Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

(Wolfgang Kubicki)

Keine Bundesregierung, unabhängig von ihrer Farbe, wird sich hinter ein verkehrspolitisches Projekt stellen, das von der Landesregierung abgelehnt wird. Es besteht die Befürchtung, dass wenn Sie die Planungen der A 20 nicht fortführen - und Sie werden sie nicht fortführen, denn im Koalitionsvertrag steht drin, dass Sie ja neue, ökologische und verkehrliche Aspekte berücksichtigen wollen; was anderes heißt es denn sonst, als die Planungen nicht wie geplant fortzuführen? -, dass die Mittel Schleswig-Holsteins auf ewig verloren gehen. Bei den Verkehrsministern in den anderen Bundesländern, auch in den von Sozialdemokraten regierten, muss der Koalitionsvertrag Freude ausgelöst haben.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau!)

Wenn sich einige vom nicht gerade üppig gedeckten Buffet entfernen, werden andere entsprechend mehr abgreifen.

(Beifall FDP und CDU)

Die Gelder werden statt nach Schleswig-Holstein dann nach Nordrhein-Westfalen und Berlin fließen. Dabei werden die bereits in Planungskosten geflossenen Ausgaben für Teilstücke westlich der A 7 für immer in Aktenschränken und Schubladen verschwinden, die dafür aufgewendeten Millionen sind dann unwiderbringlich verloren. Wie widersprüchlich Sie doch sind, zeigen Sie uns selbst mit Ihrer Erklärung, die B 5 bis Brunsbüttel werde ausgebaut werden. Wenn denn richtig ist, dass der Bundesverkehrswegeplan chronisch unterfinanziert ist, gilt das auch für dieses Teilstück. Wie Sie das Versprechen umsetzen wollen, aber gleichzeitig erklären, dass für die A 20 von der A 7 bis zur westlichen Elbquerung keine Mittel vorhanden sind, das erklären Sie den Menschen einmal im Hinblick auf die Widerspruchsfreiheit Ihrer eigenen Argumentation.

(Beifall FDP und CDU)

Was Sie vorhin als Phantomdebatte bezeichnet haben, ist die Geschäftsgrundlage des Spediteurs in Steinburg und Dithmarschen. Über die berechtigten Existenzsorgen der Unternehmen und deren Angestellten gehen Sie einfach hinweg. Noch einmal: Sie müssen nicht glauben, dass die Menschen in Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg und Nordfriesland dümmer sind als Sie hier im Hohen Haus.

(Beifall FDP und CDU)

Die Proteste, die vor Ort da sind, haben einen realen Hintergrund, und sie werden sich verstärken, ähnlich wie die Proteste der Wirtschaft, die Sie nicht mit wagen Erklärungen und schlicht und ergreifend befriedigen können.

Dass es gegen den Erpressungsversuch der Grünen auch andere Alternativen als den Verzicht auf wirtschaftliche Entwicklungen gegeben hätte, hat vor einigen Monaten Ihr Parteifreund in Berlin, Klaus Wowereit, bewiesen. Statt gegen die Interessen des Landes zu handeln und damit den Grünen entgegenzukommen, hat er kurzer Hand die Koalitionsgespräche abgebrochen und sich auf neue Möglichkeiten eingelassen, obwohl ich hier von dieser Stelle aus nicht einer Großen Koalition das Wort reden will. Ich will hier nicht falsch verstanden werden. Diesem Beispiel hätten Sie folgen können, zum Wohl Ihres Lieblingslandes, zum Wohl der Menschen in Schleswig-Holstein.

Damit hätten Sie nicht nur ein Zeichen der Vernunft und der Weitsicht gesetzt, sondern auch gezeigt, dass Erpressungsversuche kein Mittel einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sein dürfen. Stattdessen war der Machtwille bei Ihnen die prägende Antriebskraft, der Sie alles rücksichtslos untergeordnet haben. Dies zeugt eher von persönlichmenschlicher Schwäche als von politisch - visionärer Größe.

