Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Beifall PIRATEN)

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.“ Dieser Satz von Herbert Wehner beschreibt, worum es heute geht: Es geht um Notwendigkeiten und um die politische Verantwortung, das Notwendige möglich zu machen. Diese Verantwortung betrifft nicht nur die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, nein, die haben auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, von der FDP und

den PIRATEN. Die Reden der Kollegen Callsen und Kubicki haben hiervon allerdings wenig spüren lassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es ist toll, dass Sie der Einzige sind, der Verantwortung übernimmt!)

Die SPD in Schleswig-Holstein hat bereits 1976 die Forderung nach einem Atomausstieg beschlossen, weil diese gefährliche Technologie nicht verantwortbar ist. Einer der Gründe für unsere Position war übrigens immer die ungeklärte Frage des Umgangs mit dem über Jahrtausende strahlenden Atommüll. Die SPD Schleswig-Holstein gehörte damit zu den ersten, die den Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft gefordert haben. Später folgten der SSW, die Grünen und deutlich später auch die Landes-FDP.

Wir wollen noch heute, dass die Atomkraftwerke so schnell wie möglich abgeschaltet werden, damit kein weiterer Atommüll produziert wird. Deshalb ist es nach wie vor wichtig, auch die Chance einer nochmaligen Laufzeitverkürzung und damit eine vorzeitige Abschaltung der noch laufenden Atomkraftwerke wie Brokdorf zu ergreifen.

(Vereinzelter Beifall SPD und PIRATEN)

- Es war die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer, die im Jahr 2000 die Weichen für den Atomausstieg in Deutschland gestellt hat, mit einem historischen Kompromiss zwischen der Politik und den Energieunternehmen. Diesen konsensualen Weg hat die Regierung Merkel im Jahr 2010 mit dem Beschluss über die Verlängerung der Restlaufzeiten ohne jede Not wieder verlassen.

(Beifall Lars Winter [SPD])

Es musste leider erst zu den katastrophalen Ereignissen von Fukushima kommen, um einen parteiübergreifenden Konsens in Deutschland zu ermöglichen und den Irrweg Atomenergie - diesmal hoffentlich endgültig - zu verlassen.

Mit ihrem Zickzackkurs hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den Ausstieg aus der Atompolitik immer wieder verzögert. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-Holstein hat sich über die Verlängerung der Restlaufzeiten gefreut.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir nicht!)

Ich zitiere den Minister der von Ihnen gebildeten Regierung, Herr Kollege. Minister Jost de Jager begrüßte diese am 10. September 2010 im Landtag. Ich zitiere mit Genehmigung aus dem Plenarprotokoll:

(Angelika Beer)

,,Sie“

- die Verlängerung der Laufzeiten

„schafft aus meiner Sicht Planungssicherheit für alle Beteiligten.“

(Lars Winter [SPD]: Hört, hört!)

Planungssicherheit also. Wenn es die bei dem Zickzackkurs denn jemals gegeben hat, dann wurde sie jedenfalls nicht genutzt. Oder warum haben wir keine Lösungsvorschläge gehört, was die Frage der Endlagerung des angefallenen Atommülls angeht?

(Vereinzelter Beifall SPD)

Eine Antwort auf diese Frage wurde doch mit der Laufzeitverlängerung noch dringender. Sie wurde aber nicht gegeben, ja sie wurde nicht einmal ernsthaft diskutiert. Die Antwort kann jetzt - sehr spät, aber vielleicht nicht zu spät - mit einem neuen Anlauf zu einem Endlagersuchgesetz endlich erfolgen.

Wir begrüßen die partei- und länderübergreifende Einigung auf ein ergebnisoffenes Endlagersuchverfahren. Auf der Basis strenger wissenschaftlicher Kriterien, transparent und demokratisch legitimiert kann nun nach dem sichersten Endlager gesucht werden. Es liegt in unser aller Verantwortung, gegenüber nachfolgenden Generationen sorgsam und möglichst zügig zugleich ein sicheres Endlager zu finden und in Betrieb zu nehmen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Bis dahin muss der produzierte Atommüll aber zwischengelagert werden. Ein weiterer Verzicht auf Gorleben gehört - das sage ich besonders den Fraktionsmitgliedern der FDP - zu den partei- und länderübergreifenden Vereinbarungen, die als Grundlage des weiteren Verfahrens dienen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist nur eine Protokollnotiz!)

Herr Kollege Callsen, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich an die Adresse von Frau Merkel gewandt. Mir war es neu, dass Frau Merkel rot-grüne Wahlversprechen umsetzt. Das ist eine ganz neue Erkenntnis. Wenn Sie das hier kritisieren, kritisieren Sie Frau Merkel und Herrn Altmaier und bitte nicht diese Landesregierung oder die in Niedersachsen, nur weil Sie dort abgewählt worden sind. Das muss man einmal klar festhalten.

