Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Deshalb sagen wir Ihnen auch: Mit diesem Gesetz verpflichten wir uns. Wir sind in einer Vorbildfunktion. Wir sagen: Wer vom Land künftig Zuschüsse erhalten möchte, der muss sich verpflichten, faire Löhne zu zahlen. Das ist eine ziemlich klare Botschaft. Wer Landesgeld haben will, muss faire Löhne zahlen. Das ist eine klare Botschaft. Das gilt auch für die Arbeiterwohlfahrt, für die Diakonie und für andere Wohlfahrtsverbände, die über das Tariftreuegesetz nicht erreicht werden. Insofern schließen wir in Schleswig-Holstein auch die Gerechtigkeitslücken vollständig. Das ist unsere Politik. Wir wollen eine lückenlose gerechte und faire Arbeitsmarktpolitik für Schleswig-Holstein. Deshalb ist dieses Gesetz ein weiterer Baustein unserer Gesamtpolitik, auf die wir uns vereinbart haben.

Die Wahrheit ist - diese wollen Sie nicht hören -: Sie wollen keinen gesetzlichen Mindestlohn. Sie drücken sich darum herum. Deshalb ist Rot-Grün und hier in Schleswig-Holstein Rot-Grün-Blau Garant für eine gerechte Arbeitsmarktpolitik.

Ich möchte mit Süffisanz eine Stelle aus dem Armuts- und Reichtumsbericht zitieren, die auch gestrichen worden ist. Herr Rösler hat diese Passage herausgenommen.

(Christopher Vogt [FDP]: Schreiben Sie Ihre Berichte in der Landespolitik nie um?)

Ich finde, diese Streichung zeigt, wes Geistes Kind Ihre Politik auf Bundesebene ist.

Herr Rösler hat die Passage gestrichen, in der es heißt: Die Einkommensspreizung hat zugenommen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie hat eben nicht zugenommen!)

Außerdem hat er den Passus gestrichen: Eine solche Einkommensentwicklung verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung und kann den gesellschaftlichen Zusammenhang gefährden.

Auch diese Passage hat er herausgestrichen. Damit ignoriert er sogar noch die Folgen seiner ungerechten kalten sozialen Politik für die Bevölkerung. Das will er sich nicht schwarz auf weiß von unabhängigen Wissenschaftlern belegen lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wie bescheuert ist eine solche Politik? Wie bescheuert muss man sein, dass man der Bevölkerung einen solchen Satz vorenthalten will? Das ist kollektive Wahrnehmungsverweigerung nach dem Motto: Augen zu und durch!

Das Schönste war, dass Ihr Generalsekretär Döring das in einer Talkshow mit den Lohnerhöhungen der vergangenen Jahre begründet hat. Bezieher mittlerer und unterer Einkommen haben in den vergangenen zehn Jahren aber keine Lohnerhöhung erfahren. Also auch an dieser Stelle hat Herr Döring völlig versagt.

Lassen Sie mich noch etwas zum morgigen Equal Pay Day sagen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf gerechtere Löhne und gleichen Lohn für gleiche Arbeit erreichen. Frauen müssen in Deutschland bis zum 26. März dieses Jahres arbeiten, um das zu verdienen, was ein Mann im Vorjahr verdient hat. Es wäre gerecht, wenn alle bis zum 31. Dezember eines Jahres den gleichen Lohn bekämen.

Schleswig-Holstein soll zum Bundesland der sozialen Gerechtigkeit werden. Das gilt insbesondere am Equal Pay Day. Diese Regierung wird dafür sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Beitrag hat eher an die bereits abgeschlossene Karnevalssaison erinnert als an einen ernsthaften Beitrag zu den Themen, die auf der Tagesordnung stehen.

(Beifall FDP)

Lieber Kollege Tietze, richtig originell fand ich den Schluss Ihrer Rede: Der Kollege Rösler lies noch

(Dr. Andreas Tietze)

folgenden Satz streichen. - Wenn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung feststellt, dass die Einkommensspreizung im vergangenen Jahr zurückgegangen ist, dann kann man vielleicht die Kabinettskollegin darauf hinweisen, dass das, was in den Bericht hineinformuliert wurde, aktuell nicht mehr zutrifft. Dann ist das kein Skandal, sondern das hat - wie Sie zu Recht feststellen - etwas mit Fakten zu tun, die man auch einmal zur Kenntnis nehmen kann, auch wenn Ihnen diese Fakten nicht passen, Herr Kollege Tietze.