Lassen Sie mich zum nächsten Infrastrukturprojekt schreiten, das die Schleswig-Holstein-Ampel mit ihrem Koalitionsvertrag zu Grabe getragen hat, die Hinterlandanbindung einer festen FehmarnbeltQuerung. Sie betonen selbst die Bedeutung des Projekts im Koalitionsvertrag und weisen auf die europäische Dimension dieses Vorhabens hin: Ein Projekt von immenser Tragweite für die Metropolregionen Kopenhagen/Malmö und Hamburg. Die Möglichkeiten, die sich daraus für unser Land entwickeln, sind immens. Es ist nämlich nicht so, wie einzelne Akteure der Regierungsfraktionen gern darstellen, dass der Bau der Strecke nur die Pole A und B stärken würde und die Menschen dazwischen nur Belastungen und keine Vorteile ziehen könnten, mitnichten.

Seit jeher haben sich an wichtigen Verkehrsstrecken Gewerbe und Menschen angesiedelt und somit von den sich bietenden Chancen profitiert. Das war mit dem Bau der Eisenbahn in den Westen der USA ebenso wie mit dem Anschluss von Ortschaften an das Fernverkehrsnetz in Deutschland. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, was die IHK Lübeck mit ihrem Projekt der Fehmarnbelt-Querung und der Gestaltung für Ostholstein und Lübeck bereits auf den Weg gebracht hat. Das sind wirtschaftliche Perspektiven für Schleswig-Holstein, die nun von Ihnen zumindest behindert werden. Solche Gebiete werden attraktiv, der Ansiedlung von Gewerbe folgt das entsprechende Arbeitskräftreservoir,

(Wolfgang Kubicki)

womit die Wertschöpfung steigt und die Steuerkraft zunimmt.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie schon die Argumente der Wirtschaftsverbände nicht überzeugen können, dann bitte ich Sie, doch wenigstens auf den Rat der Grande Dame Ihrer Partei, der ehemaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis, zu hören. Ich verweise auf das Interview von Heide Simonis aus der Zeitung „Die Welt“ von Montag. Auf die Frage, ob es klug sei, dass die neue Regierung die Haushaltsmittel für die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung gestrichen habe, äußert sich die ehemalige Ministerpräsidentin wie folgt:

„Die Fehmarnbelt-Querung ist sauber ausdiskutiert worden. Es gibt einen Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark. Eine schleswig-holsteinische Landesregierung sollte sich an geltendes Gesetz halten, statt immer wieder an der gleichen Stelle gegen die Wand zu laufen.“

Dem schließe ich mich vollständig an.

(Beifall FDP und CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sehr gut!)

Herr Kollege Dr. Stegner, wenn Sie kritisieren, dass Herr Austermann - und er war es ja nicht allein 60 Millionen € als Zusage Schleswig-Holsteins gegeben habe, um an den Planungskosten der Hinterlandanbindung beteiligt zu werden, dann möchte ich Sie daran erinnern, das Sie zum damaligen Zeitpunkt mit Herrn Austermann gemeinsam im Kabinett saßen, und - soweit ich mich erinnern kann hat das auch Ihre Zustimmung, jedenfalls nicht Ihre Ablehnung, gefunden, denn mit Ihrer Ablehnung wäre es nicht möglich gewesen. Insofern ist das, was Sie uns hier heute vorgetragen haben, ein Stück aus dem Tollhaus, mit dem Sie eigene Entscheidungen von damals konterkarieren.

(Beifall FDP und CDU)

„Europa schaut heute auf uns“, damit haben Sie, Herr Ministerpräsident, heute Ihre Rede begonnen. Ein gemeinsames Europa entsteht aus Taten und Handlungen, nicht aus Floskeln und Bemerkungen. Mit Ihrem Richtungswechsel bei der festen Fehmarnbelt-Querung und der A 20 sorgen Sie dafür, dass das Zusammenwachsen Europas gehindert und nicht gefördert wird.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau!)

