Frau Klahn, mögen Sie zur Kenntnis nehmen, dass gerade durch die Hattie-Studie, die Sie erwähnt haben, festgestellt worden ist, dass auch die Lehrerausbildung unbedingt angepackt werden muss und dass diese Ministerin diesen dicken Knoten - 2007 ist das Schulgesetz gemacht worden, jetzt haben wir eine Neuordnung in der Lehrerbildung zumindest in greifbarer Nähe - durchgeschlagen hat und dass das eine der Konsequenzen aus der Hattie-Studie ist? Auch der Topf für Fortbildungen wird sich erhöhen. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen oder kommentieren oder was auch immer?
Liebe Frau Kollegin Erdmann, über die Änderung der Ausbildung der Lehrer können wir uns in einem gesonderten Tagesordnungspunkt gern unterhalten. Auch dort haben wir eine andere Auffassung als Sie.
Meine Damen und Herren, zu dem Thema Personal- und Planstellen hat die Kollegen Heike Franzen deutliche Worte gefunden. Wenn Sie den Dialog ernst genommen hätten, hätten Sie gehört, was Ihnen die Lehrkräfte zu dem sagen, was Sie mit dem Schulgesetz wollen: Zwangsinklusion, zwangsweise binnendifferenzierter Unterricht und der fachliche Anspruch fallen komplett hinten runter. Erkenntnisse aus der ausführlichen Beratung zum Thema Flexibilisierung zum Einschulungsalter finden ebenfalls keinen Einzug ins Schulgesetz. Für mich sieht das so aus, als ob man den Dialog als Monolog bezeichnen kann. Das kann es nicht sein.
Grundsätzlich ist für uns akzeptabel, dass Regional- und Gemeinschaftsschulen zusammengeführt werden. Das hat seinerzeit bereits unser Bildungsminister Dr. Klug so formuliert. Es war uns aber dabei immer wichtig, dass die Unterrichtsorganisation und Lerngruppenbildung eine originäre Aufgabe der Schulen ist und nach pädagogischen Erkenntnissen, Erfordernissen, Möglichkeiten vor Ort zum Wohle der Schülerinnen und Schüler erfolgt. Sie aber greifen mit Ihrem Gesetzentwurf politisch in die Selbstorganisation von Schule ein. Zugang zu einer vielfältigen Bildungslandschaft und Chancengerechtigkeit sehen aus meiner Sicht anders aus.
Sie nehmen mit diesem Entwurf den Gymnasien die Möglichkeit, G 9 oder G Y anzubieten, und Sie entfernen es grundsätzlich aus dem Schulgesetz. Dazu haben wir viele Debatten geführt. Ich frage mich, wovor Sie Angst haben, da Sie den Schulen diese Möglichkeit jetzt verbauen. Ich sehe kein einziges bildungspolitisches Argument dafür. Während alle anderen Länder, zuletzt Niedersachsen, sich Richtung G 9 und G Y bewegen, schaffen wir eine bestehende Möglichkeit ab. Das ist mir wirklich unverständlich. Schauen Sie im Internet nach, es gibt rauf und runter - viele Namen und Initiativen von SPD-Kollegen. Vielleicht tauschen Sie sich einmal aus.
Gleiches gilt für die abschlussbezogenen Klassen. Die Ergebnisse der Vergleichsstudien zeigen, dass die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg Spitzenreiter in unserem Bildungssystem sind. Differenzierter Unterricht ermöglicht bessere individuelle Förderung. Ich wiederhole an dieser Stelle auch die Worte des Bildungsforschers Jürgen Baumann, dass es keine belastbare Studie gebe, die bestätige, dass längeres gemeinsames Lernen sinnvoll sei. Die KESS-Studie unterstreicht das.
Wer auf Basis von Regionalschulen inhaltlich Gemeinschaftsschulen zwangsumwandelt, der experimentiert mit dem Wohl unserer Kinder. Das, was Sie von der Bildungskonferenz dargestellt haben die Frage der Regionalschulvertreter -, war Resignation nach dem Motto: Wir haben eh keine Chance, es wird gemacht, wie es wird.
