Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine Transparenzregelung schaffen wollen, die sich an der Regelung im Bundestag orientiert. Diese Regelung auf Bundesebene, durch die in Stufen die Nebeneinkünfte der Abgeordneten komplett aufgeführt sind, scheint ein guter Kompromiss zu sein. Aber auch hier wird natürlich nicht jede mögliche Abhängigkeit abgebildet. So kann man zum Beispiel zu Recht fragen, ob nicht auch Schuldner in einer gewissen Abhängigkeit stehen. Ist derjenige, der einen 250.000-€-Hauskredit bei einer Privatbank hat, möglicherweise abhängiger als derjenige, der bei der gleichen Bank Kapital in gleicher Höhe hat? - Wir werden wohl nie eine Antwort auf diese Frage erhalten,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

weil ich glaube, Abhängigkeit macht sich auch immer an der einzelnen Person fest und daran, ob man sich abhängig machen lässt oder nicht. Deshalb sind Ergebnisse solcher Transparenzregelungen

(Lars Harms)

auch immer nur sehr begrenzt aussagefähig. Auch das sollte man hier ganz klar sagen. Vor diesem Hintergrund bin ich wirklich sehr zurückhaltend das ist noch nett formuliert -, was den Gesetzentwurf angeht.

Im Übrigen glaube ich auch, dass die Regelung, die die zeitliche Beanspruchung bei Tätigkeiten neben dem Mandat offenlegen soll, nun völlig weltfremd ist. Mit dieser Regelung wird unterstellt, dass Abgeordnete, die entgeltlichen oder unentgeltlichen Tätigkeiten nachgehen, ihren Abgeordnetenpflichten nicht ordentlich nachkommen. Meine Erfahrungen hier im Hohen Hause, aber auch gerade in der Kommunalpolitik, sind völlig andere. Ehrenamtlich Tätige und auch Menschen, die weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, sind nicht zwingend weniger gute Abgeordnete. Das Misstrauen, das aus dieser Bestimmung hervorgeht, ist genauso ungerechtfertigt wie das Misstrauen der PIRATEN gegenüber Abgeordneten im Allgemeinen.

Bei allem, was wir an Transparenzregelungen hinsichtlich des Einkommens und der Tätigkeit von Abgeordneten schaffen wollen, müssen wir immer auch im Auge haben, dass die Abgeordneten auch nach ihrer Abgeordnetentätigkeit Menschen wie du und ich sind. Geht es aber nach den PIRATEN, haben wir dann in Bezug auf Abgeordnete und ehemalige Abgeordnete den gläsernsten Menschen, den man sich überhaupt denken kann, und das, während manch ein PIRAT nicht einmal seine Adresse nennen will - da könnte möglicherweise ein Wähler kommen und nachfragen, was er hier so treibt - und Auskünfte über so etwas Triviales wie sein Geburtsdatum gegenüber dem Bürger dann auch noch verweigert.

Wir sollten in dieser Frage genau auf die Verhältnismäßigkeit achten. Unser Bestreben als SSW ist es, wenn man neue Regelungen hierzu schafft, eine möglichst breite Mehrheit in diesem Hause zu schaffen. Deswegen finde ich auch das, was die Kollegin Bohn gerade gesagt hat, dass wir gemeinsam etwas auf den Weg bringen wollen, wirklich das Klügste.

(Beifall Johannes Callsen [CDU])

Dass wir einen schönen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition finden, ist das Zielführendste, was wir in diesem Hohen Haus machen können.

Dieser Antrag von den PIRATEN ist es jedenfalls nicht. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP - Rainer Wiegard [CDU]: Mensch Lars, du kannst ja richtig gu- te Reden halten! Warum verschleierst du das sonst immer? - Hans-Jörn Arp [CDU]: Mit der Rede kannst du sogar bei uns Mitglied werden! - Heiterkeit - Weitere Zurufe)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr interessant, was sich hier für eine Große Koalition bildet, wenn es darum geht, Transparenz in eigener Sache zu verhindern.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das sagt der Richtige!)

Auch dass die CDU, die gleichzeitig im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung wissen möchte, mit wem wir tagtäglich telefonieren und EMails schreiben, hier gegen Generalverdacht antritt, finde ich hochinteressant. Frau Nicolaisen, leider ist es so, dass beileibe nicht alle Abgeordneten in Parlamenten verantwortungsvoll mit ihrem Mandat umgehen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das entscheiden Sie doch nicht! - Weitere Zurufe)

Wir haben eine Reihe von Missbräuchen im Zusammenhang mit Interessenkonflikten feststellen müssen.

Wir haben zum Beispiel Abgeordnete, die gleichzeitig Lobbyisten oder gar Geschäftsführer von Industrieverbänden während ihrer aktiven Tätigkeit sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo denn? - Hans-Jörn Arp [CDU]: Wer ist das denn?)

