Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1063
Anlasslose Speicherung und Überwachung elektronischer Daten unterbinden (PRISM, Tempo- ra, Vorratsdatenspeicherung)
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Uli König von der Fraktion der PIRATEN das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne! Die USA und Großbritannien haben den Kampf gegen den Terrorismus verloren.
Der Kollege Dolgner schlug mir gerade vor, ich solle an dieser Stelle die Debatte für beendet erklären.
Die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien wollen sich und die sogenannte freie westliche Welt vor Terrorismus schützen und haben dabei die gesamte Welt in digitale Geiselhaft genommen.
Jeder Mensch, der sich technischer oder anderer Kommunikationsmittel bedient, wird ohne Rücksicht auf Freund und Feind verdächtigt und überwacht. Neben der Sammelwut innerhalb des Internetverkehrs im eigenen Staat machen GCHQ und NSA auch vor Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union nicht halt und hören diese ab. Die angloamerikanischen Überwachungsfetischisten haben sich damit sinnbildlich selbst ein Gefängnis gebaut und darin eingesperrt. Ich bin versucht, ihnen durch die selbst gebauten Gitterstäbe eine Feile zu stecken, damit sie sich befreien mögen.
Durch die staatlichen Stellen in den USA und in Großbritannien, ihre Geheimdienste und ihre Hilfswilligen in anderen Nationen werden systematisch und oftmals willkürlich Angst und Schrecken verbreitet, um Menschen in ihren Grundrechten einzuschränken und sie gefügig zu machen.
Damit wird unter anderem die staatliche Überwachung ganzer Nationen gerechtfertigt. Staatliche Überwachung, das haben wir aus der deutschen Vergangenheit gelernt, äußert sich maßgeblich darin, dass abweichendes - das heißt: anderes - Verhalten erfasst und sanktioniert wird. Das Bundesverfassungsgericht muss leider immer wieder klarstellen, dass das Anderssein der Kerngehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist.
Internationale Vereinbarungen - seien es Freihandelsabkommen, das Safe-Harbor-Abkommen oder andere Verträge - tragen heute nur selten dafür Sorge, dass unser Rechtsschutz auch gegenüber anderen Vertragspartnern gewahrt wird. Wir haben in Schleswig-Holstein, in Deutschland einen hohen Grundrechtsstandard, auf den wir zu Recht stolz sein können.
Mal nebenbei: Die Ausspähprogramme PRISM und Stellar Wind haben es so weit getrieben, dass das Freihandelsabkommen mit den USA auf wackeligen Beinen steht. Wir Bürger haben von diesem Freihandelsabkommen mittlerweile nichts mehr, außer dass wir immer mehr Daten preisgeben und Rechte aufgeben müssen. Wir müssen also aufpassen, dass nicht auch wir gegen den Terror verlieren. Dazu bedarf es einer wehrhaften Demokratie mit freien und mündigen Bürgern.
Dazu bedarf es Vorkehrungen auf formeller Ebene. Ansonsten lassen wir uns den Standard von denjenigen Ländern definieren, die im sogenannten Kampf gegen den Terror bereits verloren haben, weil sie ihre Werte aufgegeben haben.
Was ist nun also zu tun? Ein kurzfristig vorgelegter Bericht der Landesregierung sollte nach der durch dieses Haus leider überflüssigerweise verschleppten Behandlung des Themas aufgrund mangelnden Problembewusstseins kein Problem sein. Die nahende Wahl, das Scheitern des Todschweigens und das Für-beendet-Erklären à la Pofalla haben allerdings hilfreiche Dienste geleistet. Witzigerweise haben die unbedarften Bemühungen der Bundespolitiker dazu geführt, dass die Umfragewerte der PIRATEN gestiegen sind.
Zurück zur Landesregierung. Ich bin sicher, dass die Landesregierung nur die mittlerweile ohnehin schon gesammelten Daten ein wenig aufbereiten muss. Alles andere würde bedeuten, dass sie auch über zwei Monate hinweg noch nicht begonnen hat, tätig zu werden. Das alles wäre eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung.
