Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

Das ist übrigens auch die zentrale Schwäche in Ihrem Antrag, Herr Callsen, in dem Sie zum Ausdruck bringen, dass im Grunde genommen alles so bleiben soll, wie es ist. Denn es geht ja auch um Stellen, um die wir uns am Ende des Tages dann auch streiten werden. Wenn es weniger Mittel gibt, wird es auch weniger Ressourcen für Personal geben. Dann werden auch Sie die Frage zu beantworten haben, wie Sie bei der Beibehaltung Ihrer Vorstellung der Regionalbeiräte die Finanzierung sicherstellen wollen. Dieses Problem müssen wir lösen. Ich möchte nur darauf hinweisen.

Es ist wichtig, dass die finanziellen Fragen geklärt werden - gar keine Frage. Deshalb hat mich Ihre Klassenkampfrhetorik am Ende Ihres Beitrags ein bisschen gewundert. Das war wirklich überflüssig, das hätten Sie sich sparen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich habe selber schon einmal in einem solchen Beirat mitgewirkt und darf darauf hinweisen, dass es oft nach dem Motto funktioniert: Stimmst du meinem Projekt zu, stimme ich deinem Projekt zu. Das ist ja nicht unbedingt zu kritisieren, aber die kommunalen Gebietskörperschaften haben vielfach auch - das darf ich einmal kritisch anfügen - eine gewisse Konsumhaltung gegenüber der EFRE-Förderung. Dass irgendjemand von oben das Geld schon wieder bereitstellen wird, wird künftig nicht mehr so kommen. Daher wird es gerade auch in

dieser Debatte darum gehen, welche qualitativen Ziele da zu erarbeiten sind. Das wird uns auch hier in der Diskussion beschäftigen. Daher werden wir dafür stimmen, Ihren Antrag in den Ausschuss zu überweisen.

Ganz anders ist das Thema „Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Da wird die EU klar darauf hinweisen, dass dies ein „Muss“ sein wird. Das ist für uns auch ein ganz wichtiger Aspekt. Die Zivilgesellschaft muss beteiligt werden, und zwar ohne Wenn und Aber. Es geht auch nicht, wie Sie suggerieren, um das Ob der Beteiligung, sondern um das Wie der Beteiligung. Darüber sind wir uns doch hier im Hause einig.

Dazu darf ich Ihnen auch sagen: Da ist die Messe auch noch nicht gesungen. Deshalb müssen wir uns fragen, wie dies gesteuert werden soll. Da darf man dann auch noch einmal den Blick über den Bundestellerrand hinausschweifen lassen. Wollen wir das jetzt über Gremien - das ist die eine Möglichkeit oder wollen wir es über Verfahren steuern? Da ist es doch interessant, was die grün-rote-Landesregierung in Baden-Württemberg gerade macht. Die wollen das nämlich im Rahmen eines Wettbewerbs unter den Kommunen steuern. Es wird nicht starr an Gemeindegrenzen festgehalten, sondern auch der Gesichtspunkt sozialräumlicher Betrachtung berücksichtigt. Es heißt dort integrierte territoriale Investition. Ich finde das sehr interessant mit einer konsequenten Bottom-up konstruierten Entscheidungskultur. Da gibt es Spielräume, die sich strategisch vor dem Hintergrund einer ordentlichen Zivilbeteiligung orientieren. Das muss man bedenken, und wir würden das gerne in die Debatte im Ausschuss einbringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An einer vernünftigen Beteiligung führt also kein Weg vorbei. Bei weniger Geld für technische Hilfen wird es sehr darauf ankommen, die begrenzten Mittel vernünftig und effizient einzusetzen. Das ist das, was wir gemeinsam für das Land SchleswigHolstein und im Übrigen auch für die Qualität der Projekte zu leisten haben.

Deshalb möchte ich Sie herzlich einladen. Es tut mir Leid, wenn ich das jetzt hier zitieren muss. Die FDP wird sich freuen. Es gilt der alte Spruch, der meiner Meinung von Herrn Brüderle stammt: Vor dem Dübeln kommt das Grübeln.

