Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Beifall PIRATEN)

Wir reden über die gefährlichste Substanz, die es überhaupt auf unserer Welt gibt. Wir halten es in diesem Punkt für vollkommen unangemessen, dass eine Landesregierung kurzerhand entscheidet, dass es jetzt entschieden werden muss.

(Beifall PIRATEN)

Wir haben Fragen, die noch nicht beantwortet sind. Herr Habeck, das können Sie vielleicht machen. Warum erklären Sie ohne Not in Berlin, dass Sie dem zustimmen? Wäre es nicht klüger gewesen, dem Bundesumweltminister zu signalisieren, dass sich Schleswig-Holstein einer ergebnisoffenen Zwischenlagersuche nicht verschließt, solange auch die anderen Länder mitmachen?

(Beifall PIRATEN)

Dann wäre der Name Brunsbüttel gar nicht gefallen, das hätte Druck auf die anderen ausgeübt, und wir hätten gesehen, wie die politische Debatte läuft.

(Zuruf PIRATEN: Warum?)

Ich will das Wort Verantwortung gern noch einmal detailliert betrachten. Vielleicht hätten wir die Regierungserklärung überzeugender gefunden, wenn der Titel anders gewesen wäre: „SchleswigHolsteins Beitrag zum Atomausstieg - in Verantwortung mit den Menschen und dem Land“ - und nicht „vor“.

(Beifall PIRATEN)

Verantwortung zu übernehmen in einer Frage, die so wichtig ist, hätte aus unserer Sicht bedeutet, dass sich der Umweltminister nach dem Treffen in Berlin differenziert positioniert hätte, dass er die erste Sitzung des Umweltausschusses nach der Osterpause von sich aus zum Anlass genommen hätte, im Ausschuss vorzutragen. Das hat er erst auf Antrag meiner Fraktion getan, und zwar durchaus unzureichend. Vorher gab es die Pressegespräche, und dann gab es die Tischvorlage für den Ausschuss, den Antwortbrief von Herrn Altmaier. Verantwortung zu übernehmen in einer so schwierigen Situation, hätte für uns auch bedeutet, nachdem wir einen umfangreichen Fragenkatalog als Kleine An

frage eingereicht haben, dass vielleicht nicht Herr Stegner, der nicht der Atom- oder Energiewendeexperte in dem Bereich ist,

(Zuruf CDU: Der ist für alles Experte!)

sondern dass vielleicht der Energiewendeminister gesagt hätte: Hallo, da gibt es berechtigte Fragen, ich gehe zu der Fraktion und versuche, die Fragen zu beantworten.

Wenn es wirklich moralisch so schwierig war, gestern auf dem grünen Sonderparteitag eine solche Debatte zu beschließen, warum ist dann das Entgegenkommen in der Sache nicht dagewesen? Es sind unsere Fragen, es sind die Fragen der Bürger, und die Landesregierung hat bis heute keine Antworten gegeben. Wir werden diese Fragen so weiter stellen.

(Beifall PIRATEN, FDP und vereinzelt CDU)

Ich möchte auch noch etwas zur Ehrlichkeit sagen. Um es kurz zu machen: Ehrlichkeit bedeutet zu sagen, dass wir heute noch nicht garantieren können, wie, wo, ob und wann zwischengelagert wird, dass wir noch nicht sagen können, wie, wo, wann und ob endgelagert wird. Das ist einfach so. 40 ist eine politische Zahl, ein Kompromiss. 2015, das ist Fakt. Aber wir können nicht einmal sagen, ob wir es wirklich bis dahin schaffen - egal ob hier bei uns oder bei anderen -, eine solche Zwischenlagerung so vorzunehmen, dass die Sorge der Bevölkerung, egal in welchem Bundesland, auch wirklich berücksichtigt wird.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt FDP)

Auch Herr Altmaier kann doch nicht sagen, ob das heute letztlich in Berlin ein Kuhhandel ist, und er kann uns heute noch nicht sagen - dazu hätte ich gern von Ihnen etwas gehört -, worum es geht, wenn er sich heute mit den Betreibern der Kernkraftwerke trifft, mit Vattenfall und Co. Was ist denn das Ziel der Diskussion? Vattenfall und die anderen endlich in Verantwortung zu nehmen und zu erwirken, dass eine Garantie für die Kosten der Zwischen- und Endlagerung übernommen wird? Zu garantieren, dass Brokdorf früher abgeschaltet wird und herauszuholen, dass wir noch einmal über die Endlaufzeiten insgesamt reden? Ist das das Thema? Oder müssen wir befürchten, dass etwas anderes dabei herauskommt, zum Beispiel eine Verlängerung - das ist die Sorge auch bei uns in Schleswig-Holstein - der Restlaufzeiten, zum Beispiel für Brokdorf, wenn man sich auf Brunsbüttel als Zwischenlager einlässt.

(Angelika Beer)

Verantwortung heißt für uns auch, dass wir uns dieser Diskussion stellen. Deswegen werden wir heute dem Koalitionsantrag nicht zustimmen.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Ich möchte einmal aus der „Süddeutschen Zeitung“ zitieren:

„Einstweilen finden sich die Unternehmen in einer bequemen Position wieder. Sie müssen einfach nichts tun.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nichts tun, so ist es!)

