Protokoll der Sitzung vom 18.06.2013

Ich fahre zunächst in der Tagesordnung fort. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9, 12 und 20 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes und zur Aufhebung des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/885

b) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes für eine verlässliche Raumordnungsplanung

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/898

c) Chancen erkennen, Potenziale nutzen - Gemeinsame Landesplanung mit Hamburg vorbereiten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/821

Zielvorstellungen der Landesregierung im Bereich der Landesplanung

Änderungsantrag der CDU Drucksache 18/874

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich erteile zunächst Herrn Ministerpräsident Albig das Wort.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Themen, die wir heute miteinander verbinden, die unmittelbar zusammengehören, sind: Wie denken wir Landesplanung im Norden eigentlich, gemeinsam oder getrennt mit Hamburg? Wie sieht die Zukunft unseres Landesplanungsgesetzes aus? Zu beiden darf ich mich kurz äußern.

Ich komme gemeinsam mit Herrn Callsen, Herrn Kubicki und anderen vom Unternehmertag des UV Nord. Dort spielte die erste Frage eine immanent wichtige Rolle: Denken wir, Hamburg und Schleswig-Holstein, da, wo wir planen, da, wo wir Infrastruktur voranbringen, gemeinsam, denken wir genug gemeinsam? Was können wir besser machen?

Wir sind Teil einer Metropolregion. Wir sind also mehr als nur gute Nachbarn. Nur wenn wir die Potenziale, die wir im Raum haben, ökonomisch, bildungspolitisch, in jeder Strukturfrage gemeinsam erkennen und heben, werden wir auf der Höhe der Zeit sein.

155.000 Menschen pendeln jeden Tag von Schleswig-Holstein nach Hamburg, 50.000 kommen von Hamburg zu uns. Wir haben ein Gastschulabkommen zwischen unseren Ländern. 4.000 Kinder pendeln. Wir sind gemeinsamer Medienstandort. Wir haben längst zahlreiche Verwaltungskooperationen auf den Weg gebracht. Ich nenne nur das Statistikamt Nord, die Eichdirektion, die Datenzentrale. Wir treten nach außen längst als Partner auf und haben mittlerweile drei Auslandsvertretungen, Brüssel, St. Petersburg und Danzig.

Es ist erkennbar - auch durch die Anwesenheit von Wirtschaftssenator Horch und in den Gesprächen, die wir gemeinsam führen -: Die Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg hat für beide Seiten, für die schleswig-holsteinische Landesregierung und für den Hamburger Senat, einen hohen Stellenwert. Insoweit geht der Antrag der FDP-Fraktion „Chancen erkennen, Potenziale nutzen - Gemeinsame Landesplanung mit Hamburg vorbereiten“ durchaus in die richtige Richtung. Er beschreibt, dass wir notwendigerweise gemeinsam abgestimmt planen und planende Politik machen müssen.

Das tun wir an vielen Stellen auch. Wir arbeiten in der Landesplanung - so wie mit den anderen Nachbarländern ebenfalls - zusammen. Wir sind überzeugt: Von einer planerisch gemeinsamen Zusammenarbeit können beide Seiten nur profitieren. Wir können sparen, nämlich Verwaltungskosten.

Wir sind in der Lage, unsere Zusammenarbeit stärker zu systematisieren - etwas, was uns die Enquetekommission „Chancen einer verstärkten norddeutschen Kooperation“ schon im Februar 2012 ins Stammbuch geschrieben hat.

Wir gewinnen an Effizienz. Wir können voneinander lernen. Wir treten auch nach außen als ein norddeutscher Raum auf. Bei allen Infrastrukturfragen ist es von zentraler Bedeutung: Können wir uns gegenüber dem Süden das notwendige Gehör verschaffen, auch da, wo es um die Verteilung von Bundesmitteln geht? Das gelingt immer dann besser, wenn wir abgestimmt eine Raumplanung, eine Infrastrukturplanung, eine Vorstellung davon vorlegen können, wie der Norden wächst und sich entwickelt.

