Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Tietze?

Eine Frage würde ich zulassen.

Herr Kollege Vogt, würden Sie mir freundlicherweise erklären: Sie regieren ja in Berlin mit.

- Ich nicht!

- Ihre FDP jedenfalls. Können Sie mir freundlicherweise erklären, warum wir dann trotz Ihrer Regierungsarbeit in Berlin nicht bereits die A 20 in Schleswig-Holstein finanziert bekommen haben?

(Lachen Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kollege Dr. Tietze, ich glaube, Sie kennen das Finanzierungssystem auf Bundesebene. Ich möchte mir noch einmal den Hinweis erlauben, dass zum Beispiel die Mittel für den Abschnitt zwischen Wittenborn und Weede mit rund 150 Millionen € seit Jahren beim Bund freigegeben sind. Bloß wenn wir kein Baurecht haben, kann man keine Straßen bauen, Herr Kollege Dr. Tietze.

(Beifall FDP und CDU)

Ich hatte vorhin schon darauf hingewiesen: Das Problem werden wir auch durch Ihre Frage nicht auflösen.

(Zuruf CDU: Woher soll Tietze etwas wis- sen?)

Meine Damen und Herren, über die Anschubfinanzierung von 50 %, die wohl nötig wären, wurde schon einiges gesagt. Das wurde vom Bund in Aussicht gestellt.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich durchaus verstehen kann, dass Minister Meyer als SPD-Minister mit dem Kollegen Lies aus Niedersachen - ebenfalls SPD -, der ebenfalls wie Herr Meyer mit den Grünen koalieren muss, der dieses Schicksal mit Ihnen teilt,

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

dass diese beiden Herren die Zahlen eines CSUBundesministers anzweifeln. Das kann ich politisch noch irgendwie nachvollziehen. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann und nicht verstehen möchte, ist die Tatsache, dass einfach die Zahlen angezweifelt werden und gesagt wird: Der Bund muss hier eben einspringen und das Ganze komplett allein finanzieren. Das ist irgendwie nicht mit den Äußerungen des Kollegen Dr. Tietze von gerade zusammenzubringen. Deswegen würde ich mich freuen, wenn die Landesregierung da etwas konstruktiver herangehen und nicht einfach sagen würde: Der Bund hat das gefälligst schnellstmöglich allein zu finanzieren.

Meine Damen und Herren - Herr Dr. Tietze, Sie hatten auch die Planung angesprochen -, es ist schon etwas scheinheilig, denn Sie wissen ganz genau, dass, als die Grünen in Niedersachsen in die Regierung eintraten, zunächst einmal die Planungsmittel für die A 20 gekürzt wurden.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Dann sagten Sie, es gehe nicht voran, und das alles werde nichts. - Das finde ich einigermaßen scheinheilig.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Dr. Ralf Steg- ner [SPD])

Ihr Änderungsantrag, meine Damen und Herren, ist in den ersten beiden Sätzen nur ein schlechter Scherz. Der letzte Satz setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Denn dort zweifeln Sie offen den Sinn des Weiterbaus der A 20 an. Ich freue mich schon auf die Rede des Verkehrsministers und darauf, wie er das mal wieder abräumt.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich möchte kurz etwas zum Antrag der CDUFraktion sagen. Wir werden dem Antrag heute zu

(Christopher Vogt)

stimmen, auch wenn wir die Zahlen noch nicht vollständig nachvollziehen können, weil sie noch nicht öffentlich sind. Wir halten es für richtig, dass geprüft wird, ob man das dänische Modell übertragen kann. Die Dänen sind beim Infrastrukturausbau vorbildlich: nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei der Planung. Wir können uns davon noch eine Scheibe abschneiden.

Meine Damen und Herren, das Problem bleibt: Diese Koalition hat in der Verkehrspolitik nach wie vor keinen gemeinsamen Kurs. Das merkt man ganz besonders bei der festen Fehmarnbelt-Querung und leider auch heute wieder bei dem für unser Land so wichtigen Weiterbau der A 20. So ist auf Dauer kein Staat zu machen. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich dem Abgeordneten Patrick Breyer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die CDU-Fraktion die Realisierung des westlichen Elbtunnels und die Verlängerung der A 20 als sogenanntes F-Modell. Was bedeutet das? Das ist ein mautfinanziertes Modell. Nicht nur für Lkw, sondern auch für Pkw soll eine Maut erhoben werden, um dies zu finanzieren.

Ich sage es sehr klar: Wir PIRATEN unterstützen den Bau der A 20, aber wir sind gegen die Privatisierung des Straßenbetriebs, die Sie anstreben.

(Beifall PIRATEN)

Gerade in Schleswig-Holstein haben wir mit ÖPPModellen sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ich nenne als Beispiel die Sylter Keitum-Therme, die heute eine millionenschwere Bauruine ist. Ich nenne das Partikeltherapiezentrum. Dort ist inzwischen der Investor Siemens ausgestiegen. Die Kosten bleiben bei uns hängen. Ich nenne weiterhin den Lübecker Herrentunnel, bei dem die Nutzerzahlen gegenüber den Planungen eingebrochen sind, während die Kosten immer weiter steigen.