Bei der von der EU geplanten Veränderung liegen auch Chancen und Potenziale.

(Unruhe)

(Dr. Andreas Tietze)

- Sie hätten bei diesem Spruch ja einmal applaudieren können.

Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen die Kommunen mitnehmen, wir wollen sie aktiv einbeziehen. Wir wollen ihnen auch den Ball an dieser Stelle zurückspielen und sie auffordern: Macht uns doch Vorschläge, wie ihr euch künftig unter den veränderten Rahmenbedingungen eine kommunale Beteiligung vorstellt. Um es klar und deutlich zu sagen, in diesem Prozess wird es sehr auf die zivilgesellschaftliche Beteiligung ankommen. Diese Koalitionsfraktionen werden die Beteiligung in diesem Prozess stärken und nicht schwächen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bestehenden Regionalbeiräte, die in die Vergabeentscheidung von EFRE-Fördermitteln einbezogen sind, haben nach Auffassung der FDP-Fraktion eine wichtige und wertvolle Funktion. Sie bündeln maßgeblichen Sachverstand in den einzelnen Regionen des Landes. Vor Ort ist das Wissen, die Expertise und das Urteilsvermögen über die Sinnhaftigkeit wirtschaftlicher Strukturförderung eher anzutreffen, als dies von Kieler Schreibtischen aus zu erwarten ist.

(Beifall FDP und CDU)

Und zugleich sorgen die Regionalbeiräte damit auch für das notwendige Maß an Transparenz bei der Vergabe von Fördermitteln, die bei einer zentralistisch organisierten Vergabepraxis eben nicht zu erwarten ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Mauscheleien und das Bedienen politisch gewünschter Förderprojekte sind eher bei einer zentralistischen Regelung zu befürchten. Auch dies spricht für die Beibehaltung der bestehenden und der bewährten Praxis.

Die Landesregierung vermag aus unserer Sicht keine überzeugenden Argumente für die Abkehr von einer regionalen Beteiligung und Mitverantwortung bei der Vergabe von Mitteln der wirtschaftlichen Strukturförderung anzuführen. Sie stellt ohne Not

die erfolgreiche Tätigkeit der regionalen Geschäftsstellen infrage und missachtet den dort über Jahre hinweg akkumulierten Sachverstand. Allein die bevorstehende Verringerung der verfügbaren EFREMittel ist kein Grund, zu einer zentralistischen Vergabepraxis überzugehen.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, im Übrigen wäre ein solcher Wechsel zu einer Zentralisierung bei der Planung und Vergabe von Fördermitteln auch ein krasser Bruch mit der Beteiligungs- und Dialogkultur, die sich die Regierungskoalition der DänenAmpel immer auf ihre Fahnen schreibt.

(Beifall FDP und CDU)

Zugleich wäre ein solcher Schritt extrem unfair gegenüber den Menschen, die sich in der Vergangenheit unter wechselnden Landesregierungen stets mit großem Engagement kenntnisreich und gewissenhaft für die Nutzung der EU-Fördermittel zugunsten der regionalen Strukturentwicklung eingesetzt haben.

Frau Kollegin Poersch, es geht - gerade in Zukunft - meines Erachtens nicht darum, so viele Projekte wie möglich zu unterstützen,

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

sondern es kann durchaus - dafür ist die regionale Expertise, das Urteil in der Region so wichtig nach dem Prinzip „nicht kleckern, sondern klotzen“ bei reduzierten Mitteln darum gehen, Prioritäten zu setzen.

(Beifall FDP und CDU)

Und auch dafür ist die Prioritätensetzung, das regionale Urteil aus meiner Sicht ganz wesentlich. Meine Damen und Herren, deshalb fordert die FDP-Fraktion die Regierung und die sie tragenden Fraktionen auf, von ihren Vorhaben Abstand zu nehmen. Wir stimmen dem vorliegenden Antrag zu.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier nicht darum, altes Liebgewonnenes krampfhaft zu verteidigen, und wir sind natürlich bereit, strukturellen, aber auch finanziellen Verän

(Dr. Andreas Tietze)

derungen den nötigen Debattenspielraum zu geben und dafür zu sorgen, dass das möglich ist.