Was wir bei der Bedeutung des NOK an gemeinsamer Lobbyarbeit vor Ort in Berlin geleistet haben, war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eine solche gemeinsame Stimme wirkt. Ohne die Unterstützung Hamburgs, ohne die Unterstützung Hannovers wären wir nicht so erfolgreich gewesen. Die Enquetekommission schlägt deshalb auch eine gemeinsame, besser koordinierte Landeplanung vor. Wir als Landesregierung unterstützen die intensivere Zusammenarbeit beider Landesplanungen. Das entspricht auch dem Willen Hamburgs.

Wir sind jetzt dabei - das ist die nächste Aufgabe, die wir zu bewältigen haben -, gemeinsame verbindliche Leitlinien für unsere Planungen zu erarbeiten. Konkret heißt das: Schon heute geben wir die Landesentwicklungspläne und die Regionalpläne frühzeitig, also noch im Entwurfsstadium, den Nachbarländern zur Kenntnis mit der Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Das ist Austausch auf Augenhöhe, weil es auf der Basis der vorliegenden Länderberichte sinnvoller ist, sich über gemeinsame wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten im Norden auszutauschen.

In den Gremien der Metropolregion Hamburg behandeln wir ebenfalls gemeinsame landesplanerische Themen. Ich glaube, das können wir nach der langen Zeit der Zusammenarbeit miteinander sagen: Hier läuft die Zusammenarbeit heute sehr gut. Es laufen erste bilaterale Gespräche mit der Landesplanungsbehörde Hamburg, um gemeinsame Projekte und inhaltliche Zielsetzungen auszuloten. Dort kommt es personenbedingt zu Veränderungen, weil der Leiter ausscheidet und es eine neue Leitung geben wird. Nach der deshalb zu erwartenden Neuorganisation in Hamburg wollen wir noch im Herbst dieses Jahres eine deutlich engere Abstimmung zwischen beiden Ländern auf der Planungs

ebene durchführen. Die aktuellen Themen, die anstehen, liegen auf der Hand: Gewerbeflächenentwicklung, Wohnraumschaffung, Wohnraumsicherung, Infrastruktur, Autobahnen und Ähnliches. All das ist uns bekannt. Wir wollen in diesen Bereichen gemeinsam sondieren, wie die Planung zusammenarbeiten kann.

Gemeinsame raumordnungspolitische Leitlinien zu entwickeln, das ist das eine, und das werden wir tun. Ich glaube, dazu bedarf es aber nicht - das wäre ein Missverständnis -, dass wir eine Zusammenlegung der Landesplanungsbehörden betreiben sollten, dass wir die Aufgabe der Souveränität unserer Planungsbehörde anstreben sollten. Nein, wichtig ist, dass zwei souveräne Behörden miteinander den Raum als einen zu beplanenden Raum verstehen, sich miteinander verzahnen und abstimmen. Wir würden viel Kraft und Energie aufwenden müssen, wenn wir aus zwei souveränen Behörden eine Behörde schaffen wollten. Möglicherweise steht das irgendwann am Ende eines Prozesses. Aber jetzt sollten wir all unsere Energie dafür nutzen, unsere Planvorstellungen zu koordinieren, übereinanderzulegen und miteinander den Raum als einen zusammengehörenden Raum zu begreifen.

Dass wir das tun, das ist auch aus der Veränderung, aus dem Entwurf eines neuen Landesplanungsgesetzes zu verstehen. In diesem wollen wir die Regelungen für die Arbeit der Landesplanung und für die Arbeit der Staatskanzlei neu fassen. Damit schaffen wir übrigens auch die Voraussetzungen für eine besser koordinierte Zusammenarbeit mit Hamburg. Wir schaffen damit auch die Grundlage für eine Neufassung des Landesentwicklungsplans. Wir wollen eine Landesentwicklungsstrategie Schleswig-Holstein 2030 in den kommenden drei Jahren erarbeiten. Dieses wollen wir hier im Parlament tun. Dieses wollen wir mit Fachfrauen und Fachmännern im ganzen Land tun, wir wollen es aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern tun.