(Beifall FDP)

Richtig schön fand ich Ihr flammendes Plädoyer dafür, Tarifabschlüsse zu achten. Deshalb haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf den Mindestlohn von 8,88 € auf 9,09 € erhöht. Sie haben also, wie Sie selbst gesagt haben, den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst eingepreist. Sie tun das in allen Bereichen, nur nicht in den Bereichen, in denen Sie unmittelbar Arbeitgeber sind und Verantwortung tragen, nämlich bei den Beamtinnen und Beamten. Deshalb ist das scheinheilig, was Sie hier in den vergangenen zehn Minuten vorgeführt haben. Das ist schlicht scheinheilig, Herr Kollege Tietze.

(Beifall FDP und CDU)

Weil das so scheinheilig ist, lasse ich an dieser Stelle ausnahmsweise keine Zwischenfrage zu.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feigling!)

Herr Abgeordneter Dr. Tietze, ich erteile Ihnen eine Rüge für das Wort „Feigling“.

(Christopher Vogt [FDP]: Rügen sollte man seine Rede!)

Herr Kollege Tietze, Sie müssten mich eigentlich besser kennen. Wenn Sie aber in Zukunft mit solchen Bemerkungen die politische Auseinandersetzung führen wollen, dann ist das auch in Ordnung.

Lieber Kollege Stegner, Sie haben an meine Vernunft und an meine soziale Verantwortung appelliert. Sie wissen sicherlich, dass in der vergangenen Legislaturperiode die Tarifkommission Hamburg und Schleswig-Holstein für zwei Branchen Mindestlöhne vereinbart hat, nämlich für das Bäckereihandwerk und für das Friseurhandwerk. Sie wissen auch - das mag Sie am Anfang vielleicht überrascht haben -, dass diese Mindestlöhne, die von der Tarif

kommission vereinbart wurden, für Hamburg und Schleswig-Holstein für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Das habe ich übrigens damals aus voller Überzeugung getan. Das heißt, wir haben in Hamburg und Schleswig-Holstein in diesen beiden Branchen Mindestlöhne, und zwar in allen Bereichen dieser beiden Branchen.

Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kann man politisch so verkaufen, wie Sie das tun. Ich glaube jedoch, dass es sich lohnt, noch einmal darüber nachzudenken, wie man das zu Recht beschriebene Problem lösen kann. An dieser Stelle sind wir gar nicht weit auseinander, auch wenn man sich das vielleicht zur Profilierung wünschen würde. Es gibt einen Punkt, bei dem wir überhaupt nicht auseinander sind. Unternehmen dürfen es sich nämlich nicht zum Geschäftsmodell machen, niedrigste Löhne zu zahlen im Vertrauen darauf, dass durch die Aufstockung der Steuerzahler auf ewig so blöd sein wird, diese Niedrigstlöhne weiterhin zu subventionieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hat in der Tat nicht das Geringste mit Marktwirtschaft zu tun, im Übrigen auch nicht mit Wettbewerbsfähigkeit.

(Beifall FDP)

Damit macht man nämlich genau die mittelständischen Betriebe, genau die Handwerksbetriebe kaputt, die anständige Löhne zahlen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine soziale Verantwortung entgegenbringen.

Die Frage ist nur, wie man das abstellt. Den Streit darüber, ob ein allgemeiner flächendeckender Mindestlohn wirklich das richtige Rezept ist, trage ich gern mit Ihnen aus. Ich bezweifle nach wie vor, dass das das richtige Instrument ist, um diesem Problem beizukommen. Ich glaube nicht, dass dem Spargelstecher in der Uckermark oder dem Wachmann in München mit einem einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn geholfen ist. Möglicherweise erreichen Sie damit einen. Möglicherweise gefährden Sie aber beide.

Sie wissen ganz genau, dass es Kaufkraftunterschiede zwischen Nord und Süd gibt. Sie wissen ganz genau, dass es Branchen gibt, die -

Herr Abgeordneter Dr. Garg, Sie sind zwar gerade dabei, einen Gedanken zu fassen, aber vielleicht können Sie Herrn Dr. Stegner erlauben, eine Bemerkung zu machen. Das baut Brücken. Vielleicht hilft das. Lassen Sie eine Frage zu?