Damit zeigen Sie doch, dass das in Sonntagsreden propagierte dringende Wirtschaftswachstum für Europa für Sie nur ein Lippenbekenntnis ist. Wie

sonst könnten Sie ein solches europaweit bedeutendes Projekt so widerstands- und geräuschlos beenden wollen?

Skurril empfand ich in Ihrem Koalitionsvertrag die Passagen, in denen etwas abgelehnt wird, was überhaupt niemand fordert. Auf Seite 31 des Koalitionsvertrags heißt es - ich zitiere:

„Eine weitere Vertiefung der Unterelbe lehnen die Koalitionspartner ab, weil sie ökologisch problematisch ist und dadurch erhebliche Umweltrisiken mit unkalkulierbaren finanziellen Folgen verbunden sind.“

Und ich ergänze mal: weil es im übrigen wegen des Elbtunnels auch gar nicht geht.

(Beifall FDP und CDU)

Trotz mehrmaligen Lesens hat sich die Passage für mich nicht erschlossen. Eine weitere Vertiefung wird derzeit von keiner Seite, von niemandem, ernsthaft diskutiert. Der Grünenbasis zuliebe wurde hier ökologisch ein Projekt ausgeschlossen, was politisch niemand fordert.

Überhaupt findet sich im Koalitionsvertrag nicht der vernünftige Konsens Aller, der das Ziel verfolgt, das Land voranzubringen, sondern die partiellen Interessen Einzelner, die ihre eigenen Lebensziele verwirklichen wollen. Die meisten unter Ihnen wissen, wer und was gemeint ist - richtig, die StadtRegional-Bahn. Hier wird ein verkehrspolitisch sinnloses und haushaltspolitisch höchst fragwürdiges Projekt gefördert, bei dem sich selbst die beteiligten Kreise gegen das Projekt aussprechen. Das wäre alles noch nicht so schlimm, Herr Ministerpräsident, würden dadurch nicht andere, wichtige verkehrspolitische Projekte im Hamburger Umland, insbesondere der Ausbau der S 4, in ihrer Umsetzung massiv gefährdet.

Partielle Parteiinteressen vor Landesinteresse, das kann doch nicht der Aufbruch des Nordes sein. Die Menschen im Hamburger Umland werden Ihnen schon dokumentieren, Herr Ministerpräsident, was sie davon halten, dass Sie in Kiel eine Bimmelbahn bauen wollen, für die es keine verkehrspolitische Notwendigkeit gibt.

(Beifall FDP und CDU)

Auf Seite 27 des Koalitionsvertrags heißt es:

„Die Landesregierung wird diese Entwicklung aufgreifen, um weitere Innovationen im ÖPNV, wie Rufbus- und Ruftaxisysteme, ehrenamtliche Bürgerbusse, Car-Sharing und Mitfahrportale voranzubringen.“

(Wolfgang Kubicki)

Herr Ministerpräsident, da werden bereits gut laufende Projekte öffentlich mit Ihrem Bild in der Zeitung präsentiert, nur der Wert ist null. Ein Blick auf die Internetseite www.mitfahrgelegenheit.de - Herr Dr. Breyer, Sie können das ja sofort im Internet nachvollziehen - löst das angesprochene Innovationsproblem der Landesregierung. Zugleich versuchen Sie, Herr Ministerpräsident, im Koalitionsvertrag durch die Verwendung von Anglizismen eine gewisse Modernität und eine Aufbruchstimmung zu suggerieren. Sie sprechen davon, dass Sie im öffentlichen Personennahverkehr eine Art Flatrate entwickeln wollen.

