Protokoll der Sitzung vom 23.08.2013

Wir kommen zu der Abstimmung in der Sache. Ich schlage vor, abweichend von der Geschäftsordnung, den vorliegenden Änderungsantrag zu einem selbstständigen Antrag zu erklären. - Widerspruch sehe ich nicht.

Ich lasse zunächst über den Antrag der FDP-Fraktion, Drucksache 18/1036, abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Fraktionen von

SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeordneten des SSW und der Stimmen von drei Abgeordneten der Piratenfraktion bei Gegenstimmen der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion und bei drei Enthaltungen von Abgeordneten der PIRATEN abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/1088. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Folgen und Konsequenzen aus dem Gutachten zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1031

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht der Landesregierung in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so angenommen.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Andreas Breitner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs geht in eine entscheidende Phase. Vor einem Jahr haben wir mit dem Vorhaben begonnen. Seitdem haben wir mit den kommunalen Vertretern die Reformnotwendigkeiten und alle denkbaren und möglichen Stellschrauben diskutiert. Das war vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Haus, aber auch für die der kommunalen Landesverbände schon bisher ein hartes Stück Arbeit.

Zur Erinnerung: Die letzte FAG-Reform liegt 40 Jahre zurück. Das FAG enthält mit der Zonenrandförderung noch Relikte aus dem Kalten Krieg, und Zeitzeugen, die die Geldflüsse im jetzigen System erklären könnten, sind nicht mehr auffindbar.

Ziel der Landesregierung ist es, einen kommunalen Finanzausgleich zu konstruieren und zu schaffen, der effizient und transparent ist und der akzeptiert wird.

(Beifall SPD)

- Für das Klatschen lasse ich gern eine kleine Pause. - Mir ist klar, dass der letzte Punkt der schwierigste Punkt ist, wenn es im Einzelfall um mehr oder weniger Geld geht. Der Reformbedarf an sich wird unter Fachleuten aber von niemandem bestritten. Am Ende der Reform wird jedoch klar sein, welche Gemeinde, welche Stadt und welcher Kreis nach der Reform weniger hat als vor der Reform. Das steigert zugegebenermaßen nicht die Akzeptanz. Die Alternative, nichts zu tun, ist aber keine Alternative.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann müssten wir alles so lassen, wie es ist. Das will keiner.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb war uns wichtig, dass der Dialog offen und zusammen mit den kommunalen Vertretern geführt wurde und dass es keine Vorfestlegungen gab. Letzteres gilt auch für die Gutachtenvergabe. Der Gutachtenauftrag war offen formuliert, und er war ohne jede Vorfestlegung. Liebe Damen und Herren Abgeordnete, die Leistungsbeschreibung kennen Sie aus meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Frau Abgeordneten Nicolaisen vom 21. März 2013.

Die Gutachtenvergabe selbst geschah unabhängig und transparent durch die GMSH. Mit dem Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung hat ein unabhängiges und renommiertes Forschungsinstitut den Zuschlag erhalten. Gutachtenauftrag und Gutachtenvergabe geschahen unter enger Einbeziehung der kommunalen Landesverbände. Auch die Methodik wurde mit den Gutachtern und den kommunalen Vertretern ausführlich diskutiert. Die Kommunen konnten noch während der Gutachtenerstellung jede Frage und jede Anregung an die Gutachter richten. Die Gutachter haben ihre Ergebnisse im Beirat vorgestellt. Das Gutachten selbst ist im Internet veröffentlicht.

Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass dann, wenn die Inhalte nicht gefallen, zunächst die Form kritisiert wird. Zu unserem Verfahren möchte ich deshalb ausdrücklich feststellen: Offener und transparenter geht es nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Kommen wir zu den inhaltlichen Fragestellungen: Auftrag des Gutachtens war, die prozentuale Dotierung der Teilschlüsselmassen am verfassungsmäßigen Auftrag des kommunalen Finanzausgleichs auszurichten.

Nach dem begründeten Vorschlag der Gutachter sollte es auch im neuen Finanzausgleichsgesetz unverändert drei Teilschlüsselmassen geben: je eine für Gemeindeaufgaben, für Kreisaufgaben und für übergemeindliche Aufgaben. Dieses Modell, das in vielen Ländern Anwendung findet, orientiert sich in sehr geeigneter Weise an den kommunalen Aufgaben. Innerhalb dieser Systematik haben die Gutachter die Nettozuschussbedarfe der einzelnen Aufgaben ermittelt und für die drei Teilschlüsselmassen ins Verhältnis gesetzt.

Das Ergebnis des Gutachtens kennen Sie. Während die Teilschlüsselmassen für Gemeindeaufgaben und übergemeindliche Aufgaben ansteigen sollen, soll die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben sinken. Die Gutachter sprechen sich also für eine Stärkung der gemeindlichen Ebene aus. Sie stellen fest, dass deren Beitrag zur kommunalen Infrastruktur - wie für Kultur, Straßen, Plätze, Wege, Schule, Kita - im alten System nicht ausreichend honoriert wurde.

