Warum ist das so? - Natürlich wissen wir, wie viele Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig-Holstein arbeiten und in welchen Fächern sie das zweite Staatsexamen abgelegt haben. Was wir als oberste Schulaufsichtsbehörde aber nicht wissen und auch nicht wissen können, ist, mit wie vielen Stunden ein Lehrer beziehungsweise eine Lehrerin in einer Schule in welchen Fächern tatsächlich eingesetzt wird. Zusammengefasst heißt das: Eine valide Aussage über künftige Fachbedarfe ist derzeit nicht möglich. Das zu behaupten, wäre nicht seriös. Das sehen im Übrigen alle Bundesländer so. Deshalb melden die Länder an die KMK die kurz- und mittelfristigen Einstellungschancen in den einzelnen Fächern, und zwar lediglich grob untergliedert in gering, gut oder sehr gut.
Ich gebe gern zu, dass auch ich diesen Zustand als unbefriedigend empfinde und mich damit nicht zufriedengeben will. Mit der Einführung des OnlineBewerbungsverfahrens pbOn haben wir inzwischen die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen ausgeschriebenen und davon besetzten Stellen in einzelnen Fächern und Kreisen abzubilden. Daraus lassen sich zukünftig die jeweiligen Bedarfe zumindest annäherungsweise ableiten, aber eben nur annäherungsweise.
Ich möchte noch etwas anderes betonen: Selbst wenn wir wüssten, wie hoch unser Fachbedarf in zehn Jahren präzise ist, beginnt deshalb noch kein einziger junger Mensch ein Lehramtsstudium in Mathematik oder Physik. Die Erfahrung zeigt, dass
die Wahl des Studienfachs nach anderen Kriterien erfolgt. Studierende wählen in der Regel nicht automatisch Mangelfächer. Sie richten ihr Studium an ihren Neigungen und nicht an den schulischen Bedarfen aus. Ich kann die Studenten nicht - das könnten wir natürlich ändern - mit Handschellen in die Universitäten bringen, um Physik oder Chemie zu studieren.
- Ja, das war Ironie. Danke. Dieser Hinweis war sicher eine gute Hilfe. - Gerade weil wir niemanden zwingen können, bestimmte Fächer zu studieren, ist es mir wichtig, schon im Vorschul- und Schulalter das Interesse an den Naturwissenschaften und der Mathematik zu fördern. So gewinnen wir Lehrkräfte für morgen.
Lassen Sie mich abschließend ein paar Worte zur Unterrichtssituation im Schuljahr 2012/13 sagen. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, allen Kindern in unserem Land den bestmöglichen Bildungsweg zu ebnen. Mit dem neuen Schulgesetz kommen wir auf diesem Weg ein gutes Stück voran.
Auch in Bezug auf die personelle Ausstattung unserer Schulen haben wir ein Ausrufungszeichen gesetzt, indem wir nämlich den geplanten Abbaupfad der Vorgängerregierung deutlich korrigiert haben.
Ich habe bereits mehrfach betont, dass es ein strukturelles Stellendefizit gibt. Wir arbeiten daran, dieses zu verringern. Für das Schuljahr 2012/13 belegt der Bericht zur Unterrichtssituation eine wenn auch nur leichte, aber immerhin eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Bei einem Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler um 1,3 % ist die Zahl der Unterrichtsstunden lediglich um 0,8 % gesunken. So soll es bis 2017 weitergehen.
Dem einen oder anderen wird aufgefallen sein, dass sich dieses Mal keine Zahlen zum Unterrichtsausfall im Bericht finden. Der Grund hierfür ist einfach. Wir alle sind uns einig, dass die bisher erhobenen Daten nicht aussagekräftig sind. Wir möchten das ändern. Deshalb stellen wir das bisherige Erfassungssystem ODIS gerade grundlegend um. Hierüber habe ich gestern auch im Bildungsausschuss berichtet. Eine viel detailliertere und damit realitätsnähere Abfrage wird in einer Pilot- und Rückmeldephase ab Ende November an unseren Schulen getestet. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wollen wir schnellstmöglich in der Breite umsetzen. Wir gehen davon aus, dass wir das neue System entweder zum zweiten Schulhalbjahr 2013/2014 an unseren Schulen einführen können
oder - das habe ich gestern von der Vorsitzenden des Bildungsausschusses gehört - möglicherweise erst im Sommer 2014 damit beginnen. Wir sollten im Bildungsausschuss über den Termin reden, weil mich die Argumente der Vorsitzenden davon überzeugt haben, vielleicht noch ein halbes Jahr damit zu warten und der Testphase einen größeren Raum zu geben. - Ich danke Ihnen für Ihr Interesse am Thema.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überzogen. Diese Redezeit steht jetzt auch den Fraktionen zur Verfügung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können mich auch gerne „Herr Krumbeck“ nennen. Im Zweifelsfall höre ich auch darauf.
Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht? Das haben wir uns gefragt, als wir vor Wochen auf Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage zur Lehrersituation und Lehrerbedarfsprognose gewartet haben. Mir sind die Ausschusssitzungen in Erinnerung, in der Frau Ministerin Professor Wende - vielleicht sogar in dem Glauben, ihre Behörde müsse so etwas können - mir die unverzügliche Übersendung der hausinternen Lehrerbedarfsprognose zusicherte. Vielleicht wusste sie selbst nicht, wie schwer sich ihr Haus damit tun würde. Jetzt liegt die Antwort vor. Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin stellvertretend für ihr Haus für die Antwort.
