Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

Herr Andresen, Sie sollten vielleicht erst einmal in einem Unternehmen tätig sein, um zu verstehen, was es bedeutet, zu investieren und damit Gewinne zu generieren, um zu überleben, bevor Sie sich hier zu wirtschaftlichen Fragestellungen äußern.

(Beifall FDP und CDU)

„Mobilität ist ein bedeutender Faktor …

(Unruhe)

- Herr Kollege Tietze, da Sie als Eminenz auch für die Kirchensynode sprechen: Die Kirche versteht auch etwas von Wirtschaft, allerdings nicht so, wie manche sich das bei der Kirche vorgestellt haben.

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

„Mobilität ist ein bedeutender Faktor für Wachstum und Beschäftigung. Sie sichert Bewegungsfreiheit für einzelne Personen und einen effizienten Güterverkehr und gewährleistet dadurch das arbeitsteilige Wirtschaften. … Die Logistik ermöglicht Wertschöpfungsprozesse und ist damit wesentliche Basis für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein.“

Was machen Sie, um diesen Anspruch zu verwirklichen? - Die einzige Kürzung in Ihrem Haushaltsentwurf 2013 haben Sie bei den Verkehrsinvestitionen getätigt. Den Landesverkehrswegeplan in Höhe von 7 Millionen € haben Sie ersatzlos gestrichen, zusätzlich haben Sie noch beim kommunalen Straßenbau 5 Millionen € abgezweigt und sie dem Radwegebau zugewiesen.

(Beifall FDP)

Stellen Sie sich so einen effizienten Güterverkehr vor: Schlaglöcher auf Landstraßen, aber zusätzliche Fahrspuren für Fahrräder?

(Zuruf Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Glauben Sie wirklich, dass wir Güter- und Pendlerströme über Radwege leiten können? - In welcher Welt leben Sie eigentlich?

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU - Zuru- fe)

- Ja, Herr Kollege Tietze, fahren Sie einmal nach Peking. Da gibt es relativ viele Fahrräder. Es gibt einen Song, in dem es heißt „Nine Million Bicycles in Beijing“. Trotzdem können Sie eine Wirtschaft nicht dadurch fördern, dass Sie versuchen, Güter auf Fahrrädern zu transportieren. Das müsste auch Ihnen klar sein.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] und Hans- Jörn Arp [CDU])

Herr Abgeordneter Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Selbstverständlich.

Werter Herr Kollege Kubicki, ist Ihnen bekannt, dass schon nach dem alten Haushaltsplan

(Wolfgang Kubicki)

Mittel in ungefähr derselben Größenordnung in den Radwegebau gesteckt worden sind, dass es sich also bloß um eine Umlabelung handelt, wenn man die jetzt ausdrücklich als Mittel für den Radwegebau bezeichnet?

(Martin Habersaat [SPD]: Jetzt schon! - Zu- ruf SPD: Nicht bekannt, oder?)

- Der Inhalt der Aussage ist unzutreffend. Aber darüber müssen wir hier jetzt nicht weiter reden. Herr Kollege Breyer, in der Frage war eine Behauptung enthalten, die falsch ist. Deshalb habe ich Nein gesagt.

Herr Ministerpräsident, Sie sind immer der Erste und der Lauteste, der sich auf Bundesebene darüber beschwert, dass der Bund unzureichend in seine Infrastruktur investiere. Haben Sie sich eigentlich schon einmal Ihre eigene Bilanz angeschaut? - Die eigenfinanzierten Investitionen haben Sie auf das Niveau von 1974 zurückgefahren, also von vor 40 Jahren. Der von Ihrer Landesregierung eingereichte und beschlossene Haushalt 2013 hat mit nur noch 7,9 % die niedrigste Investitionsquote aller Zeiten. Noch nie hat eine Landesregierung so wenig investiert wie Sie.

(Zuruf Tobias Koch [CDU])

- Moment, das kommt ja noch, Herr Kollege Koch. Immer ein bisschen warten - insofern hat der Ministerpräsident recht -, bis man mit seinem Gedankengang zu Ende ist, bevor man dazwischenruft. Das habe ich jedenfalls in der Schule gelernt: Man soll sich ein bisschen zurückhalten.

(Heiterkeit - Beifall Christopher Vogt [FDP])

Ihr Kanzlerkandidat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, Peer Steinbrück, hat Ende der 90er-Jahre hier im Landtag gesagt, dass sich ein Staat, der weniger als 10 % seiner Mittel investiere, an künftigen Generationen versündige und eigentlich seiner Aufgabe nicht gerecht werde.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Mit Ihrer Haushaltspolitik, Herr Albig, berauben Sie die künftigen Generationen ihrer Chancen. Nicht nur, dass Sie ihnen mit Ihrer Schuldenpolitik kaum mehr tragbare Altlasten in die Wiege legen, nein, Sie hinterlassen ihnen einen derart miserablen Zustand der Infrastruktur, dass diese Kinder nur noch die Wahl haben werden, sich entweder mit der schlechten Situation abzufinden oder woanders ihr Glück zu suchen.

