Die Landesregierung hat die ihr zur Verfügung stehende Redezeit um 3 Minuten überzogen. Diese Zeit steht nun auch allen anderen Abgeordneten zur Verfügung. - Jetzt erteile ich für die CDU-Fraktion der Abgeordneten Heike Franzen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schüler auf der Tribüne! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für ein neues Schulgesetz setzt die Koalition eins zu eins ihren Koalitionsvertrag um.
- Ich weiß nicht, ob das zu beklatschen ist. Sie sagen, Sie haben einen offenen Bildungsdialog geführt, verschweigen aber, dass es bei der Abstimmung im Rahmen dieses Bildungsdialogs viele Enthaltungen gab.
Ich war bei der Meinungsbildung im Rahmen dieses Bildungsdialogs dabei. Aufgrund der vielen Enthaltungen bei der Abstimmung kann ich eine große Zustimmung nun wirklich nicht erkennen, Herr Stegner.
Ihr Entwurf ist geprägt von dem Ansatz der Kuschelpädagogik: Wenn wir alles in einen Topf werfen, dann wird die Suppe schon schmecken.
Aus den Bildungs- und Erziehungszielen werden pädagogische Ziele. Daran kann man schon sehen, dass Sie die Bildungs- und Erziehungsleistungen in den Schulen nicht mehr so ernst nehmen wollen, wie das bisher der Fall gewesen ist. Das Argument, die Begriffe Bildung und Erziehung seien nicht mehr modern, halte ich sogar für gesellschaftlich nicht haltbar. Gerade in einer Zeit, in der wir zunehmend die Kompetenzen, mit denen die Kinder in die Schule kommen, hinterfragen müssen, müssen der Bildungsund Erziehungsauftrag der Schule die Grundlage der pädagogischen Arbeit sein. Sie zu pädagogischen Zielen zu degradieren, halten wir für falsch.
Meine Damen und Herren, vielleicht steckt auch System hinter diesen pädagogischen Zielen. Zukünftig sollen die Schulen in ihrer pädagogischen Vielfalt eingeschränkt werden. Das starre Korsett des sogenannten längeren gemeinsamen Lernens wird jetzt über sie gestülpt.
Wir haben gestern über pädagogische Vielfalt gesprochen. Frau Waldinger-Thiering hat gesagt, sie habe Vertrauen in die Lehrkräfte, dass sie alles das machen, was für die Schülerinnen und Schüler gut ist. Warum grenzen Sie dann diese pädagogische Vielfalt auf die Art und Weise ein?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Schulgesetz ist Schluss mit pädagogischen Konzepten an den Schulen, die sich auf die individuellen Talente und Bedürfnisse eingestellt haben. Damit ist Schluss mit pädagogischen Konzepten, die den leistungsstarken Schülerinnen und Schüler in entsprechenden Kursangeboten und abschlussbezogenen Klassen auch den entsprechenden Unterricht anbieten konnten. Damit ist Schluss mit dem praxisbezogenen Unterricht, der sich auf die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern konzentrieren kann, die einen Hauptschulabschluss erwerben und anschließend einen Ausbildungsplatz im
Dafür sollen Gymnasiasten, Realschüler, Hauptschüler und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam in einem Klassenverband unterrichtet werden. Die Abiturquote wollen Sie damit erhöhen. Schülerinnen und Schüler, die kein Abitur machen, finden in Ihrer Bildungspolitik überhaupt nicht mehr statt. Stattdessen vermitteln Sie den Eindruck, dass nur noch Schülerinnen und Schüler mit einem Abitur positive Zukunftschancen haben.
Im Umkehrschluss heißt das, dass alle anderen in Ihren Augen zu Bildungsverlierern werden. Das sind sie aber mitnichten. Diese jungen Menschen sind die Garanten für Wachstum in Schleswig-Holstein. Wir brauchen nicht nur Häuptlinge, sondern auch gut ausgebildete Indianer.
Die Qualität von Schule lässt sich übrigens nicht über die Abiturquote messen. Das hat insbesondere die KESS-Studie bei unseren Nachbarn in Hamburg gezeigt. Gerade die Ergebnisse der Stadtteilschulen, die ähnlich arbeiten wie die Gemeinschaftsschulen, sollten uns mit großer Sorge erfüllen. Die Schülerinnen und Schüler lagen mit ihren Leistungen bis zu drei Jahre hinter den Leistungen der Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien zurück. Dabei ist herausgekommen, dass die Ursache nicht die Oberstufen gewesen sind, sondern dass die Mittelstufe nicht ausreichend auf die Oberstufe vorbereitet hat und die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe die Defizite nicht mehr haben ausgleichen können.