(Dr. Heiner Garg)

Herr Präsident, erstens stelle ich fest, dass auch Sie relativ lange gebraucht haben, um die Frage zu formulieren. Zweitens: Wenn der Kollege Stegner bereit ist, jenseits der bisherigen Art und Weise die Debatte mit einer Frage zu beleben, dann lasse ich eine Frage jederzeit gerne zu.

Bitte schön, Herr Dr. Stegner. Sie haben das Wort.

Lieber Herr Kollege Dr. Garg, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, Firmen dürften keine Wettbewerbsvorteile haben und kein Geschäftsmodell daraus machen, dass sie mit Dumpinglöhnen und der Erwartung arbeiten, dass der Staat über Steuermittel diese Dumpinglöhne aufstockt.

Können Sie mir darin folgen, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn zwar nicht die Preisunterschiede in Deutschland beseitigt, dass aber ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € als absolute Untergrenze dafür sorgen würde, dass solche Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren, weil dann nämlich in der gesamten Branche mindestens dieser Lohn gezahlt werden müsste, und dass dadurch das verhindert werden könnte, was wir vorhin gemeinsam beklagt haben? Wenn Sie dem zustimmen könnten, dann sind wir schon fast auf dem Weg dahin, dass Sie unseren Vorschlägen folgen können.

Netter Versuch. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn die Tarifautonomie aushöhlt. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum Gewerkschaften relativ lange gebraucht haben, auf dieses Instrument aufzuspringen.

Ich glaube, dass verbindliche Lohnuntergrenzen, die von einer Lohnfindungskommission gefunden und für allgemeinverbindlich erklärt werden, das Problem, das Sie beschrieben haben, wesentlich besser bekämpfen, weil wir dadurch langfristig die Tarifautonomie stärken. Es sollte unser aller Interesse sein, die Tarifautonomie zu stärken, indem wir überall dort, wo sich Arbeitgeberverbände nicht mehr in der Tarifgemeinschaft befinden, wo Arbeitnehmerinteressen nicht mehr ordentlich wahrge

nommen werden können, sagen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätisch in einer Lohnfindungskommission vertreten sein sollen, um gemeinsam eine verbindliche Lohnuntergrenze zu finden, die dann von der Politik für allgemeinverbindlich erklärt wird. Damit wird dem Umstand, den wir alle beklagen, besser Abhilfe geschaffen als durch eine Lohnfindung durch Landesparlamente oder durch den Deutschen Bundestag.

(Beifall FDP und CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, William Shakespeare prägte das folgende Zitat:

„Der ist ein guter Prediger, der seine eigenen Ermahnungen befolgt; - ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzigen zu sein...“

In § 2 Abs. 1 Ihres Mindestlohngesetzes heißt es dann: Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes Schleswig-Holstein wird der in § 5 bestimmte Mindestlohn durch das tarifliche Arbeitsentgelt im öffentlichen Dienst gesichert.

Dazu fallen mir zwei Punkte ein: Erstens. Was eigentlich sonst? Sie sind schließlich Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder. Oder - das müssten die Koalitionsfraktionen dann erklären - planen Sie etwa, aus der Tarifgemeinschaft auszusteigen? Nur dann nämlich würde diese Formulierung Sinn machen.

Zweitens. Warum gilt das tarifliche Entgelt nur beim Mindestlohn? Frau Heinold, Ihr Zitat, das Sie manchen Professoren- und Lehrerhaushalt kennen, der die Tariferhöhung von 5,6 % nicht zwingend nötig habe, ist unerhört. Das haben wir heute Morgen bereits festgestellt. Nicht nur, dass Sie damit den Grundsatz außer Kraft setzen, dass gute Arbeit auch gut bezahlt werden muss, nein, Sie unterstellen damit, dass die alleinerziehende Lehrerin mit zwei Kindern und alle anderen Beamten im Land in Saus und Braus lebten. So weit wie Sie kann man aus meiner Sicht von der Realität gar nicht entfernt sein. Sie sollten sich für diesen Satz nicht nur öffentlich entschuldigen, sondern Sie sollten auch einmal erklären, wie das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in Einklang zu bringen ist, für den jedenfalls der Kollege Stegner so heftig geworben hat.