und was der Innenminister bisher verhindert hat, indem er nämlich alle an einen Tisch geholt hat. Ich finde, das ist nicht besonders verantwortungsbewusst, was Sie da machen.
Herr Innenminister, zunächst einmal vielen Dank für diesen Bericht. Auch in Ihren Ausführungen wurde deutlich, dass es notwendig ist, die kniffelige Aufgabe anzugehen, den kommunalen Finanzausgleich zu reformieren, ihn transparenter, effizienter und aufgabenorientierter zu gestalten. Niemand vor uns wollte dieses heiße Eisen anfassen. Deshalb ist der kommunale Finanzausgleich in seiner Struktur seit Jahrzehnten unverändert. Er wurde nur fortgeschrieben. Zu welchen Konsequenzen eine zu lange Fortschreibung ohne grundsätzliche Neubewertung führt, haben wir gerade an den Zensusergebnissen gesehen.
Wir müssen dringend handeln. Das belegen das FAG-Gutachten und auch der vor einigen Tagen erschienene Kommunalreport der BertelsmannStiftung. Der Report ist alarmierend. Die Regionen entwickeln sich immer weiter auseinander, trotz Steuererhöhung in den kreisfreien Städten steigen die Schulden. Und das liegt nicht daran, dass diese Städte nicht mit Geld umgehen könnten. Weder das Bertelsmann-Gutachten noch das NIW-Gutachten geben hierfür Anhaltspunkte. Nein, das Hauptproblem liegt beim geringen Steuerpotenzial in verschiedenen Kommunen verbunden mit den vielen Aufgaben, besonders im Sozialbereich.
Die Strukturen in unserem Land haben sich seit den 70er-Jahren deutlich verändert. Das sehen wir zum Beispiel bei Familienkonstellationen, bei Bevölkerungsstrukturen und bei der Arbeitssituation. Da kommen wir mit dem veralteten, intransparenten kommunalen Finanzausgleich, der noch die Zonenrandförderung beinhaltet, und bei dem überhaupt nicht klar ist, nach welchen Kriterien das Geld verteilt wird, nicht weiter. Die Welt hat sich auch in Schleswig-Holstein verändert. Da kann der kommunale Finanzausgleich nicht so bleiben, wie er immer schon war. Wir wagen die Reform. Minister Breitner hat auf diesem Weg gemeinsam mit der kommunalen Familie schon ein gutes Stück geschafft.
Nun zum Gutachten. Die Methodik basiert auf harten Fakten statt auf fiktiven Ansprüchen. Dagegen kann auch die CDU nicht argumentieren. Sie, liebe CDU, haben erwartet, das Ergebnis wäre eine Kürzung bei den ländlichen Gemeinden. Jetzt sind Sie
enttäuscht, dass Sie die Gemeinden nicht gegen uns aufbringen können, und konzentrieren sich auf Verfahrensfragen rund um das Gutachten sowie auf die Kreise.
Diese Strategie finde ich durchsichtig. Wir werden auch nach dem neuen FAG mitnichten einen blutleeren ländlichen Raum haben. Das Gutachten ist die Basis für das neue FAG. Bis zum Inkrafttreten eines neuen Finanzausgleichsgesetzes ist es noch ein langer Weg.
Aber aus unserer Sicht weist das Gutachten in die richtige Richtung. Denn es orientiert sich an bestehenden Aufgaben. Was sagt das Gutachten? - Zu erwarten war, dass die übergemeindlichen Aufgaben einen größeren Teil ausmachen als bisher. Das bestätigt die grüne Forderung, dass eine Gemeinde, die zum Beispiel ein Schwimmbad oder ein Krankenhaus auch für das Umland bereitstellt, entsprechend ausgestattet sein muss. Hier geht es keinesfalls nur um die großen Städte. Auch viele Unterzentren können von der Reform profitieren.
Überrascht hat mich hingegen, dass die Gemeindeaufgaben höher zu Buche schlagen als bisher angenommen. Aufgrund der Daten erscheint es aber äußerst plausibel, denn sie spiegeln die Realität vor Ort wider. Die sieht so aus, dass eben viele Gemeinden sehr viel Geld in Schulen, Sportangebote und Kinderbetreuung stecken. Fest steht, auch Kreise und kreisfreie Städte leisten bei ihren spezifischen Aufgaben, den Kreisaufgaben, sehr viel.
Die Aufgabenanalyse hat ergeben, dass trotzdem der Topf für die Kreisaufgaben sinken kann. Ergänzend kommt aber für die Kreise und kreisfreien Städte eine neue Komponente hinzu.
Das Gutachten schlägt dazu etwas vor, was wir Grüne sehr befürworten, den Soziallastenausgleich. Das Geld wird nicht mehr einfach nur nach der Einwohnerzahl verteilt, sondern auch nach den tatsächlich bestehenden Aufgaben. Im Ergebnis, durch die Kostenübernahme des Bundes bei der Grundsicherung für die Kreise, Zuwendungen für Sozialleistungen und leichter Kürzung bei der Teilschlüsselmasse im kommunalen Finanzausgleich, stehen die Kreise insgesamt wahrscheinlich nicht schlechter da als bisher. Kreise mit hohen Sozialausgaben könnten von den Vorschlägen des Gutachtens sogar profitieren. Sie erhalten einen Ausgleich. Das ist gerecht und im Sinne der Landesverfassung, die fordert, eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen.