Der erste Schritt dazu war ein Bürgerkongress in Büdelsdorf, auf dem wir vor wenigen Tagen mit repräsentativ ausgewählten Frauen und Männern aus dem Land die vier großen Zukunftsthemen Energiewende, Wirtschaft, Bildung und demografischer Wandel besprochen haben. Ich kann Ihnen berichten, dass es sehr beeindruckend war, welche intensive Kundigkeit die Menschen von ihrem Land haben, wie sie zu all den Themen in der Lage sind, ohne Fachexpertinnen und -experten zu sein, etwas beizutragen. Wir werden diese Beteiligung fortsetzen. Wir werden sie virtuell im Netz, mit Kongressen wie diesen, durchaus auch themenschärfer, über

die Zeit in den nächsten Jahren immer wieder begleitend auch an die Seite von Fachberatung stellen. Ich glaube, es ist wichtig, die Menschen und ihren Rat sehr ernst zu nehmen und ihnen Gelegenheit zu geben, bei dieser Entwicklung mitzuwirken.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin ganz sicher, wir werden auch virtuelle Formen finden, wie wir das auf eine möglichst breite Basis stellen können. Ich fand es jedenfalls sehr motivierend zu sehen, mit welcher Begeisterung diese zufällig zusammengekommenen Menschen, die sich noch nie getroffen hatten, in der Lage waren, über unser Land und seine zukünftige Entwicklung zu diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Landesplanungsgesetz, das wir Ihnen heute vorlegen, steckt die räumlichen Grenzen unserer zukünftigen Regionalplanung ab. In diesem Entwurf wird das einheitliche Bundesraumordnungsgesetz umgesetzt. Wir haben uns an die Vorgaben des Bundes gehalten und legen damit einen tragfähigen Gesetzentwurf vor.

Zu den notwendigen Änderungen und denjenigen, die am meisten in der Diskussion stehen, gehört die Neuordnung der Landesplanungsräume. Bisher war unser Land in fünf Planungsräume aufgeteilt. Sie waren im Bundesvergleich klein, wir glauben, sie waren zu klein. Die Antwort, die wir geben, ist, dass wir aus den fünf Planungsräumen drei machen wollen. Der Neuzuschnitt bildet drei Landesplanungsräume ab, in denen wir - das ist unsere Überzeugung - die zukünftige Regionalplanung effizienter und zukunftsgerechter, weil zusammenpassender, gestalten können.

Konkret sieht das so aus, dass wir im Planungsraum I Flensburg, die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg haben. Wir haben dabei immer Kopf, dass wir bei Abstimmungsfragen auch nach Jütland schauen und das, was in Jütland gedacht wird, auch bei uns rückkoppeln und mit den Behörden und den Planern in Jütland absprechen wollen. Wir gehören - genau wie in der Metropolregion mit Hamburg - planerisch zusammen. Vieles dessen, was dort gedacht wird, spiegelt sich bei uns wider und sollte sich umgekehrt spiegeln. Also eigentlich ist der Planungsraum I nach oben zu erweitern. Er ist in seiner Raumwirkung größer.

Zum Planungsraum II gehören Kiel und Neumünster, die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Unser Planungsraum III bildet im Kern das ab, was heute Metropolregion heißt, nämlich Lübeck, die Kreise Dithmarschen, das Herzogtum Lauenburg, Ostholstein, Pinneberg, Segeberg, Steinburg und Stormarn.