Bevor ich aus unserer Sicht einige grundsätzliche Ausführungen mache, möchte ich sagen, dass wir es dem CDU-Antrag zu verdanken haben, dass das Parlament jetzt überhaupt in die Beratung einbezogen

(Beifall CDU)

und dadurch verhindert wird, dass nur durch Weisungen und Verordnungen in einem Ministerium in gewachsene und wichtige Strukturen vor Ort eingegriffen wird, ohne dass es diskutiert wird.

Ich bin jetzt in der misslichen Lage, dass ich mich bezüglich dessen, was die Landesregierung plant, nur auf ein Interview im NDR mit Herrn Wirtschaftsminister Meyer - das Interview war sehr kurz; es war nicht so sehr informativ - und auf ein Schreiben der Projektgesellschaft Norderelbe nach einem Gespräch, das Sie dort geführt haben, beziehen kann. Das klingt, als sei es schon beschlossen. Selbst diese Projektgesellschaft, die eigentlich von einer solchen regionalen Zerschlagung weniger betroffen ist, warnt davor und sagt: Nur über eine aktive Projektentwicklung vor Ort kann ausreichend gefördert und können auch Projekte sinnvoll gestaltet werden.

Ich will dazu sagen - ich finde, das spricht für sich, und es ist gut, wenn es um Europa geht -, wir sollten schon zur Kenntnis nehmen, dass sowohl ein SPD-Bürgermeister aus Lübeck als auch ein CDUBürgermeister, ein Landrat aus Ostholstein die bisher bekannt gewordenen Pläne des Wirtschaftsministeriums kritisiert und zurückgewiesen haben. Das heißt, es geht hier nicht um Parteienstreit, sondern es geht darum, wie wir dafür sorgen können, dass die Projekte auch in Zukunft sinnvoll in der Region entwickelt und umgesetzt werden können.

Das Wort Zentralisierung will ich jetzt nicht weiter strapazieren. Ich glaube, es ist hier oft genug gefallen. Ich will jedoch ganz klar sagen: Europa hat schon heute ein Problem mit der Entfremdung zwischen dem, was europäisch umgesetzt werden soll, und den Einwohnern vor Ort. Die Expertise ist nun einmal in den Regionen und nicht in der Landeshauptstadt Kiel, wenn es darum geht, innovative Projekte für die Zukunft in den Regionen weiterzuentwickeln.

Deswegen sage ich an der Stelle: Je weniger Geld wir letztlich in den verschiedenen Töpfen haben mögen, umso wichtiger ist die Expertise aus der Region, umso mehr brauchen wir davon und nicht

weniger. Deswegen - das hat auch ein Kollege angesprochen - müssen wir es schon ernst nehmen. Die Kommunalwahl hat gezeigt, je mehr die Politik und wir die politische Partizipation aus der Region herausziehen - das ist nun einmal Zentralisierung -, umso weiter entfernen wir uns von den Menschen. Das können wir uns in der Europapolitik nicht leisten.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Ich sage das auch im Hinblick auf das nächste Jahr. Wir haben bei den Kommunalwahlen einen Denkzettel bekommen. Ich mag das auch gar nicht auf eine Partei beziehen. Wir werden in der Region wieder mehr werben müssen. Europa braucht Werbung, um nicht von irgendwelchen antieuropäischen Populisten, die sich jetzt gerade vermehren, weiter diffamiert zu werden. Das wäre schädlich.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa der Regionen - das ist nicht nur ein Spruch, sondern das steht auch dafür, dass wir für ein Europa der Vielfalt eintreten. Wir bitten deshalb die CDU ausdrücklich, diesen Antrag nicht nur zur Abstimmung zu stellen, sondern ihn in den Wirtschafts- und Europaausschuss zu überweisen,

(Beifall PIRATEN)