Wir haben Abgeordnete im Bundestag, die bei Banken bezahlte Reden halten, während sie für eine Bankenregulierung öffentlichkeitswirksam eintreten. Wir haben Abgeordnete, die innenpolitisch tätig sind, selbst aber an Biometriefirmen beteiligt sind. So viel zu der Frage, was Kapitaleinkünfte damit zu tun haben.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

(Lars Harms)

Herr Kollege Kubicki, Sie sind jetzt nicht dran, sondern ich frage den Abgeordneten Dr. Breyer, ob er eine Zwischenbemerkung beziehungsweise -frage des Kollegen Harms gestattet.

Das mache ich.

Dann hat jetzt Herr Harms das Wort, und nur Herr Harms.

Herr Kollege Breyer, wären Sie so nett, mir mitzuteilen, welche Abgeordnete in diesem Hohen Hause in irgendwelchen Abhängigkeiten in Bezug auf Unternehmen oder Organisationen außerhalb stecken, die Einfluss nehmen auf die Entscheidungen, die diese Abgeordnete in diesem Hohen Haus treffen?

(Beifall SSW, CDU und FDP)

Sie dürfen die Namen gern einzeln nennen und sonst möglicherweise bis morgen schriftlich nachreichen. Das würde mir auch reichen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Verehrter Herr Kollege Harms, wären Sie bitte bereit, mir mitzuteilen, wie ich Ihnen diese Angaben machen soll, wenn Sie sich gerade gegen deren Offenlegung wehren?

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Dann können Sie es doch nicht unterstellen! - Weitere Zurufe)

Herr Breyer, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Harms?

Anders als der Kollege tue ich auch das.

Ich habe mich nur gemeldet, weil Sie mir eine Frage gestellt haben; die will ich Ihnen auch gern beantworten. Ich möchte das nämlich von Ihnen wissen, weil Sie uns allen pauschal unterstellt haben, dass wir hier abhängig sind und Ent

scheidungen zugunsten von Unternehmen und nicht zugunsten des Landes treffen.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Wenn Sie diese Behauptung aufstellen, sind Sie in der Pflicht, auch zu beweisen, dass ein Abgeordneter dieses wirklich getan hat. Ansonsten bitte ich Sie, diese Vorwürfe auch zurückzunehmen.

(Volker Dornquast [CDU]: Genau so!)

- Das, Kollege Harms, bitte ich Sie, den Bürgerinnen und Bürgern zu versuchen zu erklären. Laut Meinungsumfragen ist es nämlich so, dass 76 % der Bürgerinnen und Bürger eine genaue Angabe fordern, von wem Abgeordnete in welcher Höhe Nebeneinkünfte bekommen. Immerhin 20 % sind für eine stufenweise Regelung. Für die Regelung, die bei uns im Moment gilt, nämlich überhaupt keine Transparenz, liegt die Unterstützung bei 0 %. Deswegen ist es auch ein Armutszeugnis, dass Sie in Ihrem Koalitionsvertrag beziehungsweise im Anhang dazu fordern - ich trage das noch einmal sinngemäß vor, weil das schon längst wieder vergessen wurde -, das Modell Bundestag zu übernehmen, ergänzt um die Pflicht zur genauen Ausweisung der Nebeneinkünfte.

Dass Sie das letztes Jahr in den Koalitionsvertrag geschrieben und bis heute nicht einmal einen Entwurf auf den Weg gebracht haben, ist ein komplettes Armutszeugnis.

Herr Kollege, gestatten Sie, Frau Breyer -

(Heiterkeit)

Mein Geschlecht habe ich angegeben.

Ich hatte den Eindruck, dass die Kollegin Dr. Bohn eine Bemerkung machen wollte, dann aber davon abließ und jetzt doch wieder der Meinung ist, sie möchte etwas sagen. Deshalb frage ich Sie, Herr Kollege Dr. Breyer, ob Sie die Bemerkung von Frau Dr. Bohn zulassen.

Lieber Kollege Breyer, haben Sie gehört und verstanden, dass verschiedene Rednerinnen und Redner von verschiedenen Fraktionen Ihnen gerade versucht haben zu erklären, dass genau das das Ziel ist, genauso wie es im Koalitionsvertrag drinsteht, dass es aber logischerweise Sinn macht, sich die Beratungen auf Bundesebene anzugucken und darauf aufbauend weitere Schritte einzuleiten, genauso wie es in unserem Koalitionsvertrag drinsteht? Können Sie das in irgendeiner Form nachvollziehen?

- Liebe Frau Kollegin, im Koalitionsvertrag steht kein Wort davon, dass Beratungen auf Bundesebene abgewartet werden sollen. Ich habe eben der Debatte umgekehrt entnehmen müssen, dass innerhalb Ihrer Koalition massiv gegen jegliche Veröffentlichungen argumentiert wird, was nichts mehr mit dem zu tun hat, was im Koalitionsvertrag oder im Anhang dazu angekündigt worden ist. Insofern kann ich das nicht bestätigen.

(Zurufe)

Was die Wohnanschrift oder gar der Geburtstag von Abgeordneten mit irgendeiner Transparenz von Interessenverflechtungen zu tun haben soll, bleibt Ihr Geheimnis.

(Zurufe)