Das ist in Hamburg der Preis für eine 64-prozentige Abiturquote: ein Zwei-Klassen-Abitur. Diese Gefahr ist in Ihrer Planung enthalten, bei der Abschaffung der Möglichkeit, äußere Differenzierung durchzuführen und abschlussbezogene Klassen nicht mehr einzurichten.
Stattdessen sollten Sie auf pädagogische Vielfalt setzen. Setzen Sie doch darauf, dass Lehrkräfte in ihren Schulen wissen, was für Kinder sie haben, wie ihre Lehrkräfte ausgebildet sind, welche Möglichkeiten sie tatsächlich haben und welchen Unterricht sie brauchen, binnendifferenziert, Kurssystem oder eben auch in abschlussbezogenen Klassen!
Setzen Sie doch - das ist wirklich ein positives Zeichen in Ihrem Schulgesetz - weiterhin auf die Kooperation der Oberstufen mit den Gymnasien und den beruflichen Schulen. Das ist der richtige Weg, aber nicht die Kleinstoberstufen, die Sie hiermit anstreben.
Frau Erdmann, Sie haben uns gestern vorgeworfen, wir hätten ODIS abgeschafft. Was ist eigentlich mit interner und externer Evaluation? Was ist mit Qualitätsentwicklung an den Schulen? Das findet in diesem Schulgesetz leider nicht statt.
Meine Damen und Herren, vielleicht wäre etwas mehr Ruhe für die Debatte insgesamt hilfreich. Es ist üblich, Zwischenrufe zu machen. Wenn aber der Bedarf besteht, erhebliche inhaltliche Beiträge zu liefern, sollten Sie bitte von der Möglichkeit der Dreiminutenbeiträge Gebrauch machen. Das wäre insgesamt hilfreich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso wenig findet sich in Ihrem Entwurf etwas zur Flexibilisierung des Einschulungsalters. Die Anhörung im Bildungsausschuss hat nun wirklich deutlich gemacht, dass eine Zurückstellung in Einzelfällen möglich sein muss. Wenn Ärzte, Therapeuten, Pädagogen und Eltern erhebliche und begründete Zweifel daran haben, dass ein Kind den Schulbesuch nicht aufnehmen kann, dann können wir uns doch diesem Expertenvotum nicht verschließen.
Sie wollen die Regionalschulen komplett abschaffen. Dabei gehen Sie ziemlich schonungslos mit den Schulstandorten um. Regionalschulen, die weniger als 240 Schülerinnen und Schüler haben, sollen bereits im nächsten Schuljahr nicht mehr einschulen dürfen. Das ist eine Schlechterstellung dieser Schulstandorte gegenüber den Schulstandorten mit Gemeinschaftsschulen. Wenn diese die Mindestgröße unterschreiten, haben diese nämlich eine zweijährige Wartefrist. Warum kann man diesen
Vor allen Dingen sollten Sie so auch nicht mit den Schulträgern vor Ort umgehen. Sie wollen das jetzt beschließen und zum nächsten Schuljahr umsetzen. Im Januar 2014 wird der Gesetzentwurf verabschiedet. Im Februar wird eingeschult. Wie sollen die Schulen dann noch vor Ort Konzepte entwickeln, die es ihnen ermöglichen, wenigstens ihren Standort zu halten?
- Frau Erdmann, ich will Ihnen das gern erklären. Die Mindestgrößenverordnung sieht 240 Schülerinnen und Schüler für Regionalschulen als Mindestgröße vor. Das ist in der Tat richtig. Wenn an einem Schulstandort die Mindestgröße unterschritten wird, dann hat die betreffende Schule zwei Jahre lang Zeit, sich ein Konzept zu überlegen. Das ist Grundlage unserer Mindestgrößenverordnung. Sie hingegen sorgen für eine Schlechterstellung von Regionalschulstandorten. Diese dürfen nämlich im nächsten Schuljahr schlicht und ergreifend nicht mehr einschulen. Das ist Bestandteil Ihres Schulgesetzes.
Wenn Sie schon den Regionalschulen den Garaus machen wollen, dann lassen Sie doch wenigstens den Schulträgern die Chance, mit benachbarten Schulen zusammenzuarbeiten.
Frau Abgeordnete Franzen, gestatten Sie eine Zwischenfrage beziehungsweise -bemerkung der Frau Abgeordneten Erdmann?
Frau Franzen, Sie haben sich über den Zeitplan beklagt. Im Januar 2014 soll entschieden werden, zum Sommer soll das Schulgesetz umgesetzt werden.