Ich will einmal auf etwas hinweisen: Die Tatsache, dass eine Reederei erklärt, dass sie die Destination Kiel nicht mehr anlaufe, sondern jetzt RostockWarnemünde anlaufen werde, hat nicht nur etwas damit zu tun, dass Rostock ein bisschen näher an Berlin liegt, sondern dass die Zeit, die Sie von Kiel nach Berlin brauchen, ungefähr doppelt so lang ist wie die Zeit, die Sie von Rostock nach Berlin brauchen, obwohl die Distanz nicht doppelt so groß ist. Das dokumentiert eben, dass Sie die Verkehrsinfrastruktur ausbauen müssen, wenn Sie Wertschöpfung in Schleswig-Holstein generieren wollen.

(Beifall FDP und CDU)

Die Tatsache, dass 25 % unserer akademischen Jugend ihr Glück außerhalb Schleswig-Holsteins suchen muss, hat etwas damit zu tun, dass sie hier keine entsprechenden Arbeitsplätze vorfinden, das hat etwas damit zu tun, dass Sie die politischen Rahmendaten in Schleswig-Holstein nicht geschaffen haben, um entsprechende Arbeitsplätze zu generieren.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wenn Sie hier sagen, Sie freuten sich darauf, dass Amazon nach Neumünster komme, dann gehen Sie einmal nach Neumünster und fragen Sie Ihre dortigen Genossen: Die haben gerade plakatiert, dass sie das gerade nicht wollen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das ist die sozialdemokratische Politik der Wirtschaftsförderung Schleswig-Holstein.

Lieber Herr Kollege Koch, das scheint erst der Anfang der Politik zu sein. Mit dem Haushaltseckwertebeschluss zum Haushalt 2014 setzen Sie diese falsche Politik auch noch konsequent fort. Die bereits niedrigen Investitionen sollen im Vergleich zum bereits niedrigsten Niveau im Haushalt 2013 um sage und schreibe weitere 81 Millionen € gekürzt werden und damit die 7-%-Quote unterschreiten. Es gibt kein anderes Bundesland mit einer so niedrigen Investitionsquote im Haushalt. Ist das die Zukunftsfähigkeit, die Schleswig-Holstein auf einen Weg des Wachstums bringen soll? Glauben Sie das im Ernst, Herr Ministerpräsident? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

In Ihrer Haushaltsrede am 23. Januar 2013 sagten Sie einen sehr bemerkenswerten Satz, den ich Sozialdemokraten jetzt auch im Bundestagswahlkampf immer wieder gern vorhalten möchten, weil er im Kern zutreffend ist.

(Wolfgang Kubicki)

(Zuruf: Sind Sie im Bundestagswahlkampf?)

- Ja, ich bin im Bundestagswahlkampf, wie Sie auch. Oder machen Sie keinen Wahlkampf mehr, weil die Sozialdemokratie - von Glück beseelt glaubt, dass die Stimmen bei der Bundestagswahl wie Manna vom Himmel fallen werden, weil der liebe Gott ein Einsehen haben wird mit den Armen und Beladenen? - Das glauben Sie doch nicht im Ernst!

(Heiterkeit und Beifall FDP und CDU)

In Ihrer Haushaltsrede vom 23. Januar 2013 haben Sie Folgendes ausgeführt- das „Wir“ entscheidet -:

„Wir wissen, dass Steuermehreinnahmen im Kern nicht über Steuererhöhungen zu generieren sind. Im Kern geht es um Wachstum.“

Das kann man übrigens auch bei Peer Steinbrück in seiner Autobiografie „Unterm Strich“ nachlesen.

(Christopher Vogt [FDP]: Schon wieder Werbung!)

Wachstum braucht Rahmenbedingungen. Wachstum schafft sich weder von selbst, noch wird es durch die Landesplanung geschaffen. Der Gedanke, man könnte mit der Landesplanung Wachstum steuern, ist derart postsozialistisch, dass ich mich frage, bei wem Sie eigentlich Pressesprecher waren.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Beim Breitband haben Sie beschlossen, dass Sie die flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen im Land um zehn Jahre nach hinten verschieben. Nicht 2020, sondern erst 2030 soll eine flächendeckende Versorgung mit Glasfasernetzen entstehen. Eine Mehrzahl der Bewohnerinnen und Bewohner von vielen Dörfern wird bis dahin bedauerlicherweise entweder dort nicht mehr wohnen oder gestorben sein. Bis dahin müssen sich die Betroffenen im Zweifelsfall mit Schmalspurleitungen zufriedengeben. Wollen Sie so Ansiedlungspolitik in der Fläche betreiben? - Ich halte das für eher unwahrscheinlich.