(Beifall SPD)

Herr Kubicki, Sie haben die Kritik ja wiederholt. Die sollten Sie bitte an Herrn Rösler oder Herrn Brüderle - oder wer auch immer bei Ihnen im Augenblick das Sagen hat - oder Herrn Westerwelle oder wer das bei Ihnen gerade ist - richten. Ich verfolge das nicht immer, das wechselt so schnell.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Sie sollten sich an die, die bei Ihnen Verantwortung haben, wenden, denn die haben diesem Kompromiss zugestimmt. Ob das Ding nun Protokollnotiz heißt oder nicht, ist doch völlig schnurz, wir nehmen Ihre Vorsitzenden ernst, Herr Kollege Kubicki. Insofern verstehe ich Ihre Kritik nicht, die Sie an dieser Stelle äußern.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Mit größtem Vergnügen.

Bitte schön!

Herr Kollege Dr. Stegner, Ihnen ist sicherlich bewusst, dass die Frage der Zwischenlagerung im Endlagersuchgesetz weder geregelt noch gesetzgeberisch umgesetzt werden wird und dass die Protokollnotiz rechtlich überhaupt keine Relevanz für das weitere Verfahren hat. Das ist Ihnen offensichtlich bewusst.

Herr Kollege Kubicki, ich hatte gedacht, dass es politische Relevanz hat, was Ihre Vorsitzenden sagen. Vielleicht ist das ja nicht so. Ich nehme gern zur Kenntnis, es sei völlig irrelevant, was Herr Rösler, Herr Westerwelle und Herr Brüderle sagen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Erlauben Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki, Herr Abgeordneter?

(Dr. Ralf Stegner)

Es dient ja ständig der Erkenntnis dieses Hauses, also weiter!

Herr Kollege Dr. Stegner, würden Sie mir freundlicherweise die Frage beantworten: Werden bis zum Jahr 2015 außerhalb von Gorleben keine weiteren Zwischenlager - aus welchen Gründen auch immer - errichtet, keine Castoren von Sellafield nach Deutschland zurückgeführt, oder werden die dann in Gorleben eingelagert?

- Sehr geehrter Herr Kollege, wenn Sie das unermessliche Maß an Geduld aufbringen können, meine Rede anzuhören, werden Sie auf diese Frage eine Antwort bekommen. Ich nutze Ihre Frage aber noch zu dem zweiten Hinweis: Ich dachte, die Bundesregierung sei noch im Amt. Dass sie politisch eingeschlafen ist, kann man merken, aber dass Sie sagen, nur das, was rechtlich in Verträgen niedergelegt sei, habe in irgendeiner Weise Bewandtnis, erstaunt mich doch ein bisschen bei jemandem, der für die FDP für den Deutschen Bundestag kandidiert. Das mögen Sie halten, wie Sie wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir vertreten hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag natürlich nicht die Position Niedersachsens, aber eines ist doch klar: Unser Nachbar hat mit Gorleben lange Zeit Lasten für uns alle mittragen müssen. Das zu ignorieren, ist weder fair noch anständig. Das kann man doch hier zum Ausdruck bringen, auch wenn es keine Zustimmung an Stammtischen bringt, wenn man hier Wahlkampf macht. Es ist doch schlichtweg Fakt, und das kann man hier meiner Meinung nach auch sagen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wenn wir die Endlagerfrage endlich beantworten wollen, müssen wir zum einen auf Grundlage wissenschaftsbasierter Kriterien ergebnisoffen suchen und gleichzeitig Alternativen für Gorleben finden. Deutlich muss aber auch sein - das ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu Beginn der öffentlichen Debatte ein bisschen zu kurz gekommen -: Wir übernehmen diese Verantwortung nicht leichtgläubig, wir stellen keine Blankoschecks aus, sondern klare Bedingungen. Die Sicherheit muss oberste Priorität haben; hier gibt es nichts zu dealen, das sind harte Punkte, ohne die es schlicht nicht gehen kann.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist selbstver- ständlich!)

In so einer weitreichenden und mit hohen Risiken behafteten Frage können und werden wir keine Zugeständnisse machen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Toll!)

Wenn Castoren aus Sellafield beziehungsweise La Hague - das ist ja Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken - in Deutschland, auch in SchleswigHolstein zwischengelagert werden sollen, wollen wir das an fünf Bedingungen knüpfen:

Erstens. Es muss eine faire Lastenteilung zwischen den Ländern geben. Unter einer gemeinsamen Lösung verstehen wir nicht, dass SchleswigHolstein und Baden-Württemberg alle Castoren übernehmen. Es müssen am Ende schon mehr Länder sein. Hier steht auch Bundesumweltminister Altmaier in der Pflicht, dies sicherzustellen. Ich habe mit großer Freude wahrgenommen, dass er im NDR beziehungsweise bei dpa genau dies eben zum Ausdruck gebracht hat und sagt, es müsse mehr Länder geben, und er gehe davon aus, dass das auch geschehe. Da ist er offenbar schon ein bisschen weiter als Sie, die das nicht zur Kenntnis genommen haben.