Doch wir können die besten Ideen nicht umsetzen, wenn jeder nur auf seinen eigenen Vorteil schaut. Ich würde es sehr bedauern, wenn die Hand, die Minister Breitner allen Beteiligten zum Gespräch ausstreckt, nicht von jedem Kreis angenommen wird. Wir sollten alle verhindern, dass sich Konfliktlinien verschärfen, bevor überhaupt ein Gesetzentwurf vorliegt. Die Neuaufstellung des kommunalen Finanzausgleichs ist für uns eine gute Bauanleitung, um die Finanzausstattung der Kommunen transparenter, effizienter und den Aufgaben folgend zu gestalten.
Ich fordere die Opposition auf, auf die Sachebene zurückzukehren und daran mitzuwirken, SchleswigHolstein zukunftsfähig aufzustellen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Strehlau, dieser Aufforderung bedarf es überhaupt nicht. Aus unserer Sicht ist der Auftrag aus Artikel 49 Abs. 1 unserer Landesverfassung völlig klar. Das Land soll mit dem kommunalen Finanzausgleich Mittel zur Verfügung stellen, „um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen“.
Ich finde es ebenso klar, dass man darüber auch sehr engagiert und unterschiedlich debattieren und streiten darf. Insofern ist an dem Auftrag des Innenministeriums an das NIW, eine aufgabenbezogene Betrachtung der erforderlichen Ausgaben vornehmen zu lassen, formal überhaupt nichts auszusetzen. Denn im Verfassungsauftrag geht es im Grunde darum, dass Ungleichheiten ausgeglichen werden sollen, für die die jeweilige Gebietskörperschaft nichts kann. Dies kann demnach ein soziologischer, ein ökonomischer oder auch ein geografischer Nachteil sein.
Im Rahmen des Auftrages hat das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsförderung durchaus handfeste und auch diskutable - aber diskutable heißt eben im Zweifel auch einmal strittige - Erkenntnisse zutage gebracht. Wenn also laut Gutachten beispielsweise die Ballung sozialer Problemlagen in einer
Stadt ursächlich für die unterschiedliche finanzielle Situation von Stadt und Land sind, dann ist das eine Erkenntnis, die besonders im Rahmen einer Reform des kommunalen Finanzausgleichs diskutiert werden muss. Das ist völlig klar.
Ich will übrigens an dieser Stelle nicht verhehlen, dass ich durchaus einmal Sympathie für die Idee geäußert habe, zum Beispiel die Kosten der Eingliederungshilfe im Zuge einer vollständigen Kommunalisierung mit in den kommunalen Finanzausgleich zu geben. Ob man das politisch richtig findet oder nicht, spielt keine Rolle. Ich will nur deutlich machen, dass das FAG selbstverständlich novelliert werden muss. Die Frage ist: Gibt es Gewinner, und gibt es Verlierer? Was haben die Verlierer im Zweifel dazu beizutragen, dass den vermeintlichen Gewinnern tatsächlich ein Gewinn entsteht? Ich finde es richtig, dass darüber engagiert gestritten wird.
Ich bezweifle aber, dass die Begründung ausreicht, um das Ausmaß der finanziellen Notlage jeder kreisfreien Stadt allein mit Nachteilen zu erklären. Kollege Harms nickt. Frau Kollegin Strehlau, wenn ich beispielsweise an die finanzielle Situation der Stadt Lübeck denke, glaube ich nicht, dass das ausschließlich auf bestimmte Nachteile zurückzuführen ist.
Nichtsdestotrotz kann man den Verfassungsauftrag aus Artikel 49 Abs. 1 anders verstehen, als es das Innenministerium getan hat, Herr Innenminister. Das jetzt vorliegende Gutachten orientiert sich nämlich hauptsächlich an den gegenwärtigen fiskalischen Parametern, in erster Linie also - das haben auch Sie in Ihrer Rede dargestellt - an den Sozialkosten.
Aus unserer Sicht - da sehen wir den größten Diskussionsbedarf - mangelt es an einer längerfristigen politischen Perspektive. Denn es kann durchaus auch ein Regelungsziel des kommunalen Finanzausgleichs sein, gleichwertige beziehungsweise gleichartige Lebensverhältnisse in Schleswig-Holstein anzustreben oder - wie es im aktuellen Kommentar zur Landesverfassung von Caspar/Ewer/ Nolte/Waack heißt - jedenfalls aber einem weiteren Auseinanderdriften der Lebensbedingungen in den unterschiedlichen Landesteilen entgegenzuwirken.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet, sich nicht nur an den derzeitigen städtischen Sozialkosten entlangzuhangeln. Es bedeutet aus unserer Sicht vielmehr, über das Mittel des Finanzausgleichs insgesamt dem demografischen Wandel
insbesondere in der sozialen Infrastruktur im ländlichen Raum mit geeigneten Maßnahmen Rechnung zu tragen.