Oft würden wir bei dieser Landesregierung sagen: wenigstens nichts. - Leider ist das in diesem Fall nichts Gutes. Auf viele konkrete Fragen haben wir keine Antwort bekommen. Das Ministerium scheint mitteilungs-, sogar ahnungslos.
Meine Damen und Herren, Ahnungslosigkeit ist für eine Regierung, die die Schullandschaft umbauen will, die die Lehrerbildung neuerlich an zwei Standorten ausrichten will, die zusätzliche Oberstufen bei rückläufigen Schülerzahlen aufbauen will und die die Inklusion vorantreiben will, nicht gut echt nicht.
Meine eingangs gestellte Frage „Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht?“ muss ich daher zunächst mit „Sie können nicht.“ beantworten. Das ist der Schluss aus Ihrer Antwort, Frau Ministerin.
Wir fragen nach dem Einstellungsbedarf von neuen Lehrerinnen und Lehrern, aufgeschlüsselt nach Fächern, Jahren und Schularten. Diese Frage ist doch das Herzstück aller Planungen. Das ist doch die Basis.
Wie viele qualifizierte Lehrkräfte brauchen wir, um stabile Verhältnisse im ganzen Land vorhalten zu können? Eine zahlenmäßige Ermittlung des zukünftigen Bedarfs sei seriös nicht ermittelbar, so die Antwort auf Seite 7.
An dieser Stelle könnte ich beliebig viele ähnliche Antworten nachschieben, immer mit dem gleichen Tenor: Wissen wir nicht, haben wir nicht, können wir nicht. - Ich erspare uns dies hier und jetzt. Darüber werden wir im Ausschuss noch zu sprechen haben.
Wir haben erkannt, dass Sie auf zentrale Fragen nicht antworten können. Sie schieben das auf Unwägbarkeiten, die in allen Bundesländern vorherrschen. Doch während sich manch anderes Land damit nicht zufriedengibt, während Bayern die Studienberatung deutlich strafft und gezielter für den tatsächlichen Bedarf ausbildet, während sich Berlin nicht mit den KMK-Statistiken zum Lehrerbedarf zufriedengibt, sondern selbst hochrechnet und nachrüstet, während Hessen mit guten Stellenangeboten für den länderinternen Wettbewerb um Lehrer wirbt, legt Schleswig-Holstein - in Ihrem Ministerium, in Ihrer Landesregierung - die Hände in den Schoß und träumt vor sich hin.
Man träumt von gefüllten neuen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen, die jeder Schülerprognose zum Trotz alle möglichen Profile vorhalten sollen, und so weiter und so weiter.
Ich sage hier ganz ohne Einschränkung: Wir stehen zum längeren gemeinsamen Lernen. Wir wollen vieles, was Sie, Frau Professor Wende, auch wollen. Wir wollen das aber nicht im schulpolitischen Blindflug tun.
Wir wollen die Daten, die ja irgendwo auch vorhanden sind. Wir kennen die Schülerzahlprognose, wir kennen Daten zu Klassengröße, Pflichtstunden, Wochenstunden, sogar die Abgänger aus dem Schuldienst. Natürlich stecken Unwägbarkeiten darin. Mir fehlt aber die innere Neugier, der eigene Antrieb, diese Daten in einen seriösen Zusammenhang zu stellen.
Schauen wir uns einmal die zurückliegende Bundestagswahl an. Für wenige Tausend Euro bekommen Sie eine sehr präzise Prognose der Wahlergebnisse von Infratest dimap. Ich verstehe nicht, warum ähnliche Mittel nicht dem Ministerium zur Verfügung stehen.
An dieser Stelle muss ich zusammenfassen: Sie können nicht, und Sie wollen nicht. Solange das Interesse an seriösen Grundlagen nicht gegeben ist, solange wir uns in diesem Land mit dem Verweis auf Fehler des Bewerbungsverfahrens oder Daten der Kultusministerkonferenz zufriedengeben, solange wir uns auf Tool-Problemen ausruhen, so lange kommen wir nicht weiter. So machen wir keine gute Schule.
Wir werden die Gelegenheit nutzen, alle Daten zur Großen Anfrage zu hinterfragen. Wir werden das im Zusammenhang mit der Schulwirklichkeit tun.
Mensch, Frau Ministerin: 1.300 Stellen strukturelles Defizit, die gleiche Größenordnung noch einmal bei der Inklusion. Von unserer demografischen Rendite ist jetzt schon nichts mehr übrig. Wenn ich daran denke, dass wir unsere Lehrer entlasten und ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen, haben wir keine Luft mehr nach unten.
Entschuldigung, das war mir nicht klar, weil die Zeit hier anders läuft; ich habe gerade den Vorsitz übernommen. Das tut mir leid. Dann bitte weiter.
Ihrem eigenen Abbaupfad zufolge verlieren wir in den nächsten Jahren an jedem Tag - an jedem Tag! - eine Lehrerplanstelle. Das gilt für Wochenenden, Feiertage und Weihnachten. Da interessiert mich überhaupt nicht, wer wann schlecht gehandelt hat. Wir brauchen jetzt eine große Koalition für Bildung mit dem ehrlichen Willen, etwas zu tun. Mit uns ist das zu machen. Frau Ministerin, wollen Sie das? Können Sie das?