Mir bleibt der fade Eindruck, dass die Ergebnisse der Bildungsforschung für diese Regierung keine Rolle spielen. Es wird gemacht, was man für richtig hält, egal welche Auswirkungen es auf die Schülerinnen und Schüler hat.
So kritisiert auch der Gemeindetag zu Recht die überstürzte Umsetzung. Hohe Kosten, Investitionsruinen und unfaire Bedingungen für Schulträger. Noch einmal zur Klarstellung: Wir setzen uns dafür ein, beide Schulformen - Regional- und Gemeinschaftsschulen - zusammenzuführen, aber bitte behutsam und in ihrer jeweiligen Unterrichtsorganisation.
Der weitere kritische Punkt ist die Zementierung der Oberstufen an Gemeinschaftsschulen. Ihre Politik verschärft unnötig den Konkurrenzkampf zwischen den Schulen.
(Beate Raudies [SPD]: Aha! - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD] - Christopher Vogt [FDP]: Wir können die ja alle privatisieren, Herr Kollege!)
Im Ergebnis wird die Profilvielfalt eingeschränkt, wertvolle Lehrerressourcen werden verschwendet, obwohl wir sie zum Beispiel an den kleineren Grundschulen dringend brauchten.
Es erfordert erhebliche Investitionen der Kommunen, die durch die Reform des FAG auch nicht wirklich über üppige Kassen verfügen.
Ihre Argumentation zum Bedarf von zusätzlichen Oberstufen kann ich an dieser Stelle auch nur bedingt nachvollziehen. Wir reden hier über Schülerinnen und Schüler, die in der Oberstufe in der Regel 15, 16, 17 Jahre alt sind, also keine kleinen Grundschüler, für die das Motto gilt: kurze Beine, kurze Wege. Wir reden über junge Menschen, die an der Schwelle zum Eintritt in das Berufsleben stehen. Diese jungen Menschen suchen sich ihre Schule nach den Profilen für ihre weitere berufliche Entwicklung aus und nicht unbedingt danach, ob sie vor Ort ist. Natürlich ist „vor Ort“ eine Entscheidung, natürlich ist „vor Ort“ auch eine Standortentscheidung. Das hat die Kollegin Franzen ausgeführt. Deswegen aber zu sagen, jede Schule bekommt eine Oberstufe, und wir haben deswegen überall nur noch zwei Profile - das wäre dann das sprachliche und das mathematisch-naturwissenschaftliche - geht zulasten des zum Beispiel so gern genommenen Profils Sport. Ganz schlicht und einfach: Darauf haben Sie keine Antwort.
Dazu planen auch Sie, dass eben nicht jede Gemeinschaftsschule eine Oberstufe bekommt. Das heißt, wir bekommen bei den Gemeinschaftsschulen doch ein Zweiklassensystem: mit und ohne Oberstufe. Das ist wieder eine Situation, bei der Sie durch die kalte Küche Politik machen und Strukturpolitik betreiben. Denn wenn die Schulen
direkt nebeneinander stehen, dann hat doch die Schule ohne Oberstufe wahrscheinlich die schlechteren Karten und wird geschlossen. Ist das Ihre Zielsetzung?
Nicht alles ist schlecht. Grundsätzlich begrüßen wir den Weg der Kooperationen zwischen den Schulen, das betone ich. Hier werden die Schulen von der Landesregierung letztlich aber auch wieder alleingelassen. Das Problem ist im Entwurf richtig beschrieben, aber trotz Kooperationsvereinbarung müssen Schulen unserer Landesverfassung entsprechend Schüler nach dem Leistungsprinzip aufnehmen. Das ist richtig, könnte aber dann zum Problem werden, wenn Schulen aufgrund von begrenzter Raumkapazitäten in Schwierigkeiten kommen, weil sie die Ansprüche nicht bedienen können. Anstatt hier Hilfe zu geben, wird aufgeführt, warum auf keinen Fall das Konnexitätsprinzip gilt. Folge könnte sein, dass Schulträger aus Sorge vor möglichen Rechtsstreitigkeiten die Kooperation vermeiden. Das könnte insbesondere für berufliche Schulen und für die beruflichen Gymnasien ein Problem werden. Gerade sie sollten Hauptpartner sein. Denn sie sind recht gut aufgestellt.