Eines ist mir dabei wichtig. Immer wieder geäußerte Spekulation, mit dem Gutachten solle quasi von hinten durch das Knie geschossen eine Gebietsreform vorbereitet werden, sind damit gleich vom Tisch. Auch von einer Schwächung des ländlichen Raumes kann überhaupt keine Rede sein. Gemeinden und Städte sind zusammen das Land, und zwar flächendeckend.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Gutachter schlagen vor, dass der ländliche Raum einschließlich der Entlastung aus der Grundsicherung sogar mehr Geld bekommt. Die Kritik des Landkreistages nehme ich sehr ernst. Aber bei aller Wertschätzung für Kreisverwaltungen, ein Kreishaus allein - das ist der Absolutheitsanspruch, mit dem dort diskutiert wird - ist nicht der ländliche Raum. Kreise bestehen aus Gemeinden und Städten. Für eine verantwortliche Bewertung aus den Kreisen sollte daher maßgeblich sein, wie die Gesamtbilanz in der Kreisfläche ausfällt.

Auch für eine pauschale Erhöhung der Kreisumlage gibt das Gutachten keine Grundlage.

(Minister Andreas Breitner)

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tobias Koch?

Gern.

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Minister. Sie führten gerade aus, die Gutachter würden vorschlagen, dass der ländliche Raum einschließlich der Übernahme der Kosten für die Grundsicherung sogar mehr Geld bekommen würde. Da musste ich jetzt einen Augenblick darüber nachdenken und frage mich: Warum müssen die Gutachter etwas vorschlagen, was die Bundesregierung bereits beschlossen hat?

Die Bundesregierung hat in einem Gesamtpaket eine Neuregelung der Grundsicherung vorgenommen.

(Tobias Koch [CDU]: Eben!)

Das ist richtig. Ich stelle nur fest, dass das zu einer Entlastung der Kommunen in Schleswig-Holstein führen wird. Darüber hinaus gibt es aber auch Verteilungsvorschläge der Gutachter, die mit der Grundsicherung selbst nichts zu tun haben. Ich glaube nur, man muss diese Entlastung der Grundsicherung kennen. Wenn wir im Jahr 2015 in die neue Grundsicherung gehen, dann wird es am Ende zu einer Gesamtbilanz der Finanzen der Kommunen kommen, und dann werden die Kommunen zeitgleich mit dem Finanzausgleichsgesetz auch eine erhebliche Entlastung der Grundsicherung erfahren. Ich glaube, das passt zu diesem Prozess.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Koch?

Eine letzte, gern, Herr Koch.

Bitte schön.

Danke schön. - Das heißt, Sie würden mir zustimmen, die Entlastung der Kommunen erfolgt nicht auf Empfehlung des Gutachtens, sondern durch bereits erfolgten Beschluss der Bundesregierung zur Übernahme der Kosten der Grundsicherung?

Die Entlastung der Kommunen bei dem Punkt Grundsicherung erfolgt durch die Beschlüsse der Bundesregierung, das ist richtig.

Auch für eine pauschale Erhöhung der Kreisumlage - ich fange da noch einmal an - gibt das Gutachten keine Grundlage. Die Teilschlüsselmasse der Kreise richtet sich in der neuen FAG-Welt nach den Aufgaben, die sie auch tatsächlich finanzieren müssen. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird künftig vom Bund übernommen, Herr Abgeordneter Koch, ist also nicht mehr von den Kreisen zu finanzieren. Das bedeutet eine Entlastung der schleswig-holsteinischen Kreise von rund 70 Millionen €, wohlgemerkt pro Jahr. Da wir die Aufgaben nicht doppelt finanzieren müssen und da wir auch Aufgaben nicht doppelt anrechnen können, haben die Gutachter diese Entlastung völlig zu Recht bei der Berechnung der Teilschlüsselmassen berücksichtigt, das heißt, die 70 Millionen abgezogen - logisch, nachvollziehbar und richtig und auch ein Nullsummenspiel für die Kreise.

Da ich die Unruhe bei den Kreisen aber, wie gesagt, nachvollziehen kann, habe ich den Landräten und Kreispräsidenten das Angebot gemacht, sie in den nächsten zehn Tagen vor Ort in ihren Kreisen persönlich über das Gutachten zu informieren. Die Termine sind gemacht. Ich freue mich auf konstruktive Gespräche.

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dornquast?

Gern.

Herr Abgeordneter.

Eine Verständnisfrage. Haben Sie dabei auch bedacht, dass die kreisfreien Städte auch als Kreise entsprechend zu behandeln sind und die Entlastung durch die Grundsicherungsgesetzgebung auch den kreisfreien Städten zugute kommt?

Ja, Herr Abgeordneter Dornquast, das ist berücksichtigt.

(Volker Dornquast [CDU]: Danke schön!)

Die Termine für meine Kreisbereisung sind gemacht. Ich freue mich auf konstruktive Gespräche. Gestern habe ich mit dem Geschäftsführer des Landkreistages und dem Vorsitzenden, Landrat Sager, gesprochen. Bei allem Rollenverständnis - ich würde es als Vertreter des Landkreistages im Moment nicht anders machen - für die Interessen eines Verbandes: Wir setzen uns jetzt erst einmal zusammen und diskutieren über das Gutachten. Auf der Basis des Gutachtens und der Gespräche mit den Kreisen und natürlich auch den Gemeinden und den Städten werden wir Ende September 2013 im Kabinett über den Gesetzentwurf befinden. Erst auf dieser Grundlage sind dann verlässliche Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen möglich.