- Ja, Herr Kubicki, Sie und die CDU haben jahrelang bei diesem Unternehmen auf dem Schoß gesessen.

(Beifall PIRATEN - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das muss er mal erzählen!)

Warum nutzen Sie so eine Debatte nicht, um endlich einmal Forderungen zu stellen?

Dann sehen wir natürlich auch etwas, was ich merkwürdig finde und das nun wieder gar nicht zu der emotionalen Debatte gestern passt, die ich verstehe. Bei einigen verstehe ich sie wirklich, weil ich die Grünen noch so gut kenne und auch die Glaubwürdigkeit und die Angst, die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das sage ich vollkommen ohne Häme.

Frau Abgeordnete Beer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte diesen Satz gern zu Ende bringen.

Bitte schön.

Ich frage mich, warum Herr Trittin, der zukünftig in der rot-grünen Bundesregierung irgendein Ministeramt bekleiden will, auf einmal sagt - ich zitiere dpa in dem Vertrauen, dass es stimmt -:

„Der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin sieht das Gesetz zur Suche nach einem Atommüllendlager nicht gefährdet durch die offene Frage der Castor-Zwischenlagerung. ‚Ich gehe davon aus, dass das Gesetz durchkommen wird so wie geplant, am 5. Juli.’“

- Wer spricht denn da mit welcher Stimme?

Entschuldigung, Herr Kubicki.

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Beer, nur damit es nicht im Raum stehen bleibt: Würden Sie mir freundlicherweise erklären, bei wem ich oder Teile meiner Fraktion in den letzten Jahren auf dem Schoß gesessen haben, angesichts der Tatsache, dass wir uns selbst dann noch für die Beibehaltung des Atomkompromisses ausgesprochen haben, als bundesweit anderes beschlossen wurde? Und würden Sie mir freundlicherweise erklären, warum Sie oder sonst jemand hier im Saal glaubt, dass ein Betreiber einen Antrag stellen soll, den er nicht stellen muss, um dadurch mehr Kosten zulasten seines Unternehmens zu verantworten?

Herr Kubicki, die Kostenfrage ist Bestandteil der Kleinen Anfrage meiner Fraktion, weil sämtliche Fakten nicht genannt sind. Dazu kann ich Ihnen jetzt nichts sagen. Ansonsten gehe ich eigentlich schon davon aus, dass auch im Landtag Spitzenpolitiker, die für den Bundestag kandidieren, die Position der Bundespartei übernehmen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn ich mir das Hickhack zwischen Herrn Rösler auf der einen Seite und Herrn Altmaier auf der anderen Seite ansehe, dann denke ich, dass der Vorwurf, dass die Bundes-FDP sehr lange auf die Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke geschielt hat, zu Recht gemacht werden kann. Wenn Sie sich persönlich davon verletzt fühlen, tut mir das leid, aber das wäre dann mit Ihrer Bundespartei zu regeln.

(Beifall PIRATEN)

Jetzt habe ich Sie so kritisiert!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, gar nicht! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das war ein bisschen gaga eben! Ich habe gesagt, die PIRATEN haben den Antrag sehr klar abgelehnt. Wir haben alle Anträge ver- schickt und gefragt: Was haltet ihr davon? Es gab eine große Mehrheit dagegen. (Angelika Beer)

Aber eines muss ich an dieser Stelle auch sagen: Es ist ein Antrag, der ehrlich ist. Sie drücken sich vor der Verantwortung. Sie sagen: Gorleben ist es, egal was in Gorleben passiert. Das ist eine Position, mit der man umgehen kann. Wir werden sie ablehnen, weil das unserer Parteiüberzeugung nicht entspricht.

(Beifall PIRATEN)

Wir möchten auch darauf hinweisen, dass Positionen, die von der Landesregierung gefallen sind, nämlich vom Ministerpräsidenten auf der einen und vom Umweltminister auf der anderen Seite - im Antrag ist das so nicht formuliert -, ein Junktim zu stellen zwischen der Beschleunigung und Förderung der Energiewende in Schleswig-Holstein und der Frage der Zwischenlagerung von Atommüll in Schleswig-Holstein, für uns zwei vollkommen unterschiedliche Paar Schuhe sind. Da darf es auch nicht den Eindruck eines Deals geben.

(Beifall PIRATEN)

Das sind zwei getrennte Fragen. Sie haben aber eines gemeinsam: Auch die Energiewende, die wir unterstützen, so gut wir können, geht nur mit den Bürgern und nicht gegen die Bürger. Deswegen wollen wir in beiden Bereichen klare Mitspracherechte für unsere Bevölkerung.

(Beifall PIRATEN)

Wir denken, dass unser Antrag auf Transparenz und Volksentscheid - sei es mit einer modifizierten Einigung zu einem solchen Weg - in dieser Debatte weiter eine Rolle spielen wird. Ich beantrage für meine Fraktion Überweisung an die Ausschüsse. Ansonsten sind wir bereit, gegeneinander abzustimmen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)