Wir sind uns sicher: Die Regionalplanung wird mit diesen drei Planungsräumen besser als in der Vergangenheit arbeiten können. Der Neuzuschnitt orientiert sich im Wesentlichen an den Landesentwicklungsachsen. Die Neuausrichtung auf drei Planungsräume spiegelt eine stärkere Orientierung an raumordnerischen Kriterien wider, und die heute schon bestehenden auch regionalen Kooperationen bilden jeweils einen Planungsraum. Das ist der zentrale Gedanke, der hinter dem Neuzuschnitt steht. Die, die heute schon zusammenarbeiten, sollen auch planerisch zusammengefasst werden.

Ich bin mir sicher, dass dies der richtige Weg ist, unsere Regionalplanung voranzubringen. Aber - es gibt immer auch ein Aber - eine Ausnahme machen wir, diese Ausnahme betrifft die kreisfreie Stadt Neumünster. Neumünster ist Mitglied der Metropolregion und sieht sich selber auch in diese Richtung entwickelnd. Dennoch glauben wir, dass es richtig ist, bei der Frage, wie die Planungsräume in unserem Land aussehen, Neumünster wie bisher auch der alten K.E.R.N.-Region - so hieß sie einmal -, der alten Region Kiel, Eckernförde, Rendsburg und Neumünster zugehören zu lassen. Das ist aus landesplanerischer Sicht sinnvoll.

(Tobias Koch [CDU]: Das werden die Frak- tionen noch korrigieren!)

- Das werden wir sehen, Herr Kollege, ob sie das machen. Es gibt gute Argumente, dass sie das nicht tun sollten. Denn zwischen der kreisfreien Stadt Neumünster und der Kiel Region gibt es eine immense Verflechtung im Stadtumlandbereich, eine extreme Verflechtung der Pendlerströme mit dem gesamten nördlichen schleswig-holsteinischen Raum - und eben nicht in den anderen, auch wenn die Ausrichtung der Politik nach Hamburg geht. Auch die geografische Lage - 80 % der Stadt Neumünster grenzen an Plön und Eckernförde - spricht dafür, dass Neumünster natürlich ein geborener Teil der Kiel Region ist. Neumünster spielt eine ganz besondere Rolle, weil es im Kern das Scharnier dieser drei Planungsräume ist: zwischen Kiel Region, Planungsraum I und Planungsraum III.

Der Stadt Neumünster kommt dabei eine besondere Herausforderung zu. Wir sind uns sicher: Diese Chancen kann Neumünster am besten nutzen, wenn es in diesem Planungsraum abgebildet wird.

(Beifall SPD)

Darüber, meine Damen und Herren, gilt es zu diskutieren. Da gibt es viele Argumente. Aber wir haben sie in der Landesplanung gut abgewogen. Was Ihnen vorliegt, ist ein Entwurf, auf dessen Basis wir die Zukunft und die planerische Zukunft unseres Landes in den Blick nehmen.

Ich freue mich auf die Beratungen und die intensiven Diskussionen dazu. Ich glaube: Die Grundlagen auch mit Blick auf die Vorgaben des Bundesgesetzes sind gelegt. Ich wünsche Ihnen dazu gute Verrichtung. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen. Das steht auch allen Fraktionen zu.

Ich bitte Sie, den Ministerpräsidenten für eine kurze Zeit zu entschuldigen, da er jetzt die Ernennung im Haus B vornimmt. Anschließend steht er wieder zur Verfügung.

(Der Ministerpräsident verlässt den Plenar- saal.)

Wir fahren fort in der Beratung. Das Wort hat für die FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem für unser Land so elementaren Thema „norddeutsche Kooperation“ hat die rot-grün-blaue Koalition leider bereits in ihrem ersten Regierungsjahr viel verbrannte Erde zurückgelassen. Statt verstärkter Kooperation wurden vonseiten der Landesregierung, aber auch vonseiten des Hamburger Senats - im Zweifel stärker von ihm - Desintegration und Abgrenzung betrieben. Statt die Metropolregion zu stärken und die Zusammenarbeit kontinuierlich auszubauen, wurden beiderseits Initiativen ergriffen, die das Ziel der verstärkten Kooperation konterkarieren und behindern.