Wenn nach jetzigem geltenden Gesetz ein überdurchschnittlicher Realschulabschluss, also ein Notendurchschnitt von 2,4, für die Aufnahme an einem beruflichen Gymnasium notwendig war, reicht zukünftig ein vorrangig durch Prüfung erworbener Mittlerer Schulabschluss. Ich lese das so: Wer künftig auf ein berufliches Gymnasium wechseln möchte, kann das. Noten sind unerheblich. Damit reduzieren Sie den Leistungsanreiz an den Schulen. Sie entwerten die beruflichen Gymnasien auf diese Art und Weise zu Einheitsschulen. Da haben Sie Ihr Signalwort.
Zur Umbenennung der Schulabschlüsse finde ich den Eifer der Ministerin beachtlich. Er gipfelt aber in einer unausgegorenen Umbenennung der Abschlüsse. Die Benennung ist in sich völlig unsystematisch: Berufsbildungsreife, Mittlerer Schulabschluss und Abitur. Wo ist da der Zusammenhalt? Es baut nichts aufeinander auf.
verloren. Es wird etwas suggeriert, was in der Realität von zukünftigen Ausbildungsfirmen anders gesehen wird. Wenn Sie mit der Handwerkskammer und den Verbänden sprechen, hören Sie, dass viele Firmen viele Schüler für nicht unbedingt ausbildungsreif halten, weil ihnen zum Beispiel die Kenntnisse in Mathematik und Deutsch fehlen.
Sie stellen allein die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Schulabgänger in den Mittelpunkt, orientieren sich dabei an den Bildungsverlierern aller bundesweiten Vergleichsstudien, und es passt in die Linie, Bildungsziele abzuschaffen.
So kann man die Ankündigung der Ministerin, die Qualität der Abschlüsse zu ändern, nur als Drohung auffassen. Es steht zu befürchten, dass die Bildungsqualität in diesem Land völlig nivelliert wird. Anstatt sich an den Besten zu orientieren, orientieren wir uns an den Schlechtesten.
Die Schulgesetzreform der Großen Koalition aus dem Jahr 2007 war ein großer Fehler. Damals wurden tiefe Wunden in unser System geschlagen, weil Ideologie und faule Kompromisse wichtiger waren, als unsere Schulen mit Rahmenbedingungen zu versehen,
Wir Liberale haben mit unserem Schulgesetz versucht, diese Wunden zu heilen. Stärkung der Wahlfreiheit und Eigenverantwortlichkeit waren unsere Maxime. Niemand wurde zu etwas gezwungen, und eine vielfältige Schullandschaft hatte die Freiheit, sich dem Bedarf und der Nachfrage entsprechend zu entwickeln. Vor allem wurde keine Schule und keine Schulart gegen eine andere ausgespielt. Die jetzige Reform macht genau das Gegenteil,
atmet wieder den roten Geist von 2007. Schulen werden wieder in ein enges Korsett geschnürt, ihnen wird die Luft zum Atmen genommen. Welche Schule sich entwickeln darf und welche nicht, wird zentral aus Kiel diktiert. Nicht nur Regionalschulen, für die jetzt schon keine Hilfe in Aussicht gestellt wird, sondern auch Gymnasien und berufliche Gymnasien werden unnötig in Bedrängnis gebracht, genauso wie alle künftigen Gemeinschafts
Nein, diese Reform darf so nicht kommen. Das Schulgesetz von 2011 sollte wieder die Basis unseres Handelns werden.
Die Wahlfreiheit zwischen G 8, G 9 und G Y an Gymnasien sowie die Möglichkeit, abschlussbezogene Klassen an Regional- und Gemeinschaftsschulen einzurichten, muss wieder hergestellt werden. Zum Glück besteht ja aber so viel Konsens wie noch nie - zumindest in der Vorstellung unserer zukünftigen Pädagogikministerin. - Vielen Dank.