(Beifall PIRATEN)

- Ja, ich finde das auch sehr vernünftig. Meine erste Frage, nachdem ich diese Zeilen gelesen habe, war: Wessen Idee war es eigentlich, das Rad neu zu erfinden? Sie, die Bürger und ich wissen doch, dass unter Flatrate nichts anderes gemeint ist als das bekannte Monatsticket: für 53 € für den Stadtverkehr Kiel seit Jahrzehnten erhältlich.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Innovationen werden nicht durch Begriffe, sondern durch neue Ideen vorangebracht.

Grüne Ideologie, frei von wirtschaftlichen, ökologischen und finanziellen Sachzwängen. Das ist der rote Faden, der den Koalitionsvertrag durchzieht. So wird im Koalitionsvertrag festgezurrt, dass der Erdölförderzins zum folgenden Haushaltsjahr angehoben wird. Herr Kollege Koch, wir erinnern uns: Im ersten Haushaltsentwurf zum Doppelhaushalt 2011/2012 wollten die Grünen die Erdölförderzinsabgabe von 15 auf 17,5 % erhöhen. Der Hinweis aus unserer Fraktion, dass dieser Zins bereits seit 2009 auf 18 % erhöht ist, verleitete die Grünen dazu, eine willkürliche Erhöhung auf 21 % zu fordern.

(Heiterkeit FDP und CDU)

Dieser Vorschlag, so verlockend er im ersten Moment auch klingen mag, ist ökonomisch unbegründet, gefährdet Arbeitsplätze, ist finanzpolitisch abwegig und umweltpolitisch sogar schädlich.

Ökonomisch unbegründet ist er, da bei der letzten Erhöhung im Sommer 2008 der Ölpreis bei über 140 US$ pro Barrel lag. Der Preis für die Rohölsorte Brent lag am vergangenen Freitag bei unter 100 $, also um fast 30 % niedriger. Eine Erhöhung der Erdölförderzinsabgabe hat zur Folge, dass die Abgaben steigen, während die Erlöse sinken. Ab einem gewissen Punkt überschreiten diese die Gewinnschwelle. Eine Produktion unterhalb dieser

Schwelle ist nicht lohnenswert, sodass die weitere Förderung eingestellt würde. Damit würden die Einnahmen aus der Erdölförderzinsabgabe auf Null sinken. Ich rate an, dass, bevor eine solche Maßnahme umgesetzt wird, Sie dringend mit denjenigen Gespräche führen, die von der Erdölförderung der Mittelplate abhängig sind. Denn dies hätte natürlich massive Auswirkungen auf die Beschäftigten in Hemmingstedt und Brunsbüttel.

Bei einer solchen Gefahr müsste man doch zumindest davon ausgehen, dass die Maßnahme finanzpolitisch eine gewisse maßgebliche Relevanz aufweist, auf die die grüne Finanzministerin schielt. Leider auch hier Fehlanzeige: Durch die verzwickte Wirkung des Länderfinanzausgleichs ist es so, dass 90 % der zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung der Erdölförderzinsabgabe das Land sofort und direkt wieder verlassen würden.

Ist denn die Erhöhung zumindest umweltpolitisch gerechtfertigt? - Sie können sich die Antwort vorstellen: Nein, im Gegenteil, sie ist sogar umweltpolitisch schädlich. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Erhöhung der Erdölförderzinsabgabe in Schleswig-Holstein den globalen Ölmarkt beeinflusst, wird bei der Einstellung der Produktion das Öl nicht mehr von der Mittelplate, sondern aus dem Nahen Osten kommen. Durch den langen Transportweg würde die Energiebilanz deutlich negativer ausfallen.

Die Einzigen, die von dieser Maßnahme nachhaltig profitieren würden, wären Exxon, Gazprom und die uns nicht wohlgesonnenen Regime im Mittleren Osten. In diesem Licht appellieren wir an die Vernünftigen in der Regierung - Herr Meyer, an Sie und an den Ministerpräsidenten -, von dieser Idee Abstand zu nehmen, nachdem Sie die entsprechenden Gespräche geführt haben.

(Beifall FDP und CDU)