Ich finde den Satz, das und das gehöre nicht in den Wahlkampf, nicht richtig. Wir sind dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl; irgendwie ist alles Wahlkampf. Dann lassen Sie uns im Zweifel nach der Bundestagswahl in den Fachausschüssen in Ruhe ernsthaft darüber diskutieren.
Wenn wir hier miteinander immer wieder bekunden, wie wichtig die Versorgung im ländlichen Raum, beispielsweise der Zugang zu ärztlichen und pflegerischen Leistungen, die soziale Infrastruktur insgesamt ist, dann muss man sich die folgende Frage stellen: Wenn man das Finanzausgleichsgesetz ändert und es tatsächlich massiv zulasten der Kreise gehen sollte mit dem Argument, die Städte hätte bestimmte soziale Aufgaben zu schultern - es besteht ja kein ernsthafter Zweifel, dass insbesondere die Städte mit sehr hohen sozialen Kosten belastet sind -, muss man sich fragen, ob man zu viel an der Schraube zulasten der sozialen Infrastruktur dreht, die wir in den Kreisen stützen und erhalten wollen, damit es nicht noch mehr Landflucht gibt. Das könnte eine Folge in dem Prozess sein, bei dem wir - so versteht es zumindest meine Fraktion - erst am Anfang sind.
Wie organisieren und gestalten wir den demografischen Wandel in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein mit Flächenkreisen? Ich will nur Nordfriesland, Dithmarschen und Steinburg nennen. Wie stellen wir sicher, dass in Zukunft sowohl die Oberzentren, die kreisfreien Städte ihren sozialen Verpflichtungen gerecht werden können, aber die Kreise bei den Sozialkosten nicht in eine Situation getrieben werden, dass es zu einer kompletten Entleerung der Flächenkreise kommt?
Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit. Ich glaube - das sage ich noch einmal -, dass wir erst am Anfang des Diskussionsprozesses stehen. Die Notwendigkeit zur Reform wird von uns nicht bestritten.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs stellt eine zentrale Säule der langfristigen Finanzplanung für das Land und die Kommunen dar. Eines möchte ich zuerst noch einmal deutlich machen: Wir reden über ein Gutachten. Ein Gutachten kann man bewerten und seine Schlüsse daraus ziehen. Entscheidend wird sein, wie der Gesetzentwurf der Regierung aussehen wird. Ich appelliere deswegen an alle Anwesenden, das Thema nicht auf dem Altar der anstehenden Wahl zu opfern.
Für uns PIRATEN wird in der folgenden Beratung eines entscheidend sein: Wir müssen die Förderung des ländlichen Raumes aktiv vorantreiben und sein schleichendes Aussterben verhindern.
Herr Breitner, es freut uns, dass auch Sie das erkannt haben, wie man Ihrer Pressemitteilung vom 9. August 2013 entnehmen kann. Wir können es uns an dieser Stelle nicht erlauben, durch voreilige Schlüsse oder einseitige Gutachten den Finanzierungsspielraum und damit auch den Handlungsspielraum der Gemeinden und Kreise auf Jahre hinweg derartig einzuengen, dass sie in ihrer Existenz bedroht werden. Hier sollten wir uns als Landtag ausreichend Zeit für eine ausführliche parlamentarische Beratung zu dem kommenden Gesetzentwurf nehmen.
Das Gutachten betrachtet - wie bereits mehrfach angeklungen - die horizontale Dimension, also die Verteilung unter den Kommunen, durch die Schlüsselzuweisungen. Hier kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass eine finanzielle Stärkung der Gemeindeaufgaben notwendig ist. Dies werden wir in den Beratungen ausführlich prüfen müssen.
Ich persönlich finde den Ansatz, die Verteilung der Mittel an die tatsächlichen Soziallasten zu knüpfen, begrüßenswert.
Das ist eine gerechtere Aufteilung, die sich an den tatsächlichen Bedarfsgemeinschaften anstelle der Einwohnerzahlen orientiert. Gemeinden und Städte mit besonders hohen Lasten werden somit entlastet.
Das Gutachten zeigt aber auch: Auch wenn wir die Bedarfsbestimmung noch so sachgerecht vernehmen - wenn wir es nicht schaffen, die Teilmasse angemessen zu bestimmen, kann keine hohe Augleichswirkung erzielt werden.
Wir müssen uns nicht nur über die Schlüsselzuweisungen Gedanken machen, sondern auch über die generelle Finanzierung der Kreise, kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städte aus den zur Verfügung stehenden Steuereinnahmen. Die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes darf nicht die einzige Diskussion sein. Wir müssen uns außerdem darüber unterhalten, ob Strukturen bestehen, die unwirtschaftlich sind. Genauso müssen wir darüber reden, welche Aufgaben unsere Gemeinden, Städte und Kreise tatsächlich übernehmen sollen.
Ich erwarte von der Landeregierung, dass sich diese entscheidenden Punkte in dem geplanten Gesetzentwurf wiederfinden und die Beratungen dann fortgesetzt werden. - Ich danke Ihnen.