Die Koalition hat mit ihrem Änderungsantrag den ersten richtigen Schritt gemacht. Ich frage mich daher, warum die Aufklärung nur auf Bundesebene stattfinden soll. Wenigstens eine aktive Einbindung der Bundesländer hat stattzufinden. Das wäre nur konsequent.
Der von der CDU und der FDP geforderte Fortschrittsbericht ist ziemlich schwach. Er zeigt nur, wie unwichtig der Bundeskoalition die Bürgerrechte und die Grundrechte sind.
Bürger- und Grundrechte werden in diesem Bericht nur ein einziges Mal erwähnt und dann auch noch im Zusammenhang mit einer unkonkreten Forderung. Der Bericht zeigt deutlich, dass die Bundesregierung die Überwachung der Bürger in Ordnung findet, solange keine politische oder wirtschaftliche Spionage stattfindet. Innovative Ideen, freiheitliche Gedanken: Fehlanzeige.
Soweit sich die FDP gegen anlasslose Datenspeicherungen ausspricht, können wir natürlich nur zustimmen, Herr Kubicki. Ich hoffe, dass Kollege Kubicki diesen Gedanken in den Bundestag tragen und seine Partei diese Gedanken nicht für eine Regierungsbeteiligung verkaufen wird.
Ich komme zum Schluss: Es gibt eine Menge zu tun. Lassen Sie uns damit anfangen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir wieder ohne Angst vor einer Totalüberwachung miteinander kommunizieren können, wie es sich gehört. Lassen Sie nicht auch uns gegen den Terrorismus verlieren. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geheimdienste sind ein notweniger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur eines jeden souveränen Staates. Das Wesen von Geheimdiensten liegt nun einmal in der Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit. Ansonsten wären es Nachrichtenagenturen. Gerade bei Diensten, die sich für eine offene parlamentarische Kontrolle nicht eignen, stellt die Kontrolle ihrer Arbeit durch die Parlamente eine besondere Herausforderung dar. Eine effektive Kontrolle von Nachrichtendiensten ist aber nur dann möglich, wenn man das grundsätzlich Vertrauliche ihrer Arbeit auch als Parlamentarier akzeptiert und nicht der Versuchung unterliegt, Informationen - beispielsweise aus vertraulichen Sitzungen - unter dem Deckmantel der Transparenz, in Wahrheit aber nur aus Sensationsgier und zur eigenen Profilierung, in die Welt zu blasen.
Wenn man versteht, dass Nachrichtendienste ein scharfes und potenziell auch zweischneidiges Schwert sind, dann sind wir als Parlamentarier gut beraten, ihre Kontrolle sehr ernst zu nehmen. Dabei muss man auch die Situation aushalten, dass man - im Unterschied zu anderen Themen - die gegenüber einem Parlamentarier hergestellte Transparenz nicht eins zu eins gegenüber der Öffentlichkeit herstellen kann. Umso wichtiger ist es, durch sachlichen Umgang mit nachrichtendienstlichen Themen die Akzeptanz in der Bevölkerung für die wichtige Tätigkeit der Dienste zu stärken.
Das gilt im Grundsatz auch für die an Recht und Gesetz gebundene Tätigkeit von Diensten verbündeter Staaten wie den USA oder Großbritannien. Auch diese Dienste arbeiten unter parlamentari
scher und juristischer Kontrolle, auch wenn diese nach US-Recht oder in Großbritannien anders organisiert sind als bei uns.
Zu den Anträgen der PIRATEN und der rot-grünblauen Landtagsmehrheit ließe sich kurz sagen: Prima, dass Sie alle die Arbeit der Bundesregierung unterstützen und das einfordern, was in dem schon genannten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zum besseren Schutz der Privatsphäre Grundlage des Regierungshandelns von CDU/CSU und FDP ist. Sie können insofern dem Antrag der CDU, der das explizit feststellt, mit gutem Gewissen zustimmen.