(Beifall PIRATEN und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Probleme von ÖPP-Projekten sind doch längst bekannt. Sie haben höhere Finanzierungskosten,

weil ein privater Investor höhere Zinsen als der Staat zahlen muss. Sie haben hohe Transaktionsund Beratungskosten. Sie haben weiterhin ein Insolvenzrisiko. Der Betreiber kann pleitegehen; ich nenne den Fall Nürburgring.

Der Bundesrechnungshof hat bei seinen Prüfungen festgestellt, dass die Einnahmeprognosen der privaten Bieter um bis zu 75 % über denen des Bundes lagen. Mit Blick darauf gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Investor rechnet richtig, dann haben wir einen riesigen Einnahmeausfall. So etwas privat zu vergeben, ist dann ein riesiges Verlustgeschäft für den Staat. Oder der Investor rechnet falsch, während der Bund richtig rechnet. Dann geht der Investor pleite, und die Kosten bleiben doch an uns hängen. So kann es nicht funktionieren.

Die niedersächsische Behörde für Straßenbau hat für die A 7 ausgerechnet, dass eine öffentliche Finanzierung bis zu 60 Millionen € günstiger wäre. Als dieses Gutachten an die Öffentlichkeit drang, hat man schlichtweg die Präsidentin der Behörde abgesetzt, weil diese Berechnungen missliebig waren.

Das britische Unterhaus hat in einer Untersuchung festgestellt, dass eine Verschuldung über öffentlich-private Partnerschaften bis zu 1,7-mal teurer als eine Finanzierung durch staatliche Investitionsverschuldung ist.

Das kann doch nur heißen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese ÖPP-Straßenbaumodelle dienen in Wahrheit dazu, sich zu horrenden Kosten von der Schuldenbremse freizukaufen. Der einzige Grund, dieses Modell privat zu finanzieren, liegt darin, dass sie wegen der Schuldenbremse nicht aus öffentlichen Haushalten realisierbar sind. Dazu nehmen Sie horrende Mehrkosten in Kauf. Das kritisiert der Bund der Steuerzahler zu Recht.

(Zuruf Uli König [PIRATEN])

Herr Arp, jetzt hören Sie zu: Die Verbände der mittleren und kleinen Bauunternehmen beschweren sich inzwischen längst darüber, dass es gerade bei ÖPP-Projekten im Fernstraßenbau eine systematische Benachteiligung von kleinen Unternehmen gibt. Sie dient nämlich nur den großen Unternehmen.

Die Praxis dieser Modelle ist erschreckend. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wurden von privaten Beraterfirmen erstellt. Der Bundesrechnungshof hat festgestellt - ich zitiere -:

„Zum Teil waren die Grenzen zwischen Beratung und Lobbying fließend.“

(Christopher Vogt)

Die Rechnungshöfe haben bei ÖPP-Modellen immer wieder herausgefunden, dass sie in der Nachbetrachtung wesentlich schlechter abgeschnitten haben, als im Vorhinein kalkuliert war.

Hinzu kommt: Diese dubiosen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von privaten Beratungsfirmen werden geheim und unter Verschluss gehalten. Niemand kann sie nachprüfen. Selbst Abgeordnete können sie nur unter dem Siegel der Vertraulichkeit einsehen und dürfen sich bei ihrer Prüfung nicht beraten lassen.

Der Bundesrechnungshof hat dieses F-Finanzierungsmodell des Elbtunnels bis heute nicht geprüft, wie er auf meine Anfrage hin mitgeteilt hat. Die Voruntersuchung, die von einer Finanzierbarkeit dieses Modells ausgeht, nimmt an, dass eine höhere Maut eingenommen wird als in den ersten Untersuchungen prognostiziert wurde. Gleichzeitig kommt nach der Voruntersuchung kein höheres Verkehrsaufkommen zustande. Wie absurd ist das denn? Das kann doch gar nicht sein!

Ich fordere ganz klar eine unabhängige Untersuchung der Wirtschaftlichkeit dieses Vorschlags vonseiten des Bundesrechnungshofs und die vollständige Offenlegung aller Kalkulationen und Planungen. Die Wahrheit ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dass Ihr Unionskollege, Verkehrsminister Ramsauer, schon längst für die Einführung einer Pkw-Maut auf allen Straßen ist. Die Kanzlerin hat ihn im Vorwahlkampf zurückgepfiffen. Sie wollen über diese privaten Projekte eine Pkw-Maut durch die Hintertür einführen.

(Zuruf PIRATEN: Unglaublich!)

Das mache ich nicht mit.

(Zuruf CDU: Sie werden auch nicht gefragt! - Weitere Zurufe)

Die „Möchtegern-Steuersenkungspartei“ FDP tritt hierbei tatsächlich für eine neue Pkw-Maut ein.

(Christopher Vogt [FDP]: Was?)