue und je weniger er neben dem Mandat an Einkünften erziele. Dieser Eindruck verzerrt jedoch die Realität.

Nach den bestehenden Regeln werden in Form einer Vorlage solche Informationen veröffentlicht, aus denen sich dem Grunde nach eine Mandatsrelevanz ergeben könnte. Im Einzelfall mag man diskutieren, ob an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden könnte. Was jedoch hier gefordert wird, ist mit dem Informationsinteresse der Bevölkerung nicht mehr zu rechtfertigen.

So vermag ich beispielsweise nicht zu erkennen, welche Mandatsrelevanz die Höhe von Kapitaleinkünften haben soll.

(Zuruf: Beteiligungen!)

Meine Damen und Herren, die Herstellung von Transparenz ist ein richtiges Anliegen. Eine nahezu komplette Offenlegung der finanziellen Verhältnisse kann jedoch nicht geboten sein. Abgewogenheit muss auch in einer solchen Diskussion das Gebot sein. Ich betone es an dieser Stelle noch einmal. Die Veröffentlichung von Informationen ist kein Selbstzweck.

Ich warne ausdrücklich davor, durch die Art und Weise, wie diese Diskussion immer wieder geführt wird, den Eindruck zu erwecken, als müssten zunächst alle Abgeordneten unter einen pauschalen Verdacht gestellt werden; denn gerade das beschädigt das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Abgeordneten. Dieses sensible Thema eignet sich nicht für den Wahlkampf. Daran sollten alle Abgeordneten des Parlaments Interesse haben.

Es bietet sich an, dass sich eine Arbeitsgruppe mit diesem sensiblen Thema beschäftigt und sich dann, wenn wir hoffentlich zu einem interfraktionellen Antrag gekommen sind, der Innen- und Rechtsausschuss weiter damit beschäftigt. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Peter Eichstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs möchte ich die von Herrn König gestellte Frage beantworten. Sie fragten, ob wir Sie verstehen. Ich habe Sie nicht verstanden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Weder akustisch noch sonst!)

Der Antrag selbst und der damit verbundene Vorschlag ließen das aber schon erahnen.

Viele, die schon länger dabei sind, wissen, pünktlich im März, im Normalfall alle zwei Jahre, reden wir in diesem Hause über die Änderung des Abgeordnetengesetzes mit dem Ziel, mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten und Einkünften von Abgeordneten zu schaffen. Das ist ein ernst zu nehmendes Thema. Bisher ist uns das kaum gelungen. Verschiedene Regierungskonstellationen haben verhindert, dass durchaus ähnliche Vorstellungen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW die Mehrheit erlangen konnten. Stets waren es bis dahin CDU und FDP, die als Bedenkenträger auftraten. So war das im Jahr 2008, ebenso am 18. März 2010, am 21. März 2012 und nun - man könnte fast denken, es hätte sich jemand einen Knoten ins Taschentuch gemacht - am 20. März 2013. Nicht nur wegen der neuen Mehrheit, sondern auch wegen gewachsener Einsicht in die Notwendigkeit wird es dieses Mal hoffentlich ein Ergebnis geben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass dieses Ergebnis allerdings auf der Basis des Vorschlags der PIRATEN erzielt wird, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Das ist doch wohl eher ein Operettenantrag: Großer Auftritt, bunte Kostüme, alles auf die Bühne, was geht - mit Ausnahme des Wohnorts und des Geburtsdatums des „Piratenführers“.